Bauprojekt - Vom 20. August an wird die Kaiserring-Passage an vier Wochenenden zugeschüttet

Das Ende der Borelly-Grotte: Letzter Besuch im Untergrund

Von 
Timo Schmidhuber
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Nackte Pfeiler und Wände aus Beton: Die Borelly-Grotte ist schon lange ganz entkernt. Oben die Leerrohre, die vor dem Zuschütten noch verlegt wurden. © Michael Ruffler

Mannheim. Es riecht ein wenig muffig, aber sonst wirken „Mannheims Katakomben“, wie der Erste Bürgermeister Christian Specht sie nennt, doch relativ aufgeräumt. Von den Läden und Lokalen, die hier mal waren, ist nichts mehr zu sehen. Die im Volksmund „Borelly-Grotte“ genannte Kaiserring-Passage ist seit fünf Jahren geschlossen und schon lange „entkernt“, wie das in der Bausprache heißt. Von Bodenfliesen an manchen Stellen einmal abgesehen sind nur noch die blanken Betonwände und Betonsäulen da. Immer, wenn oben eine Stadtbahn über die Kreuzung von Bismarckstraße und Kaiserring fährt, ist hier unten ein recht lautes Grummeln zu hören.

Die Verantwortlichen von Stadtverwaltung und Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV) haben an diesem Tag zu einer ungewöhnlichen Pressekonferenz in der Passage eingeladen, verbunden mit einer Begehung, der letzten. Denn die Tage der Borelly-Grotte sind gezählt, vom 20. August an wird sie an vier Wochenenden zugeschüttet, vereinfacht gesagt mit Schotter und Beton.

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Für die RNV ist das eine wichtige Vorarbeit für ihr Großprojekt vor dem Bahnhof. Dort soll vom kommenden Frühjahr an ein vierter Bahnsteig für die Stadtbahnen entstehen. Nur so kann die RNV die neue Linie möglich machen, die vom neuen Stadtteil Franklin über den Hauptbahnhof und das Glücksteinquartier bis auf die Rheinau führen soll. Das vierte Gleis braucht Stabilität, die Passage ist rein technisch gesehen ein Brückenbauwerk, das regelmäßig gewartet werden müsste. Die beste Lösung war also, sie einfach zuzuschütten, wie Martin in der Beek erklärt, der RNV-Technik-Geschäftsführer.

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Das soll an den vier Wochenenden passieren. Tugay Önal vom Projektteam der RNV erklärt beim Rundgang durch die Unterführung, wie das geht: Erst kommt über Pumpen rund 15 Zentimeter hoch Flüssigbeton auf den Boden. Dann wird der Schotter in die Passage gepumpt und mit kleinen Radladern verteilt, bis 1,80 Meter unter die Decke – so, dass die Radlader noch rausfahren können. Danach folgt über Pumpen nochmal eine Betonschicht, und zum Schluss dann, direkt unter der Decke, eine Schicht mit sogenanntem Quellbeton. Der dehnt sich dann aus und verschließt das Ganze fest. An jedem der vier Wochenenden wird von einem der vier Passagen-Zugänge aus gearbeitet. Jedes Wochenende werden 120 Lkw-Ladungen Beton und Schotter notwendig sein, erklärt in der Beek. Ganz endgültig ist das Projekt dann aber doch nicht. „Wenn in 100 Jahren jemand auf die Idee kommt, die Passage wieder zu nutzen, dann kann man die Verfüllung auch leicht wieder entfernen.“ Bei vorbereitenden Arbeiten werden die Bauleute Kabelkanäle und andere Vertiefungen schließen. An der Decke haben sie Leerrohre verlegt – damit sich auch durch die zugeschüttete Borelly-Grotte noch Kabel ziehen lassen.

Zuflucht für Obdachlose

Der Rundgang führt in die früheren Technik-Räume der Passage – auch sie werden befüllt. Aber erst müsse man die alten Stromkästen noch ausbauen, erklärt Projekt-Mitarbeiter Önal. An den Wänden stehen immer wieder Rattenfallen. Wie viele der Tiere hat man hier vorgefunden? „Viele“, antwortet der Ingenieur nur und grinst. Es sind aber nicht nur die Tiere, die die Passage seit ihrer Schließung mit Holzplatten vor fünf Jahren genutzt haben. Auch Obdachlose haben offenbar den Weg hierher gefunden. In einem der Technik-Räume liegt eine kaputte Gitarre, in einem anderen eine Jacke, woanders eine Tube Duschgel und ein Flaschenöffner.

Wenn die Passage Geschichte sein wird, steht gleich das nächste Teil-Projekt der Großbaustelle an. Die Ausfahrt der Bahnhofstiefgarage wird ein Stück Richtung Osten verlegt. Dazu bleibt das Parkhaus ab kommenden Januar für einige Zeit geschlossen. Erst dann kann im Frühjahr 2022 der Gleisumbau starten, bei dem der Stadtbahnverkehr für vier Monate umgeleitet wird. Der Bau des neuen Bahnsteigs, verbunden mit einer komplett neuen Anordnung aller Bahnsteige, soll bis zur Bundesgartenschau 2023 fertig sein.

Die mit dem Schienenprojekt einhergehende Umgestaltung des Bahnhofvorplatzes ist bis dahin noch nicht vollständig fertig. Insgesamt kosten die Schienen- und Platzarbeiten rund 30 Millionen Euro – 1,5 Millionen davon kostet das Ende der Borelly-Grotte.

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Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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