Nationaltheater

Was bei der Sanierung des Nationaltheaters für Mehrkosten sorgt

Einblicke in eine faszinierende, gigantische Baustelle am Mannheimer Goetheplatz: Was die Leute vom Bau überrascht, vor welchen Herausforderungen sie derzeit stehen - und warum weitere Mittel beantragt werden müssen

Von 
Peter W. Ragge
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Hier entsteht, unter dem Gebäude am Goetheplatz, ein neuer Orchesterprobensaal – eine komplizierte Arbeit, die immer wieder neue Herausforderungen und Überraschungen bringt. © Thomas Tröster

Mannheim. Er sagt es lange, ganz lange nicht, erst ganz zum Schluss. Aber vorher hat Marco Spies schon so viele Gründe geliefert, dass seine Antwort nun unausweichlich ist. Man werde „noch mal auf den Gemeinderat zugehen müssen“, kündigt der Projektleiter Generalsanierung Spielhaus des Nationaltheaters an, „vermutlich Ende des Jahres.“ „Nochmal zugehen“ – das bedeutet, weitere Mittel für eine Kostensteigerung zu beantragen.

Alles entkernt: Ob Decken oder Böden – im Foyer laufen die Erneuerung der Haustechnik und die Brandschutzsanierung. © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Das derzeit bewilligte Budget von 247 Millionen Euro basiert auf einer Kostenberechnung von 2020. Seither ist der Baupreiskostenindex um 30 Prozent gestiegen. Die Theaterleute melden acht Prozent Vergabeverluste – was bedeutet, dass die Vergabe der Aufträge nur zu acht Prozent höheren Zahlungen als kalkuliert möglich war.

80 Prozent der Aufträge sind erteilt. Die jüngste Prognose vom März ging davon aus, dass das Projekt am Ende 282 Millionen Euro kosten werde. Beschlossen ist das nicht. Neuere, genauere Zahlen nennt Spies nicht und sagt nur, das Budget sei „natürlich belastet“.

Keine Setzungen bei der Unterhöhlung des Gebäudes

„Wir sind immer noch moderat unterwegs“, betont Kulturbürgermeister Thorsten Riehle. Schließlich handele es sich um eine „absolute Großbaustelle“ und man habe das Theater „bis auf den Rohbau entkernt“. Doch das sei „nicht just for fun“ geschehen, sondern weil viele Zustände in dem Haus am Goetheplatz „arbeitsrechtlich nicht mehr tragbar“ seien. Ein Beispiel ist der alte Orchesterprobensaal, wo der Schalldruck viel zu groß war, viel größer als heute erlaubt.

Für „MM“-Leser

  • Am Mittwoch, 11. September, um 16 Uhr bietet der „Mannheimer Morgen“ exklusiv für „MM“-Leser eine Führung über die Baustelle mit Vertretern der Bauleitung und der Intendanz des Nationaltheaters an.
  • Teilnehmen können nur Inhaber der Morgencard Premium.
  • Es stehen zwölf mal zwei Plätze zur Verfügung.
  • Wer teilnehmen will, meldet sich bei service@meinmorgen.app. Einsendeschluss ist Mittwoch, 24. Juli. Melden sich mehr Interessenten als Plätze vorhanden sind, dann entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
  • Wer teilnehmen kann, wird rechtzeitig über den genauen Treffpunkt informiert. 

Daher wird unter dem östlichen Gebäudeteil des Nationaltheaters unterirdisch ein neuer Orchesterprobensaal in der Dimension einer kleinen Turnhalle eingebaut. Etwa sechs Meter tief ist dazu bereits gegraben worden, weitere zwei Meter fehlen noch. Nahezu abgeschlossen ist das Injektionsverfahren, bei dem eine Zementemulsion in den Boden gespritzt wird, um die Stabilität der Baugrube zu sichern.

Statisch handelt es sich dabei um ein höchst anspruchsvolles, in dieser Form bisher einmaliges Projekt. Per Laserstrahl wird ständig kontrolliert, dass das Gebäude, obwohl unter ihm alles ausgehöhlt wird, stabil bleibt. „Bislang steht alles auf Grün, es gibt keinerlei Setzungen“, sagt Spies erleichtert. Und doch ist ein Problem aufgetaucht – durch das Wetter. „Der Grundwasserpegel ist durch die ständigen Regenfälle viel höher“, sagt Spies.

„Wir bauen inzwischen schon wieder auf“: neue Stromkabel und Rohre in den neuen Garderoben. © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Auch das Schichtenwasser sei „viel höher als für diese Jahreszeit auf der Basis der letzten Jahre errechnet.“ Das bedeutet, dass Wasser aus der Grube ständig abgepumpt und in die Kanalisation geleitet werden muss. „Das war so nicht geplant“, so der Projektleiter.

Teil des Tiefbunkers aus dem Zweiten Weltkrieg unter dem Goetheplatz muss abgeborchen werden

Die nächste Überraschung schildert er wenige Meter weiter. Unter dem Goetheplatz werden, auch unterirdisch, ein neuer Chorprobensaal sowie Stimm- und Einsingzimmer entstehen. Derzeit wühlen sich hier Bagger in die Tiefe. Vermutlich im August muss ein Teil des vom Zweiten Weltkrieg stammenden Tiefbunkers, dessen Wände bis zu 1,40 Meter dick sind, abgebrochen werden.

Drei Wochen dauert das, „das wird laut“, räumt Spies ein. Die Nachbarn seien auch vorgewarnt worden. Die leiden derzeit bereits darunter, dass beim Aushub für den Orchesterprobensaal ein großer Saugbagger zum Einsatz kommt.

Auch der war so nicht vorgesehen. „Aber wir haben festgestellt, dass Kleinbagger und Elektrofahrzeuge nicht funktionieren“, so Spies. Der Saugbagger werde noch etwa zwei Wochen gebraucht und schon so platziert, dass die Turbine auf der der Wohnbebauung abgewandten Seite stehe. „Aber man kann sie nicht abdecken, weil sie Luft ansaugt“. Tilmann Pröllochs, der Geschäftsführende Intendant, räumt ein, dass die Nachbarn derzeit arg strapaziert werden, aber das bringe das Großprojekt eben mit sich, bedauert er, und man informiere regelmäßig.

Grund- und Schichtenwasser macht den Bauleuten derzeit bei Arbeiten im Bereich Untergeschoss und Bunker zu schaffen. © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Auch beim Bunker-Abbruch wird es nochmal laut. Da sind dann noch asbesthaltige Dichtschlämme zu entsorgen, mit denen man in dieser Dimension nicht gerechnet hat. Als komplizierter erweist sich ebenso das Einbringen der seitlichen Anker der Baugrubenabstützung, weil sie – trotz Probebohrungen – nicht überall auf festen Boden, sondern auf lockerere Kiesschichten treffen. „Das haben wir so nicht erwartet“, sagt der Projektleiter auch hier.

Ein Drittel der Baukosten für das Nationaltheater entfällt auf den Rohbau

In den Kanälen für Kabel und Rohre im Erdgeschoss laufen derzeit letzte Arbeiten, um Schadstoffe zu entfernen. Doch sonst sind laut Spies ein Großteil der Abbruch- und Schadstoff-Sanierungsarbeiten abgeschlossen. „Wir bauen inzwischen schon wieder auf!“, sagt er. Das ist in der Baugrube zum Friedrichsring zu sehen, wo nach dem Aushub für unterirdische Werkstätten die Betonierungsarbeiten beginnen. Besonders fällt es aber bei einem Rundgang durch das Spielhaus auf, wo alles entkernt war, aber in oberen Stockwerken schon wieder Wände für die Garderoben stehen, neue Rohre für Heizung, Wasser- und Abwasser ebenso wie dicke Bündel von neuen Stromkabeln zu sehen sind.

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Aber nur jetzt: „Viel wird man später nicht sehen“, sagt Spies. Ein Drittel der Baukosten entfallen auf den Rohbau, zudem je ein Drittel auf Haus- und auf Bühnentechnik. Die ganze Modernisierung der Technik bleibt hinter den Kulissen, nur im Schauspielhaus beispielsweise wird von der Sanierung sehr viel zu entdecken sein. Hier sind laut Schauspielintendant Christian Holtzhauer „ästhetische Schallsegel, die leuchten können“ geplant: „Da haben wir eine ästhetisch schlüssige, ansprechende Lösung gefunden“, sagt er.

Zeitlich sind die Arbeiten laut Spies „auf sehr gutem Weg“. Man sei „ständig an einer Optimierung der Bauabläufe dran“ und halte daran fest, im Herbst 2028 zu eröffnen.

Redaktion Chefreporter

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