Mannheim. „Sie waren der Türöffner“, bescheinigt Direktor Johan Holten dem Förderkreis der Kunsthalle. Der Verein kaufte nach der großen Einzelausstellung mit Werken der Künstlerin Hanna Nagel sechs Grafiken und bekam von der Tochter der Künstlerin zudem eine Arbeit geschenkt. Doch dabei ist es nicht geblieben. Die Kunsthalle erhielt nun von der Tochter Irene Fischer-Nagel sämtliche in der Ausstellung befindlichen Papierarbeiten, insgesamt 183 Blätter, als Schenkung. Das sei „Millionen wert“, freut sich Holten.
„Wir werden damit zum Schwerpunkt der Hanna-Nagel-Forschung weltweit“, schätzt der Direktor die Schenkung als „spektakulär“ ein. Sie umfasst Arbeiten aus dem Frühwerk der von 1907 bis 1975 lebenden Künstlerin, die sich - für die 1920er- und 1930er-Jahre ungewöhnlich - intensiv mit dem Verhältnis zwischen Mann und Frau, Rollenbildern sowie dem Konflikt zwischen Berufstätigkeit und Mutterschaft auseinandergesetzt hat. „Sie behandelt in ihrem Werk gesellschaftsrelevante Fragen, die zeitlos und noch heute brisant sind“, sagt Inge Herold, die stellvertretende Direktorin.
Stellvertretende Direktorin der Mannheimer Kunsthalle: „Kostbarer Schatz“
Schon während der Laufzeit der Ausstellung sei es ihr gelungen, ein gutes Verhältnis zu der Tochter aufzubauen, berichtet Herold. Schließlich sei Hanna Nagel durch Ausstellungen und Ankäufe schon früh mit der Kunsthalle verbunden. Der damalige Direktor Gustav F. Hartlaub hatte der jungen Künstlerin 1931 eine Schau gewidmet. 13 Werke befanden sich bereits in der Sammlung des Museums, nun kommen Arbeiten aus Nagels Frühwerk aus den 1920er- und frühen 1930er-Jahren, aber auch eine Auswahl aus den „Dunklen Blättern“ der Jahre 1932 bis 1945 in die Bestände dazu.
Herold spricht von „einem kostbaren Schatz“, den man der Tochter verdanke. Irene Fischer-Nagel ist neben ihrem Beruf als Krankenschwester selbst Künstlerin und Autorin. Seit dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1975 kümmert sie sich um deren Nachlass, organisierte Ausstellungen, publizierte und macht die in ihrer Obhut befindlichen Werke für die Forschung zugänglich.
Das Konvolut der frühen Arbeiten sei auch für die Tochter eine Neuentdeckung gewesen, berichtet Inge Herold. Hanna Nagel habe es zeit ihres Lebens selbst im privaten Umfeld nicht mehr gezeigt. Schon während der Ausstellung habe sie immer wieder mit ihr gesprochen, so Herold. „Wir konnten Vertrauen aufbauen und ich habe erfahren, dass es ihr nicht darum geht, zu verkaufen, sondern dass die Sammlung zusammenbleibt und gut aufgehoben wird“, sagt Herold. Sie habe ihr zusagen können, „dass wir das alles gut erfassen, betreuen, katalogisieren, restauratorisch konservieren und öffentlich zugänglich machen“, erläutert die stellvertretende Direktorin.
„Mit der Schenkung sind wir das Museum, das über den größten Bestand an Werken Hanna Nagels verfügt“, hebt Inge Herold hervor, „und damit auch Zentrum der Forschung zu ihrem außergewöhnlichen Œuvre“, freut sie sich über die „wunderbare Bereicherung der Sammlung. Der Rest ihres Werks befindet sich in Privatbesitz.
Schon die Mannheimer Ausstellung 2022 sei ein weiterer Schritt für die Wiederentdeckung dieser Künstlerin und feministischen Pionierin gewesen, so Herold. Nun könne man ihre Arbeiten noch mehr zeigen. So ist schon eine Arbeit derzeit nach Stuttgart ausgeliehen, Leihanfragen aus Österreich und den Niederlanden liegen vor. 2025 soll die Mannheimer Ausstellung im dann neu renovierten Käthe Kollwitz Museum in Köln zu sehen sein.
„Diese Ausstellung war viel beachtet worden und führte durchaus zu einer erheblichen Steigerung des Bekanntheitswertes von Hanna Nagel“, hat Verena Eisenlohr, die Vorsitzende des Förderkreises der Kunsthalle, festgestellt. Der Verein sei daher „sehr froh, sozusagen noch rechtzeitig sechs Werke von ihr erworben zu haben“ - und hocherfreut, dass das dann auch noch diese großzügige Schenkung auslöste.
Viele Förderkreis-Ankäufe
„Wir kaufen ja nur, was die Kunsthalle will - sonst wird die Kunst später nicht gezeigt“, schildert Eisenlohr die „oft hochinteressante Diskussion“ zwischen Vorstand des Vereins und Direktion. So hat der von ihr und Markus Haass geführte Verein 2022 außer den Arbeiten von Nagel zahlreiche Künstlerbücher für die Sammlung der Kunsthalle angekauft. Im vergangenen Jahr wurde das Werk von Laure Prouvost, „MOOTHERR!!!“, das bereits in der Ausstellung „Mutter“ zu sehen war, und die siebenteilige Werkreihe „Covering“ von Marianna Simnett erworben, beide bereits Teil der Ausstellung „1,5 Grad“. „Ich bin stolz, dass wir einen Förderkreis haben, der uns so toll unterstützt“, lobte Direktor Holten, hat der Verein doch seit 2012 laut Schatzmeister Bernhard Siegel dafür 3,68 Millionen Euro aufgebracht. „Das ist nur der Ankaufswert, viele Sachen sind ja im Wert gestiegen“, so Siegel.
Mitgliederzahl steigt
Neben dem Ankauf neuer Werke, der laut Verena Eisenlohr nur dank der Mitgliedsbeiträge und Spenden möglich ist, sei dem Förderkreis die Restaurierung von Beständen der Sammlung sehr wichtig. „Dazu haben wieder viele unserer Mitglieder eine Bildpatenschaft übernommen“, so Eisenlohr, wodurch die Werke oder deren Rahmen restauriert werden können.
Im Gegensatz zu manch anderen Vereinen verzeichnen die Kunsthallen-Förderer ein, wie Eisenlohr betont, „Nettomitgliederwachstum“ - es gibt also mehr Neueintritte als Todesfälle, Wegzüge oder Austritte. Über 2350 Mitglieder zählt der Verein derzeit. Ihnen werden Vorbesichtigungen aller Ausstellungen vor der offiziellen Eröffnung und exklusive Vorträge geboten, etwa vom Auktionshaus Christie’s. Intensivieren will der Verein unter dem Motto „Gemeinsam für die Kunst“ die Zusammenarbeit mit anderen Förderkreisen von Kulturinstitutionen der Region. Ein Schwerpunkt der Arbeit in diesem Jahr wird zudem das im Herbst in mehreren Mannheimer Museen startende Ausstellungsprojekt „Neue Sachlichkeit“ sein.
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