Stadtgeschichte

Wer war Mannheims erster CDU-Mann auf dem OB-Sessel?

Christian Specht ist der erste CDU-Oberbürgermeister, den die Mannheimer gewählt haben. Aber gleich nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Mannheim schon einmal einen Christdemokraten als Chef im Rathaus

Von 
Peter W. Ragge
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Erst von US-Soldaten ernannt, dann gewählt: OB Josef Braun. © Marchivum

Mannheim. Seine Wahl gilt als historischer Einschnitt: Mit Christian Specht haben die Mannheimer erstmals ein CDU-Mitglied zum Oberbürgermeister gewählt. Specht ist aber nicht der erste Christdemokrat auf dem Chefsessel im Rathaus. Das war, gleich nach dem Zweiten Weltkrieg, für drei Jahre Josef Braun – doch damals noch vom Gemeinderat, nicht von den Bürgern direkt gewählt.

Erst Lehre, dann Studium

Josef Braun, 1889 in Zeiskam im Kreis Germersheim geborener Bauernsohn und tief gläubiger Katholik, hat nach einer Mechanikerlehre an der Ingenieurschule Mannheim Maschinenbau studiert. Er arbeitet bei den Stadtwerken, ist für die Bauabteilung und für den Rohrnetzbetrieb verantwortlich. Zudem engagiert er sich in der katholischen Zentrumspartei, für die er 1919 bis zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 dem Gemeinderat angehört. Während der Nazi-Diktatur darf er sich politisch nicht betätigen, jedoch als Fachmann weiter bei den Stadtwerken arbeiten. Kurz nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wird er, wie viele Regimegegner, inhaftiert und verhört, aber wieder freigelassen.

Eineinhalb Tage lang verhört

Nach dem Einmarsch der Amerikaner Ende März 1945 gibt Josef Bauer, der liebevoll „Lockeseppel“ genannte Dekan und Pfarrer an der Jesuitenkirche, den Besatzungssoldaten den entscheidenden Tipp. Sie suchen einen von den nationalsozialistischen Gewalttaten unbelasteten Mann als neuen, ihnen freilich unterstellten Chef der Stadt. Eineinhalb Tage lang wird er verhört und dann vom US-Stadtkommandanten am 31. März 1945 als kommissarischer Oberbürgermeister ernannt.

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Politisches Leben ist zunächst gar nicht erlaubt, dann nur unter starker Kontrolle. August Kuhn, vor der Nazi-Zeit Landtagsabgeordneter der Zentrumspartei, gründet im September 1945 die Christlich-Demokratische Partei (CDP), die sich später CDU nennt. Josef Braun ist Gründungsmitglied. Sie will ganz bewusst nicht nur, wie einst das Zentrum, eine rein katholische Partei sein, sondern eine Union aus Protestanten und Katholiken, aller sozial und liberal eingestellten Menschen.

Im Mai 1946 gestattet die Besatzungsmacht die Wahl eines 24-köpfigen Gemeinderats. Der soll der dann über die künftige Stadtspitze entscheiden. Die SPD hat die meisten Sitze, könnte also das OB-Amt beanspruchen. Sie tut es aber nicht, sondern lässt Josef Braun wegen seiner Verdienste unmittelbar nach Kriegsende den Vortritt. Es kommt aber noch zu langen Diskussionen und gar einer Verschiebung der Wahl, weil Braun (gegen den Willen seiner Partei) auch die Kommunisten in die Stadtspitze einbinden will.

40 Hektar für mehr Gemüse

Die lehnen aber selbst ab – es soll, heißt es in alten Chroniken, eine Weisung der obersten Kommunisten, sprich der SED in Ost-Berlin in der damaligen sowjetischen Zone, gegeben haben. Braun erhält schließlich mit Jakob Trumpfheller als Ersten Bürgermeister einen Sozialdemokraten an seine Seite.

„Seine gesamte Tätigkeit ist getrieben vom Christentum der Tat“, schreibt „Der Morgen“ nach der Wahl über Braun. Der nennt als seine Hauptaufgabe die „Sicherung der Ernährung“, weshalb in Sandtorf 40 Hektar entwässert werden, um zusätzlich Gemüse anbauen zu können. Zudem wolle er die Belieferung mit Brennmaterial verbessern und den Wiederaufbau vorantreiben.

Nach gut zweieinhalb Jahren, bei der ersten Volkswahl des Oberbürgermeisters am 1. Februar 1948, setzt sich Sozialdemokrat Fritz Cahn-Garnier knapp gegen Braun durch. 1949, bei der ersten Wahl zum Deutschen Bundestag, tritt Braun im Wahlkreis Mannheim-Land an, hat aber keinen Erfolg. Bei der Gemeinderatswahl 1951 erhält er aber die höchste Stimmenzahl und arbeitet bis zu seinem Tod 1955 in dem Gremium mit.

Redaktion Chefreporter

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