Befragung

Warum Studierende Mannheim nach der Uni verlassen

Die Stadt Mannheim hat Studentinnen und Studenten von Universität, DHBW und Hochschule befragt, wie sie Mannheim als Hochschul- und als Unternehmensstandort sehen - mit interessanten Ergebnissen

Von 
Sebastian Koch
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In Mannheim studieren mehr als 30 000 Menschen. Die meisten – etwa 22 000 – sind an der Universität, der Dualen Hochschule oder der Hochschule eingeschrieben. © Bernhard Zinke

Mannheim. Mit drei Worten hat Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit im November 2003 das Image der Hauptstadt auf Jahre hinaus geprägt: „arm, aber sexy.“

Nun ist „sexy“ (anders als „arm“) nicht unbedingt eine Beschreibung, die einem in Verbindung mit Mannheim sofort einfällt - und auch hat sich keiner der Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters einen Wowereit-Slogan überlegt (vielleicht kommt der ja noch?). Dafür aber haben in einer Befragung im Auftrag des städtischen Fachbereichs für Wirtschafts- und Strukturförderung Mannheims Studentinnen und Studenten Assoziationen genannt, die sie mit ihrer Stadt verbinden - oder nicht.

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Lebendig, divers, weltoffen, vielseitig und aktiv haben die 808 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am häufigsten auf die Frage genannt, was sie mit Mannheim assoziieren. Glamourös, romantisch, konservativ, naturnah und - Überraschung - friedlich bringen sie dagegen nicht mit der Stadt in Verbindung. „Unromantisch, aber divers“ könnte also der neue Stadt-Slogan heißen.

Wie zufrieden sind die Studentinnen und Studenten mit dem Hochschulstandort? Ein Überblick der wichtigsten Ergebnisse.

Worum geht es in der Befragung überhaupt?

Alle zwei Jahre befragt das Mannheimer Spiegel Institut im Auftrag der Verwaltung Studentinnen und Studenten dazu, wie zufrieden sie mit ihrem Studienort sind. Das von Michael Grötsch (CDU) geführte Wirtschaftsdezernat erhofft sich dadurch vor allem Informationen darüber, wie die Stadt bei jungen Menschen als Hochschul- und als Wirtschaftsstandort angesehen wird. Mit Blick auf den Fachkräftemangel sei es ein „wichtiger Standortvorteil“ und ein „Glücksfall“, Studentinnen und Studenten zu haben, erklärt der Bürgermeister. Christiane Ram, Leiterin der Wirtschaftsförderung, sieht in den Ergebnissen eine „Basis für die Arbeit der Wirtschaftsförderung“.

Wie viele Studentinnen und Studenten wurden befragt?

Aufgerufen waren Immatrikulierte der größten Studienhäuser der Stadt: Universität, Duale Hochschule und Hochschule. An den Einrichtungen studieren etwa 22 000 Menschen - 808 davon haben sich an der Online-Befragung beteiligt. Weil Antworten nach statistischen Faktoren gewichtet worden sind, hätten die Ergebnisse Aussagekraft, erklären Alexander Zeder und Simon Leichtweiß vom Spiegel Institut auf der Pressekonferenz im Stadthaus.

Was sind die Studentinnen und Studenten gefragt worden?

Das Spektrum umfasst mehrere Bereiche:

  • Wohnen
  • Arbeitsmarkt
  • Zufriedenheit mit dem Wohnort
  • Die Frage, ob sich Studentinnen und Studenten vorstellen können, nach ihrem Abschluss in Mannheim bleiben zu wollen, um hier zu arbeiten oder sich als Gründerin oder Gründer selbstständig zu machen.

Welche Ergebnisse stechen in der Befragung heraus?

70 Prozent der Befragten wohnen in Mannheim, elf Prozent außerhalb der Metropolregion. Zwei von drei Befragten sind für ihr Studium nach Mannheim gezogen. Mit ihrer Wohnsituation an sich sind die Befragten zufrieden - das zeigt der durchschnittliche Wert 5 auf einer Skala von 1 (nicht zufrieden) und 7 (voll zufrieden). 2020 lag der Wert bei 4,7. 29 Prozent wohnen in einer WG. Spannend ist, dass 41 Prozent der Befragten angeben, Mannheim und die Region nach dem Studium wieder verlassen zu wollen. 46 Prozent können sich vorstellen, in der Gegend zu bleiben - acht Prozent haben das fest vor.  „41 Prozent, die Mannheim wieder verlassen wollen, sind natürlich zu viel“, sagt Grötsch, verweist aber darauf, dass die meisten angegeben haben, die Stadt verlassen zu wollen, um in der Nähe von Familien und Freunden zu leben.

Die Antwort „Ich mag Mannheim nicht“ wird am zweithäufigsten genannt.

Die Antwort „Ich mag Mannheim nicht“ wird am zweithäufigsten genannt. Vor allem das Stadtbild, die Wohnumgebung sowie fehlende Natur- und Naherholungsmöglichkeiten werden hierfür angeführt. Grötsch sieht da in Grünflächen, die für die Bundesgartenschau entstanden sind, „gute Argumente“, Menschen binden zu können. „Traditionell“ gut sind laut Grötsch die Ergebnisse zur Infrastruktur und Einkaufsmöglichkeiten. Die Bewertungen zur Infrastruktur liegen durchschnittlich alle über 5,0 - bis auf eine Ausnahme: Bei Studentinnen und Studenten schneidet die Fahrradinfrastruktur in Mannheim mit einem Durchschnittswert von 4,0 vergleichsweise deutlich schlechter ab.

Warum Mannheim ausdrücklich nicht als „friedlich“ wahrgenommen wird? Darauf gibt es am Montag keine aussagekräftige Erklärung. „Ich denke, dass wir da eigentlich eine auf der Höhe der Zeit befindliche Stadt sind“, sagt Grötsch.

Was sagen Studenten und Studentinnen zum Wohnungsmarkt?

Im Vergleich zu 2020 sehen die Studentinnen und Studenten den Wohnungsmarkt kritischer. Bei allen drei Fragen (Wohnungsangebote zu angemessenen Preisen; Zufriedenheit mit dem Wohnungsangebot; ausreichend großes Wohnungsangebot) sind die Durchschnittswerte um 0,5 Punkte gesunken und bewegen sich nun zwischen 3,3 und 3,5. „Das Wohnungsangebot wird weiterhin als unzufriedenstellend bewertet“, lautet das Fazit des Spiegel Instituts.

Und wie wird nun der Wirtschaftsstandort bewertet?

Im Großen und Ganzen gut. Die Mehrzahl der Durchschnittswerte bewegen sich bei über 5,0 - Mannheim wird von jungen Menschen also durchaus als Unternehmensstandort wahrgenommen. Auch hat der Standort das Niveau von 2020 nahezu gehalten. Die erstmals berücksichtigte Aussage „Es gibt viele Unternehmen in Mannheim, die Wert auf Nachhaltigkeit legen“ fällt bei den Befragten mit einem durchschnittlichen Wert von 3,9 im Vergleich allerdings ab.

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Zwar würden viele Unternehmen die Themen Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und Klimaschutz berücksichtigen, sagt Ram. „Sie müssen aber noch etwas tun, damit das konkreter und sichtbarer wird.“ Im Vergleich zu 2020 tun sich die Befragten übrigens schwerer, sich Mannheim als künftigen Arbeitsort vorzustellen. Lag der Wert vor zwei Jahren noch bei 4,6, ist er nun auf 4,1 gesunken. Die Macher der Studie vermuten auf Nachfrage, dass sich in der Pandemie - als Studentinnen und Studenten im Home-Office gelernt haben - die Bindung zum Studienort weniger stark entwickeln haben könnte als vor der Pandemie.

Mannheim ist als Gründerstadt bekannt. Spiegelt sich das auch in der Umfrage wider?

Immerhin 33 Prozent können sich vorstellen, sich nach dem Abschluss selbstständig zu machen - weitere sechs Prozent haben das definitiv vor. 56 Prozent sagen, sich das nicht vorstellen zu können. Ram zeigt sich mit dem Ergebnis dennoch zufrieden. „Mannheim kann hier Stärken ausspielen, die der Standort hat.“ Darunter fallen auch Beratungsangebote verschiedener Institutionen.

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Dass aber nicht einmal jeder Vierte derer, die sich eine Selbstständigkeit vorstellen können, angegeben hat, Beratungsangebote wie NextMannheim oder das Mafinex zu kennen, ist ein Punkt, an dem Ram ansetzen will. Hierfür seien erste Formate bereits geplant - das Welcome Center Rhein-Neckar etwa hatte am Montag seine erste Auflage. „Wir wollen Studierende noch stärker für das Thema sensibilisieren.“

Die Zahlen und Ergebnisse an sich sind ja ganz interessant. Aber wie schneidet Mannheim im Vergleich mit anderen Städten ab?

Laut Grötsch erfragt Mannheim als einzige Stadt regelmäßig die Zufriedenheit von Studentinnen und Studenten. „Wir können deshalb leider nicht sagen, wie gut wir im Vergleich tatsächlich dastehen“, erklärt der Bürgermeister und kündigt an, anderen Kommunen die Befragung auf dem Städtetag vorstellen zu wollen. „Es wäre für uns interessant zu wissen, ob und wo andere besser sind und wie wir davon lernen können.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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