Stadtpolitik

Wie Gerhard Widder die Stadt Mannheim geprägt hat

Er leitete die Geschicke der Stadt in schwierigen Zeiten: Mannheims langjähriger OB Gerhard Widder wird 85 Jahre alt. Stationen seines politischen Wirkens.

Von 
Konstantin Groß
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Zentrales Plakat von Widders OB-Wahlkampf 1999. © Archiv

Mannheim. Neun Namen zählt die Liste der Oberbürgermeister seit 1945. Keiner regiert so lange wie Gerhard Widder: 24 Jahre. Entscheidende Jahre. Denn auch wenn derzeit viel Schönes von vor 50 Jahren, also aus den 1970ern, gefeiert wird: Die für Mannheim heute prägenden Entscheidungen werden in den 1980er und 90er Jahren getroffen. In der Amtszeit Gerhard Widders.

Dabei liegt der Beginn in einem tragischen Ereignis: 1983 stirbt Wilhelm Varnholt nach nur drei Jahren als OB. Die CDU hofft auf Eroberung des Rathauses durch den bekannten Stadtrat Roland Hartung, zudem steckt die Bundes-SPD in der Krise. Die örtliche SPD-Führung entscheidet sich für den 42jährigen Gerhard Widder, erst seit drei Jahren Fraktionschef, wenig bekannt. Doch der siegt mit 58 Prozent. Ein unglaublicher Aufstieg vom Bezirksbeirat und Großstadt-OB in nur elf Jahren.

Gerhard Widder hat den Strukturwandel Mannheims erfolgreich gemeistert

Zum Feiern bleibt ihm wenig Zeit. Die Stadt steckt in einer Strukturkrise: Die Namen von Traditionsfirmen wie Drais, SEL, ABB, MWM, Hertie stehen dafür. Mannheim führt die Arbeitslosenstatistik im Land an. Das belastet die kommunalen Finanzen, „Haushaltskonsolidierung“ wird Schreckenswort jener Zeit.

Widder kämpft, was ihm die Gewerkschaften nie vergessen, für den Erhalt der Arbeitsplätze sehr persönlich, ebenso wie gegen das Abhängen Mannheims vom ICE (Bypass).

Und er betreibt aktive Strukturpolitik, fördert den Ausbau Mannheims zum Dienstleistungs-, Wissenschafts- und Kulturstandort: Vollzug der Maimarkt-Verlegung, Eröffnung Landesmuseum, Ausbau Rosengarten, Neubau Reiss-Engelhorn-Museum, SAP Arena, Popakademie. Umstritten ist der Neubau des Carl-Benz-Stadions und des Stadthauses auf N 1; diesen kann Widder gegen die Mehrheit in einem Bürgerentscheid nur durchsetzen, weil dieser nicht das nötige Quorum erreicht.

Zentral ist sein Eintreten für die weltoffene Stadt. Der Bau des Jüdischen Gemeindezentrums wird von ihm ebenso gefördert wie die Moschee am Ring. Als es im Stadtteil Schönau zu rechten Krawallen kommt, stellt sich Widder ihnen persönlich entgegen. Als Realist gehört er ab 1990 aber auch zu jenen Oberbürgermeistern, die politische Konsequenzen fordern und daher – dort keineswegs beliebt – von seiner SPD die Zustimmung zur Präzisierung des Asylrechts im Grundgesetz; zu ihr kommt es 1993.

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Die größte Bewährungsprobe in Widders Amtszeit wird 1997/98 die Sparkassen-Krise. Persönliche Verfehlungen halten ihm selbst die schärfsten Kritiker nicht vor. Er verursacht die Krise nicht, kann sie aber auch nicht verhindern, trägt als Verwaltungsratschef die politische Verantwortung für die Folgen. Und die sind gravierend – für die Stadt, die dadurch auf Jahre finanziell belastet wird, und für die Sparkasse, die ihre Selbstständigkeit verliert.

In dieser Lage wird Widder 1999 nach 16 Jahren vom jungen CDU-Stadtrat Sven Otto in einen zweiten Wahlgang gezwungen, in dem er relativ knapp obsiegt. Am Ende seiner Amtszeit ist die Sparkassen-Krise jedoch relativiert durch ein eindrucksvolles Lebenswerk. Hoch angesehen scheidet er 2007 aus dem Amt und wird – bei nur einer Gegenstimme im Rat - Ehrenbürger der Stadt.

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