Bundespolitik

Was Mannheims CDU-Vorsitzender zum Koalitionsvertrag sagt

Der Koalitionsvertrag steht – und trägt für Christian Hötting CDU-Handschrift. Alles aber habe seine Partei nicht erreicht, sagt er und äußert sich auch zu Jens Spahn und dem Wahlrecht.

Von 
Sebastian Koch
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Wollen Union und SPD in eine gemeinsame Koalition führen, für die der Vertrag nun steht: Der CDU-Vorsitzende und wahrscheinlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (l.) und SPD-Chef Lars Klingbeil. © picture alliance/dpa

Mannheim. Christian Hötting ist zufrieden. Zumindest im Großen und Ganzen. Der Vorsitzende der Mannheimer Christdemokraten hat in den vergangenen Tag Zeit gehabt, wie er sagt, den Koalitionsvertrag zu lesen, den seine Partei mit der SPD ausgehandelt hat. „Verantwortung für Deutschland“ lautet der staatstragende Titel des 146 Seiten langen Werks, das CSU-Chef Markus Söder mit einem Augenzwinkern bereits als Bestseller angepriesen hat.

Ob der Vertrag literarisch wirklich zum Bestseller taugt, sei dahingestellt. Ob er das politisch wird, wird sich hingegen schon bald zeigen – vorausgesetzt, die SPD-Mitglieder und Unionsgremien stimmen den Vereinbarungen zu. Hötting jedenfalls ist überzeugt: „Wir haben sehr viel CDU in den Vertrag gebracht.“ Die Mannheimer SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori hatte dieser Redaktion jüngst gesagt, der Koalitionsvertrag beinhalte aus Sicht der Sozialdemokraten „gute Kompromisse“.

Hötting: Kritik an Vereinbarung „völlig in Ordnung“

Die Entlastung bei Energiekosten sei ein „wesentlicher Punkt“, bei dem sich die Union habe durchsetzen können, sagt Hötting. Als Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels der CDU freut er sich zudem, dass das Ziel der Union, Überstunden nicht zu besteuern, festgeschrieben sei – sofern die Stunden überhaupt bezahlt werden, sei hier angemerkt. „Ganz wichtig“ ist Hötting die Zurückweisung von Geflüchteten an Grenzen. „Natürlich“ müsse das mit Nachbarn abgestimmt werden. „Wir müssen bei diesem Thema aber endlich und sehr dringend liefern. Daher haben wir sehr hart darum gerungen, dass das alles in den Vertrag kommt.“

Dazu gehört die Vereinbarung, den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen, eine „Rückführungsoffensive“, wie es heißt, zu starten und Fluchtursachen zu bekämpfen, sagt der Mannheimer CDU-Vorsitzende. Dass es nicht gelungen sei, das Cannabis-Gesetz abzuschaffen, sondern das erst evaluiert werde, ist laut Hötting „der einzige Punkt, den wir nicht so haben verhandeln können, wie wir es gerne getan hätten“.

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Doch obwohl die Union vieles durchgebracht haben will, herrscht nicht überall Zufriedenheit. So kritisieren zwei Mitglieder im Gespräch mit dieser Redaktion, die CDU habe sich bei Rente, Mindestlohn oder der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft nicht durchsetzen können – trotz des schwachen SPD-Wahlergebnisses. „Das sind bittere Pillen.“ Auch die „schwammige“ Vereinbarung zum Cannabis-Gesetz stört. Und dass die Union mit SPD und Grünen bereits die „vielen“ Schulden beschlossen hat, „kommt ja noch dazu“.

Hötting ist von dieser Kritik nicht überrascht. Natürlich gebe es Mitglieder, die nicht zufrieden seien. „Das ist völlig in Ordnung.“ Auch er selbst hätte sich bei Migration, Bürokratieabbau oder Entlastungen insgesamt mehr vorstellen können, sagt er, aber schränkt ein: „Wir können CDU-pur durchsetzen, wenn wir 50 Prozent plus x bekommen. Das haben wir nicht und sind deshalb zu Zugeständnissen gezwungen.“ Die habe auch die SPD, etwa beim Bürgergeld, machen müssen.

Mannheimer CDU-Chef: „Misstöne“ beim Mindestlohn nicht nachvollziehbar

Der Union fehlen die Alternativen. Eine Koalition mit der AfD, die einzig rechnerisch mögliche Zweierkonstellation neben der SPD, sei schließlich ausgeschlossen. Das sei auch vor ein paar Tagen Konsens in einer Schalte aller Kreisvorsitzenden mit dem Bundesvorsitzenden und wahrscheinlichen Kanzler Friedrich Merz sowie Generalsekretär Carsten Linnemann gewesen.

Vor diesem Hintergrund, kritisiert Hötting auf Nachfrage, seien Äußerungen von Jens Spahn „nicht hilfreich gewesen“, mit der AfD umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien. Spahn, den er aus Zeiten in der Jungen Union Nordrhein-Westfalen kennt, sei niemand, der in Richtung AfD denkt, sagt Hötting. „Deshalb habe ich überhaupt nicht verstanden, warum er das so formuliert hat, wie er es formuliert hat.“

Der Mannheimer CDU-Vorsitzende Christian Hötting. © Thomas Tröster

In den kommenden Jahren dürften rechte und linke Ränder nicht weiter gestärkt werden. „Wenn es wieder ein Gehampel wie in der Ampel gibt, wird das zu großen gesellschaftspolitischen Problemen führen“, fürchtet Hötting. Die Koalition müsse „mit einfachen Worten“ Entscheidungen erklären und politische „Leib- und Magenthemen“ der Bevölkerung wie die Erneuerung der Infrastruktur anpacken. „Wir müssen zeigen, dass wir verstanden haben.“

Haben sie verstanden? Bereits jetzt, noch bevor die Regierung vereidigt ist, droht ein Streit um die Interpretation der Vereinbarung zum Mindestlohn. Während die SPD auf eine Erhöhung auf 15 Euro pocht, verweist die Union auf die Mindestlohnkommission und angespannte Wirtschaft, aufgrund derer viele Ziele unter Vorbehalt stünden. Diese „Misstöne am Rande“ seien nicht nachzuvollziehen, kritisiert Hötting. „Wir brauchen nicht jeden Tag Sonnenschein pur, aber müssen uns doch darüber im Klaren sein, was wir vereinbart haben und diesen Weg gemeinsam gehen.“

Dass Melis Sekmen nicht im Bundestag ist, ist für Mannheims CDU ein „wunder Punkt“

Den wird die CDU ohne Mannheimer Abgeordnete gehen. Melis Sekmen hat den Wahlkreis gewonnen, den Einzug in den Bundestag aber wegen des neuen Wahlrechts verpasst. „Das ist noch immer ein wunder Punkt“, sagt Hötting. Dass statt ihr nun drei Mannheimer Abgeordnete mit„wesentlich schlechteren Ergebnissen“ im Bundestag sitzen, „bekommen viele logisch nicht übereinander. Ich auch nicht.“ Auch deshalb sei es gut, dass im Koalitionsvertrag vereinbart sei, das Wahlrecht noch einmal zu prüfen, sagt Hötting.

Und vielleicht wird der Koalitionsvertrag ja doch zum Bestseller – nicht nur mit markantem Titel im Buchhandel, sondern bei den Wählerinnen und Wählern. Der Weg dorthin ist lang.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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