Mannheim. Frau Cademartori, sind Sie stolz, dass der Koalitionsvertrag jetzt auch ein Stück weit von Ihnen mitgeschrieben wurde?
Isabel Cademartori: Ich bin stolz über den Beitrag, den ich leisten konnte. Wir haben wichtige Impulse für die Sanierung und den Ausbau der Infrastruktur gesetzt. Unsere Verhandlungsergebnisse wurden von der Spitze nicht mehr verändert. Und ganz wichtig: Das Deutschlandticket ist gesichert, preisstabil sogar bis 2029! Das ist ein Riesenerfolg, für den ich im Wahlkampf sehr gekämpft habe.
Was sehen Sie noch als Erfolg in Ihrem Bereich Bauen und Verkehr? Dass die Mietpreisbremse in angespannten Wohnlagen um vier Jahre verlängert wird, war vermutlich auch nicht größter Wunsch der Union?
Cademartori: Ganz genau! Wir haben die Mietpreisbremse verlängert, und bei Nicht-Einhaltung werden sogar Bußgelder verhängt. Wir wollen auch Kurzzeit- und möblierte Vermietungen regulieren, zudem werden die Vorkaufsrechte für Kommunen deutlich gestärkt. Die WG-Garantie schafft bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen. Wir weiten den sozialen Wohnungsbau noch weiter aus und werden auch den Eigentumserwerb fördern. Und wir werden in großen Stil entbürokratisieren und das Bauen günstiger machen. Insgesamt ist das ein richtig starkes Wohnkapitel mit einer deutlich sozialen Handschrift.
Schon 2007 hat die SPD auf ihrem Hamburger Parteitag ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen beschlossen. Jetzt wird wieder nichts daraus, obwohl laut Umfragen mittlerweile eine klare Mehrheit der Bevölkerung dafür ist. Warum nicht?
Cademartori: Ganz einfach – die CDU/CSU wollten es partout nicht. An der Stelle konnten wir uns nicht durchsetzen.
Hat da am Ende CDU-Chef Friedrich Merz ein Machtwort gesprochen? Oder wie lief das ab?
Cademartori: So ungefähr wird es gewesen sein. Wir hatten in der Arbeitsgruppe dazu keine Einigung. Es gibt in der Sache wenig Kompromissmöglichkeit. Entweder man macht ein Tempolimit, oder man lässt es.
Gibt es noch andere Punkte in Ihrem Bereich, die Ihnen weniger gut gefallen? Etwa, dass das Heizungsgesetz wieder abgeschafft wird?
Cademartori: Ja, der Satz war der Union wichtig. Im nächsten Satz steht aber auch, dass das Gebäudeenergiegesetz – so heißt es ja in Wirklichkeit – weiterhin das klimaneutrale Heizen fördern und fordern wird. Ich erwarte in der Sache hier Nachjustierungen, aber keine wesentlichen Änderungen. Natürlich ist das Papier nicht einhundert Prozent SPD, aber es sind gute Kompromisse, die ich gut vertreten kann. Wenn wir das gemeinsam jetzt zügig umsetzen, wird das ein echter Fortschritt für unser Land.
Und über Ihren Bereich hinaus? Was missfällt Ihnen im Koalitionsvertrag am meisten?
Cademartori: Ich persönlich finde das Migrationskapitel hart und hätte mir auch gewünscht, dass wir ein paar mehr positive Worte finden für den Beitrag, den Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft leisten. Aber unter den gegebenen Umständen haben unsere Verhandler das Maximum rausgeholt.
CSU-Chef Markus Söder schwärmte eben auf der Pressekonferenz, jede Zeile des 146 Seiten langen Koalitionsvertrags sei das Lesen wert. Sehen Sie das genauso?
Cademartori: Naja, es ist streckenweise sprachlich nicht die absolut genussvolle Lektüre, aber es steckt sehr viel gute Politik drin. Es freut mich, wenn Markus Söder die Seiten zum Deutschlandticket dann auch mit Freude liest und uns im Bundesrat unterstützt, das Ganze gut umzusetzen.
Wie ist es denn generell atmosphärisch jetzt mit der Union? Müssen sich beide Seiten erst mühsam annähern, oder läuft das schon ganz gut?
Cademartori: Der Koalitionsvertrag bietet jetzt eine gute Grundlage, um vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Man merkt ja schon deutlich, wie der Ton der Union, jetzt da sie wieder Verantwortung trägt, sich schlagartig gemäßigt hat. Wir wollen alle, dass in Zukunft die Ergebnisse unserer Politik nicht von Streit überlagert werden. Insofern bin ich jetzt mal vorsichtig optimistisch und bereit, Vorschussvertrauen zu gewähren.
Taugt der Koalitionsvertrag jetzt für Sie als Basis, um Merz zum Kanzler zu wählen? Das haben Sie in unserem Podcast „Mensch Mannheim“ zuletzt ja noch bewusst offengelassen.
Cademartori: Ich würde sagen, es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Nun werden in der SPD Personalfragen geklärt. Sind Sie da vorsichtig optimistisch?
Cademartori: Man wird sehen. Mein Ressort, Verkehr, geht ja an die CDU. Ich hoffe auf ein gutes, diverses Kabinett, eine Partei- und Fraktionsführung mit vielen neuen Gesichtern, die neue Energie und neue Impulse für die Sozialdemokratie bringen. Die Erneuerung ist überfällig.
Wird der Koalitionsvertrag einen Ehrenplatz in Ihrem Bücherregal bekommen? Oder gar auf dem Nachttisch?
Cademartori: Ganz bestimmt nicht – er bekommt einen Platz auf meinem Schreibtisch, denn es ist eine Arbeitsgrundlage, die man nicht überhöhen muss. Der Platz auf meinem Nachttisch bleibt wirklich guter Literatur vorbehalten.
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