Sport

WM in Mannheim: Tauziehen über die Schmerzgrenze hinaus

Vom 5. bis 8. September finden im Mannheimer Seppl-Herberger-Stadion die Weltmeisterschaften im Tauziehen statt. Die Athleten haben nicht nur sportliche Ziele: Sie wollen Tauziehen als das präsentieren, was er ist: ein ernstzunehmender Sport

Von 
Sebastian Koch
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Beim Tauziehen geht es auch um einen gemeinsamen Rhythmus im Team. © Deutscher Rasenkraftsport- und Tauzieh-Verband/Sebastian koch (2)

Mannheim. Vom Freibad zur Weltmeisterschaft im eigenen Land. Was wie ein Sport-Märchen klingt, wird für Timo Nopper Realität. Vor vielen Jahren ist er in seiner schwarzwälder Heimat im Schwimmbad, als nebenan ein Schnuppertraining für Tauziehen stattfindet. Kurzerhand nimmt er daran teil. „Dann bin ich dabei geblieben, weil Tauziehen ein schöner Sport ist“, erzählt Nopper beim Besuch der deutschen Nationalmannschaften in der Redaktion.

Vom 5. bis 8. September findet im Seppl-Herberger-Stadion am Alsenweg die Weltmeisterschaft der Tauzieherinnen und Tauzieher statt. Die ersten beiden Tage steht die Club-Weltmeisterschaft auf dem Programm, am Samstag und Sonntag folgen die der Nationalmannschaften mit Frauen-, Männer- und Mixed-Teams. „Natürlich wollen wir alle Erster werden“, sagt Nopper, der fürs Männerteam zieht. Ob das realistisch ist? Die Deutschen gehören zur internationalen Spitze. Das Treppchen sei also durchaus drin, sagt Nopper. „Alles darüber hinaus wäre eine schöne Zugabe.“

Das Seil ist mehr als 30 Meter lang, pro Mannschaft ziehen acht Sportlerinnen und Sportler. © Deutscher Rasenkraftsport- und T

In Deutschland gibt es 25 Vereine, die Tauziehen anbieten. Der Schwerpunkt liegt in Süddeutschland, vor allem im Südbadischen. In der Rhein-Neckar-Region ist der ASV Ladenburg führend und mit Fabien Elias in der Mixed-Nationalmannschaft vertreten.

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Ein Seil und zwei Teams sind zunächst die einzigen beiden Voraussetzungen, die man fürs Tauziehen braucht. „Jeder hat wahrscheinlich mal in der Schule am Tau gezogen“, weiß der Vorsitzende des Deutschen Rasenkraftsport- und Tauzieh-Verbandes, Ralf Bräuninger.

Die niedrige Einstiegsschwelle ist Segen und Fluch zugleich. Denn ob im Bierzelt, auf Volksfesten oder auf Geburtstagen - gerade weil der Sport augenscheinlich so leicht ist, werde er oft ins Lächerliche gezogen, ärgern sich die, die etwa zwischen dem erwähnten Freibadbesuch und der Teilnahme an einer Weltmeisterschaft Jahre des Trainings mit viel Schweiß, eine Menge Muskelaufbau und noch mehr Zeit in den Sport gesteckt haben. „Wir haben auch das Ziel, in Mannheim Werbung zu machen und zu zeigen, dass Tauziehen mehr ist als das, wofür es viele halten“, sagt Bräuninger. Tauziehen, sagen die, die es wissen müssen, sei eine „intensive Kraftsportart“, bei der der ganze Körper gefordert ist.

Die Schuhsohlen verhelfen den Tauziehern zu einem festen Halt im Rasen. © Sebastian Koch

Dass Tauziehen eine schweißtreibende Angelegenheit ist, davon können sich am Vormittag auch Mitglieder der „MM“-Redaktion überzeugen. In einem Mini-Schaukampf treten die gegen Teile der Nationalmannschaften an. Mit deutlich mehr Körpergewicht auf ihrer Seite, einem kürzeren Tau als üblich und dem Heimvorteil gewinnt die gemischte, physisch überlegene „MM“-Delegation gegen vier Damen.

Zwischen 1900 und 1920 Teil der Olympischen Spiele

Dieses Duell dauert nicht länger als zwei Minuten. Nach drei weiteren Begegnungen sind einige Redakteure körperlich bereits deutlich an ihrem Limit (der Autor auch). Bei einer Weltmeisterschaft könnten dagegen schon mal 15 Minuten vergehen, bis eine Mannschaft die andere über die Mitte gezogen hat, erklärt Bräuninger, und lässt die ausgepowerten Redakteure die körperlichen Strapazen erahnen, die während einer WM-Begegnung auf sie zugekommen wäre.

Die Athletinnen und Athleten haben schwere Schuhe an, während sie am Tau ziehen. © Sebastian Koch

Tauziehen gehört zu den ältesten Sportarten. Schon auf antiken Malereien finden sich Motive, nach denen zwei Mannschaften gegeneinander am Seil ziehen. Zwischen 1900 und 1920 war die Sportart im Olympischen Programm. Mittlerweile wird bei den World Games um Gold, Silber und Bronze gezogen. Die mit Olympischen Spielen vergleichbare Veranstaltung - mit Sportarten, die nicht zum Olympischen Programm gehören - gilt als Höhepunkt. Im Gespräch, so der Eindruck, ist die Qualifikation für die Spiele 2025 im chinesischen Chengdu für die Mannschaften auch das vorrangige Ziel für die Weltmeisterschaft. Dafür müssten die Mannschaften in den Klassen Männer 640 Kilogramm, Frauen 500 Kilogramm und Mixed 580 Kilogramm jeweils unter die besten Vier kommen.

Bis zu acht Männer und Frauen ziehen in einem Team. Vier Meter müssen sie die gegnerische Mannschaft zu sich heranziehen. Tauziehen sei eine Mischung aus Mannschafts- und Einzelsport, sagen die Nationalsportler. „Jeder Einzelne muss den Ehrgeiz haben, an seine Grenzen und über die hinaus zu kommen“, erklärt Theresa Schwegler, die für die Frauen antritt. „Alle acht in einer Mannschaft sind nur so stark wie ihr schwächstes Mitglied.“

Etwa 1500 Athletinnen und Athleten aus aller Welt

Die Männer und Frauen müssen im gleichen Rhythmus ziehen. Sie sollten auf ungefähr gleicher Höhe über dem Rasen liegen, um möglichst gleichzeitig und schnell zu reagieren, wenn der Gegner zieht. Neben Technik, Ausdauer und Kraft zählen die Sportler einen starken Willen im Team zu den Grundvoraussetzungen für Erfolg auf. Irgendwann, sagen sie, tue eigentlich alles weh. „Dann muss man noch weiterziehen“, ist aus dem Kreis zu hören. Schließlich ist Tauziehen laut Bräuninger „der einzige Sport, den man gewinnt, wenn es rückwärts geht“.

Zum ersten Mal überhaupt findet eine Weltmeisterschaft im Tauziehen in Deutschland statt. Immerhin: 1924, vor 100 Jahren, war Mannheim Gastgeber der Deutschen Athletikmeisterschaften, zu denen Wettkämpfe im Tauziehen gehörten.

Für die Weltmeisterschaft erwarten die Organisatoren 1500 Sportlerinnen und Sportler aus 26 Nationen von vier Kontinenten. Einen Qualifikationswettbewerb hat es nicht gegeben. Das würde bei 70 bis 80 Mitgliedern im Weltverband wenig Sinn machen. Dennoch habe man bei Einladungen auf sportliche Leistungen geschaut, sagt Bräuninger. Dass so viele der Einladung gefolgt sind, ist angesichts vergleichbarer Zahlen bemerkenswert. „Wir haben mit einem attraktiven Angebot werben können, und Deutschland wird immer noch gerne besucht.“

Je nach Klasse gibt es verschiedene Favoriten. Die Schweiz, die Niederlande und Großbritannien gelten als stark. „Auch China und Taiwan werden ihre Leistungen bringen“, ist sich Bräuninger sicher. Außerdem sei das Baskenland traditionell stark, obwohl sich die politisch zu Spanien gehörende Region nicht für die World Games qualifizieren kann.

Auch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer werden noch gesucht

Die Athletinnen und Athleten ziehen das mehr als 30 Meter lange Tau mit schweren Schuhen. Tiefe Gräben im Rasen zeugen von der Kraft, die sie aufbringen. Das Grün am Alsenweg muss nach der Weltmeisterschaft ausgetauscht werden. Die Jugendfußballer des SV Waldhof müssen in den Wochen auf den Platz des TSV Schönau ausweichen, erklärt Ralf Walther vom Sportdezernat.

Dieser freut sich neben sportlichen Wettkämpfen vor allem über eine „Weltmeisterschaft der Ehrenamtlichen“. Bis auf Sportdirektor Corsin Wörner arbeiten alle Organisatoren ehrenamtlich. Und so gibt es neben Tickets zum Zuschauen auch noch Möglichkeiten, sich in der Organisation zu engagieren. Dies sei eine tolle Chance, das Flair einer Weltmeisterschaft in Mannheim auf ganz andere Weise zu erleben, sagt Wörner. Die unterschiedlichen Nationen, das Miteinander und der Wettkampf - „sich am letzten Schulferienwochenende bei einer Weltmeisterschaft aktiv einzubringen, ist ein unglaublich tolles Gefühl“. Und vielleicht bringt ja auch diese Weltmeisterschaft die eine oder den andere zum Tauziehen. So wie damals das Schnuppertraining auch Nopper ans Tau gebracht hat.

Infos und Tickets unter: tow2024.de

Ehrenamtlich helfen: germanvolunteers.de

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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