Mannheim - Heutzutage ist sein Name hauptsächlich mit der Kaiserring-Passage verbunden – doch der Bauingenieur war auch Brückenbauer und Verkehrsplaner

Wer war eigentlich Wolfgang Borelly?

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Das Ende der Borelly-Grotte: Bauarbeiter verfüllen die einstige Unterführung. Nächstes Wochenende wird nochmals geschafft, dann soll alles fertig sein. © Michael Ruffler

Das Phänomen ist bekannt: Manchmal überdeckt eine Namensgebung eine komplette Ära. Und deshalb denken die meisten beim Stichwort „Hartz“ an Leistungen zur Grundsicherung und nicht an den einstigen Volkswagen-Manager und Arbeitsmarktreformer Peter Hartz. In etwa so verhält es sich bei der Borelly-Grotte: In der berüchtigten Kaiserring-Passage ist lange vor dem Verfüllen mit Schutt und Beton, das am nächsten Wochenende abgeschlossen werden soll, die Lebensleistung des einstigen Stadtoberbaudirektors Wolfgang Borelly untergegangen. Rückblick auf einen Brückenbauer und Verkehrsplaner aus Leidenschaft.

Stadtoberbaudirektor Wolfgang Borelly prägte Mannheim mit. © Marchivum

„Ein preußischer Gardeoffizier, zuvorkommend, höflich und absolut korrekt, temperamentvoll und streitbar, aber stets beherrscht, schöpferisch und voller Ideen“ - so würdigte der „MM“ den aus Pommern stammenden Wahl-Mannheimer anlässlich seines 80. Geburtstages. In der Zeit des Wiederaufbaus hatte er 17 Jahre lang - von 1955 bis 1972 - das neue Gesicht der kriegszerstörten Zwei-Fluss-Stadt mitgestaltet. Aus Quellen weiß der Historiker und Marchivum-Chef Ulrich Nieß, dass Wolfgang Borelly alles andere als ein trockener Techniker war: „Er konnte für seine Projekte im Gemeinderat begeistern.“

Die Borelly-Ära begann mit dem Wiederaufbau der Konrad-Adenauer-Brücke und endete mit der Einweihung der nördlichen Kurt-Schumacher-Brücke. Dazwischen lag der Ausbau des Entwässerungsnetzes als Voraussetzung für neue Wohn-und Gewerbegebiete. Außerdem verewigte sich Borelly mit Verkehrsverbindungen, die auch Busse und Bahn einbezogen. Beispielsweise setzte er durch, dass beim Bau der Adenauer-Brücke eine Trasse für die westliche Riedbahn-Einführung freigehalten wurde. Außerdem erreichte er gegen Widerstände eine zweite Straßenbahn-Rheinüberquerung auf der Schumacher-Brücke. Allerdings blieb zu seinem großen Leidwesen die Vision einer Ost-West-Nahverkehrslinie mit Tunnel unterhalb der Augustaanlage und den Planken für OEG wie Rhein-Haardtbahn unerfüllt.

Bis ins hohe Alter aktiv

Der 1906 in Pommern geborene Wolfgang Borelly studierte Bauingenieurwesen in Danzig, Darmstadt und Wien.

Nach dem Krieg arbeitete der einstige Leiter des Danziger Tiefbauamtes in der freien Wirtschaft. 1955 berief ihn die Stadt Mannheim, wo er bis 1972 als Dezernent der Tiefbauverwaltung und Verkehrsplaner wirkte.

Im Ruhestand beschäftigte sich Borelly intensiv mit Konstruktion, Montage und Korrosionsschutz von Seilen bei Schrägkabel-Brücken. Dazu übernahm er einen Forschungsauftrag des Bundesverkehrsministeriums und publizierte wissenschaftlich bis kurz vor seinem Tod im Januar 1989. 

Dauerärgernis statt „Tor zur City“

Verwirklicht wurde hingegen sein „Mini-Tunnel“ unterhalb des Kaiserrings - geplant als Fußgänger-Ladenpassage mit direkter Anbindung an den Hauptbahnhof, die jedoch nie zustande kam. Das „Tor zur City“ (so 1962 die Werbung) sollte zum Türöffner für ein desaströses Dauerärgernis werden. Davon kündeten im Laufe der Jahre Schlagzeilen wie „Blaue Grotte wird grauer Durchgang“, „Leere Flächen, gesperrte Zugänge, hässliche Gitter“ oder „gruselige Gruft“. Das Verrotten der Borelly-Grotte hat ihr Namensgeber noch schmerzlich erlebt. Kurz vor seinem 80. Geburtstag beklagte er in einem „MM“-Leserbrief, die Stadt habe versäumt, den unterirdischen Läden im Vorbereich der Züge jenes Privileg verlängerter Öffnungszeiten (spät abends und sonntags) zu gewähren, die Geschäfte innerhalb des Bahnhofsgebäudes florieren ließen.

Mit der Einweihung der Kurt-Schumacher-Brücke endete die Borelly-Ära in Mannheim. © Marchivum

Panzer auf Schumacher-Brücke

Bis ins hohe Alter tüftelte der Ingenieur - beispielsweise an einem von ihm entwickelten wie patentierten Verfahren zur Sanierung von Rostfraß bedrohter Schrägkabel. Schließlich war die 1972 als spektakulär gefeierte Schumacher-Brücke die erste Flussquerung mit schräg verlaufenden Abspannungen aus Drahtbündeln. Ihr Entwurf stammte von Fritz Leonhardt, der 20 Jahre später als Planer der Istanbuler Galata-Brücke Berühmtheit erlangen sollte. Bekanntlich verbindet diese Orient und Okzident.

Für Legendäres sorgte auch Wolfgang Borelly: Kurz nach Übergabe ließ er die Schumacher-Brücke nachts mehrere Stunden sperren, um deren elastisches Verhalten einer harten Probe zu unterziehen - mit dem Gewicht von zehn US-Panzern auf Tiefladern. Vom Lärm aufgeschreckte Anwohner haben damals aus Angst vor einem Einsturz ihre unter der Auffahrt parkenden Autos weggefahren.

Wie extrem in späteren Jahrzehnten Fahrzeuge, insbesondere Schwerlaster, zunehmen und damit Brücken zum Sanierungsfall machen sollten, dies hat sich Borelly vermutlich nicht vorstellen können. Jedenfalls erklärte er ein Jahr vor seinem Tod gegenüber dem „MM“: „Die Kurpfälzer sollen noch mindestens hundert Jahre ihre Freude an der Kurt-Schumacher-Brücke haben.“

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