Mannheim. Sie wurden alle gewartet, die Batterien überprüft. „Aber der Termin ist nur günstig gefallen, denn wir machen ohnehin regelmäßig eine Wartung“, sagt Markus Eitzer, Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement bei der Feuerwehr. Aber am Donnerstag soll nichts schief gehen, wenn zum bundesweiten Warntag in der Integrierten Leitstelle auf der Hauptfeuerwache die 65 Mannheimer Sirenen ausgelöst werden.
Immerhin gibt es in Mannheim Sirenen – was nicht für alle Städte und Gemeinden gilt. Was bundesweit erst nach der Flutkatastrophe im Ahrtal diskutiert wird, hatte Mannheim viel früher angegangen. „Ich habe damals aber viel Prügel bezogen, das war extrem umstritten“, erinnert sich Erster Bürgermeister Christian Specht, der das Thema dennoch vorangetrieben hat.
Nach Ende des Kalten Kriegs waren nämlich bis 1996 alle 188 mechanischen Motorsirenen im Stadtgebiet auf Kosten des Bundes demontiert worden. Sie erwiesen sich als defektanfällig und nicht zeitgemäß, denn sie konnten nur über eine analoge Telefonleitung aktiviert werden und hatten eine relativ geringe Lautstärke und Reichweite.
Rauchwolke als Auslöser
Christian Specht nennt nun Rudi Götz, inzwischen pensionierter Technik- und Löschbootexperte bei der Feuerwehr, der ihn sensibilisiert habe – etwa nach der Havarie des Säuretankers „Waldhof“ 2011 auf dem Rhein unweit der Loreley bei Sankt Goarshausen. „Uns war klar, dass wir solch ein Gefahrenpotenzial auch bei uns im Hafen haben“, so Specht, aber in der Kommunalpolitik habe es damals kein großes Interesse an dem Thema gegeben.
Erste Vorplanungen bei der Stadt hatten bereits begonnen, nachdem Ende 2000 eine Wolke mit Phosphin-Substanzen bei der BASF in Ludwigshafen entwich. Sie wurde nach Sandhofen geweht. Damals gab es nur die Möglichkeit, die Bevölkerung durch Lautsprecherdurchsagen zu warnen – es handelte sich dabei aber um ein eng umgrenztes Gebiet.
Die riesige Rußwolke, die 2013 nach einem Brand einer Ludwigshafener Lagerhalle über Mannheim hinwegzog, verängstigte jedoch Bürger nahezu in der gesamten Stadt. Da sollte man einerseits Fenster und Türen geschlossen halten, die Lautsprecherdurchsagen der Polizei lösten jedoch genau das Gegenteil aus. „Danach war dann klar: Wir brauchen wieder ein Sirenennetz“, blickt Christian Specht zurück.
Neubaugebiete fehlen
Geknüpft wurde es von 2015 bis 2017. 2015 bewilligte der Gemeinderat dazu 1,35 Millionen Euro. Neun Firmen hatten 400 000 Euro davon als Spenden beigesteuert, „was auch nicht einfach war“, wie Specht noch weiß. Aber er habe ihnen klar machen können, dass es nicht nur um mögliche Gefahren geht, die von ihren Betrieben ausgehen, sondern ebenso um Vorfälle mit Auswirkungen auf die jeweiligen Belegschaften.
Inzwischen gibt es insgesamt 65 Sirenen, davon wurden 53 auf Dächern montiert und für zwölf Anlagen spezielle Masten errichtet. Vor der Wahl der Standorte stellten Experten detaillierte Berechnungen an, damit die Trichter der Geräte so ausgerichtet werden, dass die Schallwellen sich gut und schnell ausbreiten können.
Dabei ist der Stadt klar, dass die derzeitige Zahl der Geräte nicht ausreicht. „Die Stadt wächst, daher muss auch das Sirenennetz wachsen“, sagt Specht. Zwar hat sich die Stadt vergeblich bei dem von der Bundesregierung nach der Flutkatastrophe im Ahrtal aufgelegten Förderprogramm beworben, bedauert Specht. Dennoch sei ein Gutachterbüro beauftragt worden, passende Standorte insbesondere in den Konversionsgebieten zu suchen, vor allem auf Franklin. Dieses Neubaugebiet ist derzeit nicht abgedeckt.
Akkus gegen Stromausfall
Jede einzelne Warnanlage ist mit einem speziellen Rückmeldesystem ausgestattet, womit die Funktionstüchtigkeit aus der Leitstelle der Hauptfeuerwache kontrolliert wird. Darüber hinaus sind alle Sirenen mit Akkus versorgt, so dass sie selbst bei einem Stromausfall mindestens 48 Stunden funktionieren, „je nach Häufigkeit der Auslösung aber auch noch circa vier Wochen lang bereit sind“, erklärt Markus Eitzer.
Die Mannheimer Leitstelle ist es auch, welche die Sirenen auslöst – wobei nicht immer alle losheulen müssen. „Wir können ausgewählte Gebiete ansteuern, und das ist auch wichtig – wenn etwa etwas am Rangierbahnhof passiert, dann nur dort zu warnen, oder nur gezielt im Mannheimer Norden“, erklärt Specht.
Gewarnt wird mit einem auf- und abschwellenden Heulton. Das Signal ist mit 65 Dezibel so laut, dass man es bei offenem Fenster oder im Freien immer hört – aber kein Gehörschaden eintreten kann, wenn man in die Nähe des Geräts kommt. Dabei sei es gar nicht nötig, dass man den Ton überall wahrnimmt – etwa in geschlossenen Wohnungen oder Betrieben. „Wer ihn nicht hört, ist nicht in Gefahr“, stellt Specht klar. Es gehe ja darum, die Menschen aufzufordern, sich in geschlossene Räume zu begeben, Fenster und Türen zu schließen. Dort sollten sie sich informieren, was vorgefallen ist und wie man sich schützt – über das Radio oder über die städtische Internetseite. Die kann im Notfall von der Feuerwehr so geschaltet werden, dass nur noch die Warnung und sonst nichts zu lesen ist, damit sie eine hohe Zahl an gleichzeitigen Zugriffen verträgt.
Parallel zu Sirenensignalen gibt die Stadt im Notfall stets einen Warnhinweis über die Warn-Apps „Katwarn“ oder „Nina“. Sie können kostenlos auf dem Smartphone installiert werden. „Aber entscheidend ist, was man da einstellt“, sagt Eitzer. Wer nur seinen Wohnort angibt, wird dann nicht gewarnt, wenn er am Arbeitsplatz oder sonst irgendwo unterwegs ist. Wichtig sei, die „Schutzengelfunktion“ zu aktivieren, wonach die Warnung immer dann aufleuchtet, sobald man sich gerade in einem betroffenen Gebiet befindet.
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Nachricht auf Handys
Weil das nicht jeder macht, wird beim Warntag am Donnerstag bundesweit erstmals das System „Cell Broadcast“ erprobt. Die englischen Begriffe Cell und Broadcast lassen sich mit „Zellenausstrahlung“ übersetzten. „Damit werden automatisch alle Handys, die in der jeweiligen Funkzelle eingeloggt sind, angesteuert, sofern sie eingeschaltet sind“, erläutert Eitzer. Bei sehr alten Geräten könne es zwar Lücken geben, dennoch sei das System ein Fortschritt. „Wir sind sehr gespannt, wie das funktioniert“, so Specht, denn hier erfolgt die Auslösung zentral durch den Bund.
Erneut getestet wird am Donnerstag, die digitalen Werbeflächen in Fahrgastunterständen in der Innenstadt für eine Stunde mit einer Warnung statt mit Werbung zu versehen. Laut Specht hat die Stadt aber da die Erfahrung gesammelt, dass diese Tafeln eher nicht so stark beachtet würden, da dort sonst eben nur Werbung laufe.
Türkisch-Projekt geplant
Viel lieber nimmt die Stadt an einem Forschungsprojekt des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe teil, wie gezielt die nicht deutschsprachige Bevölkerung bei Notfällen gewarnt werden kann. Mannheim ist dabei für die türkische Sprache vorgesehen. Das Projekt läuft aber erst an.
Wichtige Verhaltenshinweise für Notfälle gibt es in der Störfallbroschüre, die im vergangenen Jahr an alle Mannheimer Haushalte verteilt wurde und auch auf der Internetseite der Stadt nachzulesen ist. Sie enthält Informationen in zehn Sprachen und wird alle vier Jahre aktualisiert. Aber letztlich gehe es eben darum, generell ein paar sinnvolle Vorräte im Keller zu haben und „den gesunden Menschenverstand einzusetzen, auf Verwandte und Nachbarn zu achten, die im Notfall vielleicht von einer Warnung nicht erreicht werden“, sagt Specht.
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