Mannheim. Es wird „ein Jahrhundertjubiläum“, sagt Johan Holten, der Direktor der Kunsthalle. 1925 hat die Kunsthalle eine Ausstellung zeitgenössischer Malerei mit dem Titel „Neue Sachlichkeit“ gezeigt - und von hier aus setzte sich dieser Titel „Neue Sachlichkeit“ weltweit als Bezeichnung für eine ganze Kunstepoche durch. Vom 22. November diesen Jahres bis zum 9. März 2025 knüpft die Kunsthalle daran an und zeigt erneut eine Ausstellung dazu - und nicht nur das. Sie hat eine Vielzahl weiterer Aktivitäten initiiert und dazu ein großes Partnernetzwerk geknüpft.
„30 Institutionen machen mit, viele in Mannheim und die Universität Heidelberg“, informierte Holten jetzt den Kulturausschuss des Gemeinderats. Dadurch werde es „eine hohe Sichtbarkeit“ für das Thema geben, versprach er.
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1925 hatte die Ausstellung rund 130 Gemälde von 32 Künstlern umfasst - darunter Werke von Max Beckmann, Georg Schrimpf, Franz Radziwill, George Grosz und Otto Dix, Stillleben zählten ebenso dazu wie Porträts oder Landschaftsmalerei. Verantwortlich war Gustav Friedrich Hartlaub, zweiter Direktor der 1907 gegründeten Kunsthalle. Er hat den Begriff „Neue Sachlichkeit“ geprägt, der inzwischen für eine ganze Kunstepoche der Weimarer Republik verwendet wird, sei es in Malerei, Literatur, Fotografie, Architektur oder Film.
Bundespräsident Steinmeier ist der Schirmherr
Diesmal zeichnet Inge Herold, die stellvertretende Direktorin der Kunsthalle, für die Ausstellung zum Jubiläum verantwortlich. Sie kuratiert die Sonderschau mit mehr als 160 Werken aus Malerei und Skulptur von über 130 Künstlern, die teils aus der eigenen Mannheimer Sammlung stammen, aber auch zahlreiche internationale Leihgaben umfassen. Dafür hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schirmherrschaft übernommen.
Dabei geht es Herold um eine - teils digitale - Rekonstruktion der Ausstellung von 1925, aber auch eine kritische Würdigung. Schließlich war damals keine einzige Frau vertreten. Und Herold will den Blick ins Ausland und über 1925 hinaus richten, denn es dauert nach der Ausstellung nicht mehr lange, bis die Nationalsozialisten die Macht ergreifen, Hartlaub seines Amtes enthoben wird sowie viele der Werke der „Neuen Sachlichkeit“ vom NS-Regime als „undeutsch“ und „entartet“ diffamiert werden.
Über die Ausstellung hinaus will die Kunsthalle ferner, dass sich die ganze Stadt und Region mit dem Thema befasst. Holten spricht von einem „spartenübergreifenden Kulturhighlight“. „Wir haben vor einem Jahr begonnen und sind auf gutem Weg“, so der Direktor. Bereits jetzt gibt es ein Logo mit dem Motto „Die 1920er-Jahre in Mannheim“. Die Tourismus Stadt Mannheim GmbH und einige Hotels haben bereits damit begonnen, dafür zu werben, um etwa Kulturtouristen oder Busreisen anzulocken. Bis Anfang September soll es sowohl eine Internetseite geben, auf der alle Veranstaltungen gebündelt dargestellt werden, als auch eine Broschüre.
Das Partnernetzwerk reicht vom Technoseum über das Marchivum, das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, Cinema Quadrat, Abendakademie, Capitol, Eintanzhaus, Theater Felina Areal, den Verein Rhein-Neckar-Industriekultur und den Kunstverein bis zum Filmfestival oder dem Schloss. Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, die Musikalische Akademie, die Mannheimer Philharmoniker und der Verein Kammermusik Mannheim haben ebenso wie der Jazzclub Ella & Louis passende Konzerte geplant.
Das Nationaltheater wird eine Schauspielpremiere und zwei Opernpremieren in den Spielplan aufnehmen, die auf das Thema Bezug nehmen. Die Reiss-Engelhorn-Museen präsentieren mit dem Forum Internationale Photographie die Sonderausstellung „Sachlich Neu. Fotografien von August Sander, Albert Renger-Patzsch & Robert Häusser“. Das Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg bietet eine Vorlesungsreihe an. „Das ist noch nicht abgeschlossen, das Netzwerk wird noch wachsen“, kündigte Holten an.
Modehaus Engelhorn dekoriert Schaufensterfront
Aber nicht nur Kulturinstitutionen machen mit. Auf Anregung von Oberbürgermeister Christian Specht, so Holten, habe er zudem den Einzelhandel angesprochen - mit guter Resonanz. „Auch wenn Handel jetzt nicht unser Kerngebiet ist, haben wir das gerne gemacht und werden da eine breite Präsenz haben“, erklärte der Direktor. So wolle das Modehaus Engelhorn von September bis zum Weihnachtsgeschäft eine Schaufensterfront im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ gestalten. Das Quartier Q 6/Q 7 und die Werbegemeinschaft Mannheim City würden das Thema ebenso aufgreifen.
Die Kunsthalle habe damit „eine hervorragende Möglichkeit genutzt, viele Kulturakteure zusammenzubringen“, lobte Kulturbürgermeister Thorsten Riehle: Diese „Sichtbarkeit der Kultur“ und die „Brücke zur Innenstadt“ sollten „exemplarisch sein, dass wir auch für die kommenden Jahrzehnte schauen, wo wir passende Anlässe finden“. Auch bei den Stadträten stießen die Aktivitäten der Kunsthalle auf großes Lob. Allerdings fragte Achim Weizel (ML) nach der Finanzierung. Holten erklärte, jeder Partner finanziere seine jeweiligen Aktivitäten selbst. Die Kunsthalle habe für ihre Ausstellung eine siebenstellige Summe an Fördergeldern und Sponsoring eingeworben.
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