Soziales

„Soll den Stadtteil beleben“: Inklusionskiosk auf der Mannheimer Schönau eröffnet

Das Softeis gibt es für einen Euro und täglich verschiedene Kuchen. Auf der Schönau hat ein Kiosk eröffnet, in dem Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten.

Von 
Lea Seethaler
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Panajotis Neuert (v. l.), Andrea Safferling und Thorsten Riehle im neuen Mannheimer Inklusionskiosk. © Lea Seethaler

Schönau. Leicht zitternd gibt Mitarbeiterin Marina bei der Eröffnung des Inklusionskiosks auf der Schönau Eis durchs Fenster aus. Ihre Fähigkeiten sind zu gut für die Behindertenwerkstatt, auf dem „normalen“ Arbeitsmarkt aber bräuchte sie Unterstützung. „Daher ist der Job perfekt für sie“, sagt ihr Chef Panajotis Neuert, Geschäftsführer von Pflege im Quadrat. Er ist stolz. Sie lacht und arbeitet weiter.

Im neuen Café sind erschwingliche Preise Teil des Konzepts. Softeis gibt es für einen Euro, täglich drei verschiedene Sorten Kuchen für je 2,50 Euro. Jeden Tag ist von 6 Uhr bis 21 Uhr geöffnet, so werde der Stadtteil belebt, sagt Neuert. Die Öffnungszeiten im Kiosk in der Kattowitzer Zeile 60a klingen ambitioniert. „Die Leute sind eh bei uns im Dienst, also sind sie eben hier im Kiosk“, sagt Neuert. Denn der Kiosk gehört zu Neuerts gemeinnütziger Lebensort Schönau GmbH an, die die Senioren-Tagespflege nebenan betreibt.

Mitarbeiterin Marina (links) bedient die Gäste. © Lea Seethaler

Inklusionskiosk Schönau: Mit dem Golfcaddy werden Senioren aus der Tagespflege geholt

Per Golfcaddy fährt Neuert an diesem Tag schnell ein paar Tagespflege-Gäste zum Kiosk. „Das ist für sie ein wichtiges Rauskommen, das sie einfach brauchen. Wir werden das zwei Mal die Woche anbieten“, sagt er und düst ab, um die nächste Fuhre Begeisterte zu holen. „Ist das nicht geil mit dem Golfcaddy“, ruft er und lacht. „Einfach so praktisch, hop on und off.“

„Danke, dass ihr so verrückte Sachen mit mir umsetzt“, kreischt Neuert bei der Eröffnung bei seiner Rede dann in Richtung seiner Mitarbeiter, Freunde und Familie. Die Gäste johlen. „Das sollte es in jedem Stadtteil geben“, sagt Besucherin Kerstin Thelen. „Wirklich, so was muss man in jedem Stadtteil machen. Ich arbeite beim VdK als Ortsverbandsvorsitzende in der Neckarstadt. Auch dort ist das Problem der Einsamkeit extrem.“ Sie blickt sich um: „Man spürt, dass das hier den Menschen guttut, schauen Sie sich um!“, sagt Thelen und berichtet, dass sie sich bereits mit Gästen, anderen Sozialarbeitern und dem Bürgermeister vernetzt hat.

Kerstin Thelen wünscht sich einen Inklusionskiosk in jedem Stadtteil. © Lea Seethaler

Inklusionskiosk Mannheim: „Es passt in keine Schublade, wir schauen, was es wird“

„Wir wollen auch Pflegeberatung hier anbieten“, sagt Neuert. „Oder Hilfe bei der Antragsstellung etwa beim Thema Schwerbehinderung. Wir schauen jetzt mal, wo das hinführt“, sagt der Schönauer. „Viele haben mich gefragt, was wird das hier, wenn es fertig ist“, sagt Neuert. „Es passt in keine Schublade, es wird sich entwickeln. Wir schauen, was es wird“, sagt er und lacht unverwechselbar.

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„Einfach ein Herzensprojekt, danke Joti“, sagt eine Frau und streicht im Vorbeilaufen über den Arm von Neuert. Sie sprechen kurz. Wenn man hinter Neuert herläuft, ist es in der Menge um den Kiosk schwer voranzukommen - eben auch wegen vieler solcher Begegnungen. Auch drängt die große Besuchermenge bereits bis auf die nebenan gelegenen Straßenbahnschienen. Immer wieder halten Menschen bei Neuert an und wollen interessiert etwas zum Projekt wissen.

„Und wenn’s ein gutes Zeugnis gibt, werden wir hier auch einmal Eis ausgegeben“, sagt Neuert vorfreudig und blickt auf einige Schülerinnen und Schüler, die vorbeilaufen. „Wir wollen alle Generationen und unterschiedlichste Menschen hier im Kiosk mit ins Boot holen“, sagt er. Die jüngeren Passanten bleiben interessiert an der Scheibe stehen und blicken auf Kaugummi, Brezeln und Co. - und kehren sogleich ein.

Blick aus dem Inklusionskiosk auf der Schönau. © Lea Seethaler

Inklusionskiosk Schönau: „Unternehmertum, wie wir es in Mannheim brauchen“

„Das ist Unternehmertum, wie wir es in unserer Stadt brauchen“, sagt Bürgermeister Thorsten Riehle (SPD) bei der Eröffnung. „Leute, die anpacken, die nicht lange fackeln. Die einfach ihre Ideen umsetzen und machen.“ Lauter Applaus ertönt. „Ich kann mich erinnern, wie es hier noch Dinge für fünf Pfennig gab“, hört man eine Stimme im Publikum nuscheln. „Und jetzt ist’s wieder offen!“ Viele ältere Leute haben draußen auf den Stühlen Platz genommen.

Neuert hat das Gebäude Stadträtin Andrea Safferling (SPD) abgekauft. Sie freut sich, dass der Kiosk jetzt mit neuem Leben gefüllt wird. Anfang der 1940er Jahre wurde er erbaut. Nun strahlt er in neuem Glanz. „Wir haben ein Kleinod aus dem Schlaf geweckt“, sagt Neuert. Einen mittleren fünfstelligen Betrag hat Neuert in die Hand genommen, alles grundsaniert, sogar mit einer barrierearmen Toilette.

Laut aktuellem Mannheimer Sozialatlas gehören große Teile der Schönau zu den „sozialstrukturell auffälligen Stadtteilen mit stark überdurchschnittlichen sozialen Problemlagen“. Unter anderem gibt es eine hohe Armutsquote. Panajotis Neuert berichtet am Tag nach der Eröffnung, dass der Kiosk voll ist und die Nachfrage an Snacks und Co. riesig sei. Wie so oft steht er dabei auch wieder selbst mit hinter der Theke. Wer weiß: Vielleicht wird es ein solches Projekt bald auch in jedem Stadtteil geben.

Der Mannheimer Inklusionskiosk bei Nacht. © Panajotis Neuert

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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