Käfertal. Staunend, bewundernd, neugierig blicken sie sich um, aber auch Trauer und Abschiedsschmerz sind noch immer zu spüren. Für Nachbarn und Gemeindemitglieder hat sich jetzt erstmals seit dem letzten Gottesdienst im Oktober 2024 wieder die Kirche St. Hildegard geöffnet – zum Baustellenfest. Der Caritasverband der Erzdiözese Freiburg baut das Gebäude in Käfertal-Süd, die erste in Mannheim entweihte katholische Kirche, derzeit zu einer Schule für Pflege- und Erzieherberufe um. Es ist die erste katholische Kirche, die in Mannheim aufgegeben wird.
Als Bagger mit großen Zangen sich in die Sakristei gebissen und sie abgebrochen hätten, das sei schon bitter gewesen, sagt eine ältere Frau. „Alles weg“, murmelt eine andere und schaut wehmütig in das einstige Gotteshaus. Gegen dessen Schließung hatte es viel Protest und damals einen sehr emotionalen Abschiedsgottesdienst gegeben. „Aber das hat sich gelegt“, sagt zumindest Markus März, der Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, auch wenn es „nicht so einfach“ sei, das Gemeindeleben in der benachbarten evangelischen Philippuskirche fortzusetzen. Oft ist sie nämlich einfach zu klein.
Von der Kirche zur Schule: Baulich und statisch eine besondere Herausforderung
In die große, ab 1959 nach den Plänen von Heinz Heß gebaute und 1961 eingeweihte Hallenkirche der Katholiken sind nun aus je 18 Zentimeter dickem Beton zwei Stockwerke eingezogen, in die helle Backsteinfassade Fenster hineingebrochen worden. Im Erdgeschoss entstanden die Cafeteria sowie Fachräume, etwa für Musik oder kreative Fächer, und Unterrichtsräume. Im ersten Obergeschoss sind nur Klassenräume und im zweiten Obergeschoss die Schulleitung, das Lehrerzimmer, ein Konferenzraum, Platz für Archiv und Technik.
Man sei „fast fertig“ mit dem Rohbau und wolle diesen Meilenstein der Gemeinde präsentieren, sagt Architekt Christian Franck. Obwohl schon seit zehn Jahren planerisch mit Um- und Neunutzung von Kirchen beider Konfessionen befasst, sei der Umbau von St. Hildegard „schon eine besondere Herausforderung“ gewesen. Es sei aber gelungen, dies überwiegend mit regionalen Firmen, beim Rohbau mit dem Wallstadter Unternehmen Streib, zu bewältigen, so der Architekt.
Die Baufirma habe eine „enorme Mannleistung“ vollbracht, weil es nicht möglich gewesen sei, einen großen Kran zu stellen. Die jeweils etwa eine Tonne schweren Stahlträger für die neuen Geschosse hätten daher per Bagger und Hubwagen bewegt werden müssen. Und statt fertige Baustahlmatten zu verwenden, hätten die Arbeiter wie früher Meter für Meter alle Decken von Hand betoniert, mit einzelnen Eisenträgern und Holzverschalung: „Wir kriegen die sonst sechs Quadratmeter am Stück, aber die bekommt man hier nicht hoch“, beschreibt Franck die Anforderungen der Baustelle.
Käfertal-Süd: Zeit- und Kostenrahmen werden eingehalten
Von einer „sehr ungewöhnlichen Bausituation“ spricht auch Statiker Felix Späh. Anfangs habe er die Träger des 23 Meter breiten, frei tragenden Dachs zu prüfen gehabt, die vom Ende der 1950er Jahre stammten, als man noch ganz anderen Stahl und Beton verwendet habe. „Aber es gibt keine Schäden“, beruhigt er. Für den ganzen Bau habe er „extrem viel nachrechnen und prüfen“ müssen. Letztlich handele es sich, so erläutern Franck und Späh, um einen in die Gebäudehülle der alten Kirche eingepassten Neubau. Auch wenn sie nicht unter Denkmalschutz stehe, habe man die charakteristische Klinkerfassade bis auf die notwendigen Öffnungen für Fenster erhalten wollen. Darin sei ein „hoch energetisch gedämmtes Gebäude“ integriert worden, so Franck.
Laut dem Architekten ist das „trotz aller Einflüsse im Zeit- und Kostenrahmen“ gelungen. Das bedeutet, so der Caritasverband, ein Investitionsvolumen von 7,5 bis acht Millionen Euro. „Im Herbst 2026 ist Einweihung“ verspricht Henric Peeters, Vorstand Finanzen & Personal des Caritas-Diözesanverbandes Freiburg. Dann wolle man das Gebäude auch „den Menschen im Sozialraum“ zur Verfügung stellen, kündigt er an. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir die Cafeteria oder auch Werkräume, wenn sie danach ordentlich hinterlassen werden, für Interessenten aus dem Stadtteil zur Verfügung stellen“, erläutert Susanne Hartmann, Leiterin der Abteilung Bildung, Qualifizierung & Befähigung des Caritasverbands.
Die Einrichtung in Käfertal-Süd ersetzt bisher angemietete, aber renovierungsbedürftige Räume der Caritas-Pflegefachschule in Schwetzingen. „Aber wir wollen auch zusätzliche Plätze schaffen“, betont Hartmann. Langfristig diene das Gebäude etwa 800 Auszubildenden und Schülern, zudem der Fortbildung für Caritas-Kräfte. Die 800 sind wegen des Blockunterrichts von Berufsschülern aber nie alle gleichzeitig da, sondern höchstens etwa 180. Außer vier Klassen der Pflege-Fachschule entstehen drei Klassen für angehende Erzieher für Jugend- und Heimerziehung. Ab 2027 soll, so Petra Wengert-Richter, Schulleiterin bei Katholische Fachschule für Sozialwesen, eine Klasse für die praxisintegrierte Ausbildung zur Erzieherin (PiA) dazukommen. Die Einrichtung werde künftig „Bildungszentrum St. Hildegard“ heißen. „Der Name lebt also weiter“, so Wengert-Richter.
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