Mannheim. Sie hat es aus dem Depot geholt, es ist eine eher unbekannte Ansicht. „Es sollte eigentlich das Standardporträt sein, das hat er damals verfügt“, weiß Irmgard Siede über das 1785 entstandene Ölgemälde von Carl Theodor. Während seiner ersten Italienreise begab sich der Kurfürst in Rom zu dem berühmten Maler Pompeo Girolamo Battoni, bestellte bei ihm zwei Porträts und ließ sie als Grundlage zahlreicher Repliken von der Hand des Hofmalers Johann Wilhelm Hoffnaas nehmen. Und das begrüßt nun die Besucher der neuen Ausstellung im Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen.
„Eine kleine, feine Würdigung“ des Kurfürsten zum 300. Geburtstag soll es sein, sagt Generaldirektor Wilfried Rosendahl. Keinesfalls habe man die große Ausstellung von 1999 wiederholen oder kopieren wollen. „Der Katalog von damals ist immer noch Standardwerk“, ergänzt Hiram Kümper, Lehrstuhlinhaber am Historischen Institut der Universität Mannheim. Er hat mit Julia Breittruck (Fernuni Hagen) Kuratorin Irmgard Siede bei der Konzeption unterstützt und zudem gerade selbst ein Buch („Ein Kurfürst in bewegten Zeiten“) über Carl Theodor herausgegeben. Beim Buch wie bei der Ausstellung verfolgt Kümper den Ansatz, nicht all das zu wiederholen, was längst bekannt ist.
Motor von Innovationen – vom Porzellan bis zum Rhabarberanbau
„Wir wollten einen neuen Blick auf Carl Theodor“, fasst Rosendahl das Ziel zusammen und begründet so auch den Titel der Ausstellung „Ein Kurfürst auf Zukunftskurs“. Sie zeigt, dass der ab 1743 in Mannheim und ab 1778 bis zu seinem Tod 1799 in München amtierende Regent nicht nur Anhänger und Förderer, sondern sogar „Motor vieler Innovationen“ gewesen ist, so Kümper. „Man kennt ihn als jemand, der Kunst und Kultur fördert, aber er steht auch für ein modernes Wissensmanagement“, so der Professor. Ja er nennt den Kurfürsten sogar einen „visionsgeleiteten Innovator“ mit Faible für kreative Köpfe. Zudem sei er auch ein Beispiel für Nachhaltigkeit, „weil viele Dinge von damals bis heute nachwirken“, sagt Siede.
Kümper und Siede haben für die Vorliebe des barocken Regenten zur Moderne zahlreiche Beispiele zusammengestellt und mit weitgehend unbekannten Exponaten illustriert. Ein Beispiel ist die Förderung der Agrarwirtschaft, etwa des Anbaus von Kartoffeln, von Spargel, Tabak und Wein. Dass er davon auch Abgaben kassierte, daran erinnert bis heute das große Fass im Heidelberger Schloss. Als zwei Handwerksgesellen mit Samen aus Russland für medizinischen Rhabarber in die Kurpfalz kommen, sorgt er dafür, dass der Unternehmer Jean-Baptiste Lemaître auf einem Versuchsfeld in Käfertal beim Jagdschloss mit dem Anbau beginnt. „Das scheitert zwar, aber ein Jahr lang schaut die ganze Welt auf Käfertal, von Frankreich bis Russland berichtet die Presse darüber“, erzählt Hiram Kümper.
Auch die Bienenzucht hat Carl Theodor verbessert, „denn man brauchte den Honig als Süßungsmittel und für die Kerzen“, erklärt Siede. Salz lässt der Regent in Mosbach im Odenwald gewinnen und Ton, um irdene Gefäße herzustellen. Auch Quarz für Glas kommt aus dem Odenwald, Goldflitter für die Münzen - die berühmten Rheingolddukaten - aus dem Rhein, für Perlmuscheln initiiert der Kurfürst im Odenwald eine Zucht und für Seidenraupen, nötig für die vielen edlen Gewänder, werden an vielen Orten Maulbeeralleen angelegt.
Carl Theodor betreibt auch das, was man heute Industriepolitik oder Wirtschaftsförderung nennen würde. Das beste Beispiel ist die Frankenthaler Porzellanmanufaktur, für die er eine ehemalige Kaserne zur Verfügung stellt. „Die wirkt sich nachhaltig aus“, erklärt Siede, gibt es doch bis 1933 in Mannheim die Rheinische Porzellanfabrik. Auch eine Strumpffabrik, eine Spitzenmanufaktur und eine Firma zur Herstellung von Seide entstehen dank Carl Theodor in Frankenthal, das er - so Kümper - zur Fabrikstadt macht und wo er einen Hafen anlegen lässt.
Er wusste von allen aktuellen Erfindungen sowie geistigen und kulturellen Strömungen
Während sich der Regent anfangs an Frankreich orientiert, blickt er mit der beginnenden Industrialisierung oft nach England - und holt die erste Dampfmaschine nach Käfertal, die erste Spinnmaschine nach Cromford bei Ratingen. Solch eine Spinnmaschine aus der früheren Baumwollfabrik, heute Industriemuseum, hat Rosendahl nach Mannheim geholt. Sonst besteht die Ausstellung überwiegend aus Exponaten aus den eigenen Depots, darunter teilweise noch nie gezeigte Preziosen aus Porzellan, Glas, seltene Dokumente und Ansichten. „Wir haben da so manche Schätze“, hebt Irmgard Siede hervor, sonst Sammlungsleiterin für Angewandte Kunst, Theater- und Musikgeschichte.
Die Theater- und Musikgeschichte kommt natürlich auch nicht zu kurz - doch hier ebenso mit ein paar eher unbekannten Facetten im Leben Carl Theodors. So hat er Shakespeare in Mannheim übersetzen und aufführen sowie die von Benjamin Franklin entwickelte Glasharmonika nachbauen lassen. „Er wusste von allen aktuellen Erfindungen sowie geistigen und kulturellen Strömungen und wollte diese in seinen Landen umgesetzt sehen“, so die Kuratorin der Ausstellung.
Das letzte Kapitel ist der Frage gewidmet, wie Carl Theodor heute gesehen wird. Dass die Münchner ihn nicht so schätzen wie die Mannheimer, sei „so eindeutig nicht“, betont Kümper. Aber dass die Metropolregion eine Carl-Theodor-Medaille verleihe, findet er richtig - denn er habe den Grundstein für die heutige Innovationsregion gelegt.
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