Mannheim. Die Temperaturen am Mittwochabend sind niedrig - es war aber auch schon mal kälter in diesem Jahr. Eine Gruppe Heranwachsender tobt auf dem Parkplatz vor dem Kulturhaus Käfertal. Sie rennen. Raufen. Lachen. Menschen laufen in Richtung des Supermarkts, der direkt neben dem Kulturhaus ist. Von der Versammlung im Kulturhaus nehmen nur wenigsten Notiz. Klar, die Parteifahnen fallen auf. Was aber im (vermutlich vergleichsweise warmen) Raum passiert?
Die Grünen nominieren an diesem Abend ihren Kandidaten für die Wahl des Oberbürgermeisters am 18. Juni: Stadtrat Raymond Fojkar vereint auf der Mitgliederversammlung 66 Ja-Stimmen (85 Prozent) auf sich. Dazu gibt es acht Nein-Stimmen und vier Enthaltungen.
Dass die Fenster des Raums bis zum Boden reichen und man so von außen der Diskussion im Inneren zumindest optisch beiwohnen kann, wirkt fast ironisch. Könnte man doch in die verglaste Fassade auch Transparenz hineininterpretieren. Presse ist bei der Mitgliederversammlung aber nicht zugelassen. Man wolle Fragen zum Kandidaten und dessen Findungsprozess zunächst intern besprechen, hieß es im Vorfeld aus dem Kreisverband. Am Freitagabend tritt Fojkar auf dem Neujahrsempfang der Partei als Kandidat erstmals öffentlich auf.
Ausführliche, aber ruhige Debatte
Um kurz nach 21.45 Uhr scheinen Aussprache und Abstimmung beendet zu sein. Drei Parteimitglieder laufen über den Parkplatz. Alle, erklären sie unter der Bedingung, namentlich nicht genannt zu werden, hätten mit „Ja“ gestimmt. „Es war ein sympathischer und inhaltlich guter Auftritt“, sagt eine der beiden Frauen. Vor allem soziale Themen habe der vorgeschlagene Kandidat angesprochen.
Der einzige Mann in der Runde ist eher zwiegespalten. „Mich hat gestört, dass er in vielen Bereichen, außer der Sozialpolitik, auf Kolleginnen und Kollegen verwiesen hat und wenig konkret geworden ist - aber vielleicht kommt das ja noch.“ Generell habe ihm der Prozess der monatelangen Kandidatenfindung nicht gefallen, weil er wenig transparent sei. Mit der Lösung habe sich der Mitte Dreißigjährige aber arrangiert. Arrangieren müssen? „Wir haben ja keine Alternativen und sind froh, dass er sich bereiterklärt hat.“
Fojkar, das ergibt sich aus Telefonaten am Donnerstag, spricht etwa 20 Minuten zur Parteibasis. Eine sehr persönliche Rede soll er gehalten haben. Eine, in der der Kinder- und Jugendpsychiater sozial- und gesundheitspolitische Themen und solche, die junge Menschen betreffen, in den Mittelpunkt stellt. „Ich möchte als Oberbürgermeister einen neuen Stil des Miteinanders und der Kooperation pflegen und in diesem Sinne den Zusammenhalt der Menschen in Mannheim stärken“, zitieren ihn die Grünen am Abend. „Gleichzeitig ist die Bewältigung der Folgen, die das Virus noch heute bei Kindern- und Jugendlichen, aber auch im Gesundheitswesen oder dem Einzelhandel hinterlassen hat, ein Grund, warum ich jetzt meinen Hut in den Ring werfe.“
Keine Fragen zur Findungskommission
Es folgt dem Vernehmen nach eine ruhige, aber ausführliche Debatte mit vielen Fragen an den Kandidaten. „Ich habe es als sehr positiv empfunden, dass ganz offen gesprochen werden konnte“, sagt Gerhard Fontagnier, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Mitglied der Findungskommission. Chris Rihm, auch er ist Fraktionsvize, berichtet ebenfalls von einer angenehm unaufgeregten Diskussionskultur. Fraktionschefin Stefanie Heß, auch sie war Teil der Kommission, erklärt: „Raymond Fojkar hat bewiesen, dass er sich in Themen auskennt, die keine typisch grünen Themen sind, aber grundlegend mit Klima- und Umweltpolitik zusammenhängen.“ Sie nennt dabei etwa die Sozialpolitik, die „bei Fojkar mit dem Klimaschutz Hand in Hand geht“.
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Fraktionskollege Markus Sprengler wundert sich indes, dass es keine Fragen zur Arbeit der Kommission (der er nicht angehörte) und wenig Kritisches zum Inhalt gegeben habe. Die Antworten, etwa zur Digitalisierung oder zu Schulen, hätten ihn noch wenig überzeugt. „Deshalb fand ich es bemerkenswert, dass die Diskussion trotzdem relativ geräuschlos verlaufen ist.“
Rückenwind durch Ergebnis
Kreisverbandssprecherin Sophia Dittes teilte mit, dass Fojkar ein „exzellentes Angebot für Mannheim“ sei und die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger Mannheims in den Mittelpunkt stelle. Letzteres ist sicherlich ein Punkt, den alle vier bislang bekannten Kandidatinnen und Kandidaten für sich beanspruchen dürften. Angela Wendt, ebenfalls Teil der Gemeinderatsfraktion, sagt, Fojkar sei ein „starker und guter Kandidat“, der Themen abdecke, die in Mannheim relevant seien.
Diese Einschätzung teilt Heß. Sie würde von Fojkars Kontrahenten gerne wissen, was diese genau unter „sozialökologischer Transformation“ verstünden. Fojkar habe erklärt, er wolle die Transformation etwa mit Investitionen in Fachkräfte anpacken und in Gesprächen mit Mannheimerinnen und Mannheimern deren Chancen und Möglichkeiten, sich an Prozessen zu beteiligen, erörtern.
Und was sagt der Protagonist eigentlich selbst zu seiner Kandidatenkür? Die „konstruktiven Fragen und Diskussionen“ und die 85-Prozent-Zustimmung bestärkten ihn in seiner Überzeugung, ein „sehr gutes programmatisches Angebot“ zu machen, erklärt er am Donnerstag. „Jetzt hat Mannheim eine echte Wahl, und unser Angebot ist eine gute Wahl für Mannheim, seine Menschen und deren Zukunft.“
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