Serie „Mein Stadtteil“, Folge 3 – Schwetzingerstadt - „MM“-Redakteur Stefan Proetel mag das urbane Flair, die Abwechslung und die kurzen Wege des Viertels

Die Schwetzingerstadt in Mannheim: Schnörkellos und unprätentiös

Von 
Stefan Proetel
Lesedauer: 
Schöne Altbauten neben zweckmäßigen Häusern, nette Cafés neben rustikalen Imbissen, Buntes neben Grauem – das ist die Schwetzingerstadt. Auf dem Bild ein Blick in die Seckenheimer Straße. © Stefan Proetel

Diese Liebeserklärung an die Schwetzingerstadt beginnt in der Otto-Beck-Straße - und damit mit einem kapitalen Fehler. Wer hier an der Kreuzung zur Seckenheimer Straße steht und Richtung Augustaanlage blickt, wähnt sich in einem langen, grünen Tunnel. Jetzt im Sommer, wenn das Laub dicht ist und in der Sonne glänzt, verstärkt sich dieser Eindruck, den die Baumreihen links und rechts der Straße sowie in der Mitte auf den Parkflächen hinterlassen. Eine natürliche Galerie aus alten, knorrigen Platanen - eine Einladung, die Gedanken mal so eben nach Südfrankreich huschen zu lassen.

Und wo ist jetzt der eingangs erwähnte Fehler? Hier: Denn streng - und auch weniger streng genommen (das zeigt die Beschilderung am Straßenrand) - liegt die Otto-Beck-Straße schon gar nicht mehr in der Schwetzingerstadt. Sie gehört zur Oststadt und mit ihr alles, was sich nördlich der Seckenheimer Straße befindet.

Wunderbare Infrastruktur

Nur in der Realität fühlen sich die Menschen hier nicht als Bürgerinnen und Bürger der Oststadt. Sie sind, so sagen sie es, in der Schwevo zu Hause. Und sie preisen die Vorzüge, die es in der klassischen Oststadt jenseits der Augustaanlage eben nicht so ausgeprägt gibt: gemütliches urbanes Flair mit einer wunderbaren Infrastruktur.

Schwevo? Das ist die Kurzform für Schwetzingervorstadt, denn so wurde der Stadtteil früher genannt. Vor allem entlang der Seckenheimer Straße ist er in den vergangenen 15 Jahren endgültig aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Cafés mit durchaus lauschigen Außenplätzen, Lokale (es gibt sogar ein Sterne-Restaurant) und rustikalere Imbisse - wie der türkische mit den liebenswerten Besitzern an der Ecke zur Joseph-Haydn-Straße - wechseln sich ab mit Geschäften, kleinen Betrieben, der einen oder anderen Galerie.

Fakten zum Stadtteil

  • In der Schwetzingerstadt ist man gerne für sich: Laut des Statistikatlas der Stadt Mannheim sind mehr als zwei Drittel der Haushalte dort Einpersonen-Haushalte.
  • 9,2 Jahre leben Bewohner und Bewohnerinnen der Schwetzingerstadt durchschnittlich an einer Adresse.
  • Der Tattersall am Anfang der Schwetzingerstadt geht auf eine Ende des 19. Jahrhunderts erbauten Reithalle der Aktiengesellschaft Tattersall zurück.
  • Der Stadtteil der Erwachsenen: Nur 9,7 Prozent der Einwohner des Viertels sind Kinder oder Jugendliche.

Für die Dinge des täglichen Bedarfs muss hier niemand ins Auto steigen. Wer samstagabends um kurz vor Neun merkt, dass Brot-, Süßigkeiten-, Pasta- oder Klopapiervorräte bedenklich knapp werden könnten, kann sich nach einem Kurzsprint noch schnell die Einkaufstaschen füllen.

Die Friseurdichte mag etwas zu hoch sein, übertrieben chic ist die Schwetzingerstadt aber dennoch nicht. An vielen Ecken wurden und werden etwas heruntergekommene Wohnblocks dezent saniert, zwischen ihnen stehen prächtige, im Weltkrieg verschonte Altbauten - alles in allem gibt sich der Stadtteil und mit ihm seine Bewohnerinnen und Bewohner schnörkellos und angenehm unprätentiös.

Beispiel: In unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Weinhandel, einem „Unverpackt“-Laden und einer schmucken Geschenke-Boutique wartet der Besitzer der „Staubsaugerzentrale“ auf Kundschaft. In die andere Richtung steht eine Tankstelle, ein paar Schritte weiter die „Tanke“ - ein Gemischtwarenladen, der bis 23 Uhr geöffnet hat.

Am Rand und doch zentral

In der Schwetzinger Straße etwas weiter südwestlich, der zweiten größeren Straße mit Einkaufsmöglichkeiten, bietet der vielleicht beste Kuchenbäcker der Stadt seine verführerische Ware an. Geduld ist vor allem an Sonntagnachmittagen gefragt: Die Wartezeiten können lang sein - was manchmal schwer auszuhalten ist, da man die Leckereien schon von draußen in der Auslage sieht. Und manchmal sieht man so leider auch, dass die letzten Stücke seines Lieblingskuchens für den Kunden weiter vorne in der Schlange eingepackt werden. . .

Apropos sehr gutes Handwerk: Gar nicht weit von hier, in einem kaum einsehbaren Hinterhof in der Augartenstraße, betreiben Vater und Sohn gemeinsam die vermutlich freundlichste Autowerkstatt der Stadt.

Abwechslung sowie das Nebeneinander von stinknormal, solide und überdurchschnittlich sind also so etwas wie das Markenzeichen des Viertels. Nirgendwo besser sichtbar wird das auch in der Schlange an den Supermarktkassen. Dort treffen die betagte Oma mit Rollator, die junge Mutter mit Kinderwagen, der Student mit Rucksack und die feine Dame aus der Oststadt mit Einkaufstrolley aufeinander. Manchmal wird zwar auch kurz gefaucht, aber in der Regel begegnen sich alle unaufgeregt und sehr tolerant.

Ein weiterer Vorteil: Die Schwetzingerstadt liegt zwar gefühlt am Rande der Stadt. So ist man spätestens in drei Minuten am Planetarium und damit am Beginn der A 656 in Richtung Heidelberg. Dennoch schmiegt sich der Stadtteil an den Ring und damit die Innenstadt an.

Kurze Wege haben die Bewohnerinnen und Bewohner auch zum Hauptbahnhof, zu Rosengarten, Kunsthalle oder Nationaltheater und zum Luisenpark. Einmal die Augustaanlage überquert, schlendert man in gemütlichen zehn Minuten zur grünen Lunge der Stadt - quer durch die Oststadt. Auch hier ist es schön, nur anders.

Ehemalige Mitarbeit Ressortleiter Lokales/Regionales und Mitglied der Chefredaktion

Thema : „Mein Stadtteil“ – Leben in Mannheim

  • Serie "Mein Stadtteil" Sandhofen: Zwischen intimer Wärme und mutiger Erneuerung

    Mit Sandhofen, dem nördlichsten Zipfel Mannheims, endet die Serie "Mein Stadtteil". Markus Mertens lebt dort seit drei Jahrzehnten- und das trotz aller Veränderungen sehr gerne.

    Mehr erfahren
  • Serie „Mein Stadtteil“ Käfertal: Ein Stadtteil mit ganz vielen Gesichtern

    „MM“-Chefreporter Peter W. Ragge über den Wandel des aus fünf Teilen bestehenden Gebiets, die frühe Industrialisierung und zahlreiche leere Läden im Mannheimer Stadtteil Käfertal.

    Mehr erfahren
  • Serie „Mein Stadtteil“ Licht und Luft für alle – in der Mannheimer Gartenstadt damals wie heute

    Redakteurin Susanne Wassmuth-Gumbel lebt gerne in einem auf Solidarität gegründeten Stadtteil. Der besondere Charme der Gartenstadt erfasste sie schon beim ersten Hindurchfahren.

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen