Mannheim. In unserer Gesellschaft sind wahre Leistungsträger besonders auch Fachkräfte im Sozialbereich. Sie füllen die Bereiche unseres Lebens, mit denen keiner etwas zu tun haben will, Tag für Tag mit Würde. Sie wagen sich jeden Tag in Alltage, in denen andere zerbrechen würden.
Doch die sozialen Arbeiter sind keine träumerischen und idealistischen Weltverbesserer. Sie sind, so habe ich viele erlebt, verantwortungsvolle Anpacker und Realisten. Ich finde das sehr beeindruckend. In ihrem Beruf geht es oft um Tod, Krankheit, Siechtum oder Alter. Professionelle Distanz zu wahren, in Berufen, in denen man nah am Menschen arbeitet – nicht nur emotional, sondern auch körperlich – das muss man erstmal hinkriegen. Es geht um Bereiche, in denen Dreck anfällt oder die richtig Nerven kosten, wie etwa Betreuung.
Auch die hiesige Awo muss mit knappen Ressourcen etwa aus dem städtischen Haushalt, steigenden Bedarfen und einer immer diverser werdenden Klientel umgehen.
Hunderte realistische Anpacker in Mannheim haben über Jahrzehnte maßgeblich zur sozialen Infrastruktur der Stadt beigetragen und Unzählige unterstützt. In den vergangenen Jahren aber haben sich die gesellschaftlichen Anforderungen an soziale Träger massiv verändert. Auch die hiesige Awo muss mit knappen Ressourcen etwa aus dem städtischen Haushalt, steigenden Bedarfen und einer immer diverser werdenden Klientel umgehen. Zudem kämpfen auch traditionsreiche Einrichtungen wie die Awo mit den Problemen der Branche: Personalmangel und hohe Arbeitsbelastung.
Die Awo Mannheim passt ihre Struktur seit Jahrzehnten an. Gut so. Auch das rettete sie Anfang der 2000er zusätzlich mit besserem Management vor der Pleite. Was locker organisiert begann, ist heute ein starkes Sozialunternehmen – und das ist auch das Ergebnis von visionären Machern in der Stadt. Diese Stärke sollte auch die Politik erkennen und wertschätzen. Awo-Vorstand Alexander Manz berichtete dieser Redaktion zuletzt zu den Haushaltskürzungen: Diese seien „besorgniserregend“. Denn auch wenn keine gesetzliche Verpflichtung zur Kostendeckung der Leistungen durch die Kommune bestehe, „so sind sie dennoch nicht willkürlich, sondern dienen der sozialen Bedarfsdeckung von Menschen in der Stadt“, so Manz.
Die Seniorenberatungsstelle Neckarstadt-Ost etwa, die für ältere Menschen in vielen Fragen des alltäglichen Lebens eine wichtige Anlaufs- und Vermittlungsstelle ist, sei bereits jetzt nicht auskömmlich finanziert, so Manz. Mit Kürzungen besteht die konkrete Gefahr, dass die Awo dieses Angebot eventuell würde einstellen müssen. Können wir, die wir alle selbst alt werden, das wollen? Ich glaube nicht.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar 100 Jahre AWO Mannheim: Soziale Arbeit ist kein Selbstläufer!
Soziale Arbeiter wagen sich jeden Tag in Alltage, in denen andere zerbrechen würde. Doch sie sind mehr als träumerische und idealistische Weltverbesserer, findet Lea Seethaler.