Stadtgeschichte

Wie der erste Mannheimer Weihnachtsmarkt vor 50 Jahren aussah

Die Holzhütten kamen aus dem Schwarzwald. Vor 50 Jahren findet in Mannheim der erste Weihnachtsmarkt statt. Das Projekt ist umstritten, aber erfolgreich. Fünf Jahre später kommt dann das Aus für den Veranstaltungsort

Von 
Peter W. Ragge
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Lichterglanz am Hertie in E 1 und am Kaufhof in P 1 sowie auf dem neuen Weihnachtsmarkt auf dem Paradeplatz, der vor 50 Jahren eröffnet worden ist. © Marchivum

Mannheim. Es ist ein Versuch, am Anfang sind viele Leute skeptisch, sehr skeptisch – und am Ende begeistert: Seit genau 50 Jahren gibt es den Mannheimer Weihnachtsmarkt. Am Nikolaustag des Jahres 1972 ist er auf dem Paradeplatz von Erhard Bruche, 1964 bis 1978 Bürgermeister für Grundstückswesen und Wirtschaftsförderung, sowie Veranstalter Kurt Langer eröffnet worden.

Die Stadt setzt in Kurt Langer große Hoffnung. Aber sein Name hat einen guten Klang. Seit 1962 trägt er die Verantwortung für den Maimarkt. Lange ein Verlustgeschäft der Stadt, erweist sich die Übertragung der Verantwortung an eine private Gesellschaft – heute von seiner Tochter Stephany Goschmann und Jan Goschmann geführt – als großer Erfolg. Unter Langers Regie und dank seiner Ideen entwickelt sich der Maimarkt zur erfolgreichsten deutschen Regionalausstellung.

Schon 1871 „Christkindels-Markt“ in Mannheim

Daher vertraut ihm die Stadt auch den Weihnachtsmarkt an. Den Beschluss fasst der Hauptausschusses erst am 8. Mai 1972. Da geben die Stadträte den Paradeplatz für den Weihnachtsmarkt frei und beauftragen Langer. Der lässt eigens einen Prototyp der hübschen hölzernen Verkaufshütten, den er hat im Schwarzwald anfertigen lassen, Vertretern des Stadtplanungsamtes vorführen. Erst als die im September 1972 zustimmen, kann die Produktion im großen Stil beginnen.

Der Stadt ist das einheitliche Aussehen wichtig, denn ein Weihnachtsmarkt – das ist etwas (fast) ganz Neues. Zwar ist bereits 1871 für Mannheim ein „Christkindels-Markt“ nachgewiesen, für 1868 eine „Weihnachtsmesse“ entlang der Quadrate G 2 und H 1, später in den Planken und auf dem Paradeplatz. Aber es gibt viele Lücken in der Überlieferung, bis nach dem Zweiten Weltkrieg, 1948 bis 1950, der Rosengarten Schauplatz einer „Weihnachtsmesse“ wird.

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„Aber letztlich waren diese Art Weihnachtsmessen eher eine Gelegenheit für den Einzelhandel, nach Krieg und Ausbombung Wege zu finden, ihre Waren zu zeigen“, schreibt die Stadt Mannheim, als der Gemeinderat 1972 den neuen Weihnachtsmarkt beschließt. Man habe heute andere Gründe, heißt es: „Neben den Lichtwochen und Weihnachtsdekorationen soll der Weihnachtsmarkt den Charakter der Stadt als Einkaufsstadt betonen.“

In der ersten Ankündigung ist von 100 einheitlichen Verkaufsbuden die Rede, die Artikel anbieten, die „im Vorübergehen“ zu kaufen seien. Aufgelistet werden Geschenkartikel aus Indien, Japan, dem Balkan, Mazedonien und Italien, dazu Spielwaren und „Praktisches von der Tischdecke bis zur Strickjacke“. Und zur Stärkung werden „Brathendl, Würstchen, Lebkuchen“ aufgezählt.

Rollender Kindergarten

Die Stadt wolle aber eine „Überbetonung des Kommerziellen“ verhindern und verlangt ein Kulturprogramm. Dafür sorgen das Polizeimusikkorps, die US-Army-Band und Bläser des Philharmonischen Orchesters der Pfalz. Auf dem Weihnachtsmarkt dreht eine Kinder-Eisenbahn ihre Runden, und es gibt einen Mini-Scooter und einen Aufsatz-Wettbewerb des Elisabeth-Gymnasiums, dessen Sieger mit Bürgermeister Bruche Würstchen essen dürfen. Jeden Nachmittag kommt der Nikolaus mit einer Pony-Kutsche, und vier Mal ist Wettschmücken von Tannenbäumen für Kinder. Und noch ein besonderes Angebot für Kinder kommt hinzu: die Spielbahn. Sie wird von der Stadt als „Beitrag der Verkehrsbetriebe zum Weihnachtsmarkt“ bezeichnet – eine Art rollender Kindergarten, der sieben Tage die Woche kostenlos fährt. Mädchen und Jungen können darin spielen, die Eltern in Ruhe Geschenke einkaufen, so die Idee.

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Sie kommt prima an – 3500 Kinder nutzen das Angebot zwischen dem 6. Dezember und einem Tag vor Weihnachten. Und auch beim ganzen Weihnachtsmarkt fällt die Bilanz hervorragend aus. 75,4 Prozent der Händler sagen gleich zu, 1973 wieder dabei zu sein. Es ist von „Scharen von Besuchern“ diese Rede. Laut Kurt Langer seien „die Erwartungen von Besuchern und Einzelhändlern übertroffen“. Kritik gibt es nur an fehlenden Toiletten und hohen Parkhausgebühren für die Aussteller. Doch der Weihnachtsmarkt solle sich „zu einer guten und beliebten Tradition entwickeln“, so Langer.

Das tut er auch – bis 1977. Als dann unter dem Marktplatz G 1 eine Tiefgarage gebaut werden soll und der Wochenmarkt daher auf den Paradeplatz umziehen muss, wird der Weihnachtsmarkt ab 1978 auf den Friedrichsplatz am Wasserturm verlegt. Das ist anfangs heftig umstritten und nur als Provisorium gedacht – aber auch längst Geschichte, denn inzwischen sind sich alle einig, dass es keinen schöneren Platz und keine bessere Atmosphäre geben kann. Dafür ist vor zehn Jahren die Idee entstanden, auf dem Paradeplatz mit dem Märchenwald eine schöne, kleine adventliche Oase zu schaffen.

Redaktion Chefreporter

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