Mannheim. Als Erfinderstadt des Fahrrads setzt Mannheim auf den Ausbau des Radverkehrs. Das Fahrradfahren wird gefördert, Fahrradstraßen werden eingerichtet und die Stadt rührt die Werbetrommel für das Zweirad. Auch die gezählten Fahrten nehmen zu – und trotzdem sagen die Radfahrenden, dass es in Mannheim an vielen Ecken mangelt. Wie passt das zusammen?
Im Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) bleibt die Bewertung Mannheims seit Jahren auf demselben Niveau: Die Schulnote 4,0 im Jahr 2022, 3,9 in den vorherigen Jahren. „Gute Noten gab es in Mannheim wieder für den öffentlichen Fahrradverleih mit 2,3“, sagt der Sprecher des ADFC-Kreisverbands Mannheim, Gerd Hüttmann. Auch in den Bereichen „Fahrradförderung in jüngster Zeit“ und „Werbung für das Radfahren“ ist die Quadratestadt über dem Bundesdurchschnitt.
Ist die Stadtverwaltung machtlos?
Diese positiven Bewertungen werden auch von der Stadt in einem Statement in den Vordergrund gerückt: Mehr als 45 Kilometer an Einbahnstraßen seien für Radfahrende inzwischen in Gegenrichtung geöffnet. Hier schneidet Mannheim deutlich besser ab als vergleichbare Städte.

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Trotzdem wird der Spaß am Fahrradfahren nur mit einer 4,0 bewertet. „Ob das Radfahren insgesamt positiv bewertet wird oder nicht, hängt jedoch von mehreren Faktoren ab, auf die die Verkehrsplanung nur teilweise bis gar keinen Einfluss hat“, sagt eine Sprecherin der Stadt.
Zu viele Falschparker auf Radwegen
Bessere Ampelschaltung oder breitere Radwege, auf die die Verkehrsplanung Einfluss hätte, sind aktuell jedoch gar nicht das Problem. Der ADFC wirft einen Blick auf schlecht bewertete Punkte im Fahrradklima-Test: Die Falschparkerkontrolle auf Radwegen und Führung an Baustellen. Der Fakt, dass hier seit Jahren keine Verbesserung im ADFC-Fahrradklimatest zu sehen ist, ist laut Hüttmann „besonders bedeutsam“. Denn: „Sie spiegeln die täglichen Ärgernisse der Radfahrenden wider, sind unfallträchtig und verderben den Spaß am Radeln.“ Dabei seien es eben diese Probleme, die „ohne aufwendige Maßnahmen behoben“ werden könnten.
Mehr Menschen fahren mit dem Rad, obwohl sie es in der Gesamtschau mit weniger Spaß an der Sache tun
Wie kommt es also, dass an den Zählstellen Jahr für Jahr mehr Fahrten registriert werden, wenn sich die Situation für Radfahrende laut Fahrradklimatest nicht verbessert? Hüttmann denkt, dass es der Klimawandel und die Inflation sind, die die Menschen zum Radfahren bewegen: „Mehr Menschen fahren mit dem Rad, obwohl sie es in der Gesamtschau mit weniger Spaß an der Sache tun.“
René Leicht vom Bündnis Fahrradstadt Mannheim führt den Anstieg der Zahlen ebenfalls auf externe Faktoren zurück, „nicht auf etwaige Anreize oder Angebote im Mannheimer Radverkehr“. Er nennt mit dem Verkehrsversuch und Baustellen, also „Einschränkungen des Autoverkehrs“, weitere Gründe für mehr Radverkehr.

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Der Experte bezweifelt jedoch auch, ob die Zahl der Radfahrenden seit 2018 überhaupt zugenommen hat. Das habe zwei Gründe: Zum einen wird an den Zählstellen nicht erfasst, ob wirklich mehr Menschen auf das Fahrrad umgestiegen sind oder dieselben Menschen einfach immer mehr Fahrrad fahren. Der Radverkehrsanteil wird an den Zählstellen also nicht erfasst. Und zum anderen sei der Anstieg der Radfahrten von Jahr zu Jahr auch darauf zurückzuführen, dass zeitweise Zählstellen ausgefallen seien und das Vorjahresergebnis somit niedriger gewesen sei.
Defekte Zählstelle an der Renzstraße
Auf Anfrage bei der Stadt antwortet eine Sprecherin, dass die Zählstelle an der Renzstraße zwischen Dezember 2020 und Dezember 2021 auf einer Straßenseite defekt war, diese Daten jedoch „wissenschaftlich von einer Fachfirma errechnet“ worden seien. Dabei seien die Durchschnittswerte der vorherigen Jahre, die Entwicklung an anderen Zählstellen und weitere Faktoren berücksichtigt worden.
An weiteren Stellen funktioniere nur die automatische Datenübertragung nicht mehr. „Die Daten müssen nur vor Ort manuell übertragen werden – was an mehreren Stellen bereits passiert ist“, teilte die Stadt weiter mit.
Radverkehr sinkt in der Pandemie
Unabhängig davon, ob es Ausfälle gegeben hat oder nicht, gibt es laut Leicht vom Fahrradbündnis noch eine weitere bemerkenswerte Entwicklung: „An fast allen Mannheimer Zählstellen ist die Zahl der Radfahrenden ab dem Covid-Jahr bis 2020/2021 tendenziell zurückgegangen.“ Dies stehe im Gegensatz zu anderen Städten in Deutschland, wo der Radverkehr anstieg.

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Der Grund für den Anstieg in anderen Städten ist laut Leicht, dass andere Städte „ihre Radverkehrsinfrastruktur rasch durch Pop-Up Bike Lanes erweitert haben“. Eine solche kurzfristig eingerichtete Fahrradspur gab es im vergangenen Jahr auch am Mannheimer Kaiserring, allerdings nur für einen Tag.
"Ungenügendes Radwegenetz" in Mannheim?
Der niedrige Anteil des Radverkehrs (zuletzt 2018 mit 20 Prozent gemessen) sowie der Rückgang während der Pandemie sind laut Bündnis Fahrradstadt Mannheim auf ein „ungenügendes Radwegenetz“ zurückzuführen.
Maßnahmen für eine Bessere Radinfrastruktur setzt die Stadt dennoch um. Von ihr heißt es: „Nach Lückenschlüssen in der jüngeren Vergangenheit (Augustaanlage, Teil des Luisenrings) folgen in den kommenden Jahren weitere Teile des Luisenrings, am Parkring sowie am Kaiserring, sodass der Innenstadtring in der Zukunft durchgängig eine komfortable Radverkehrsinfrastruktur hat.“ Das Bündnis kritisiert dagegen: „Radschnellwege mit wirklich relevanten Streckenlängen und ohne Hindernisse lassen noch lange auf sich warten.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Nur mit einem gemeinsamen Kraftakt kann Mannheim zur Fahrradstadt werden