Mannheim. „Das ist sehr unglücklich gelaufen“, seufzt Joachim Schmid, der Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB), und meint damit einen Einsatz im Käfertaler Wald. Die Besatzung eines Rettungswagens seiner Organisation hat einen Patienten mit Schlaganfall dort erst lange nicht gefunden und dann nur mit Verzögerung ins Krankenhaus bringen können – weil sie vor einer verschlossenen Schranke stand und keinen Schlüssel dabei hatte.
Leitstelle Bergstraße ist nicht zuständig
„Mir geht es – Gott sei Dank – wieder einigermaßen gut“, sagt Hermann Gutperle. Aber er will, dass das, was ihm passiert ist, nicht noch einmal passiert – weshalb er seine Geschichte erzählt. Der 76-jährige Viernheimer ist oft mit dem Fahrrad im Käfertaler Wald unterwegs. An einem Montag im April wird ihm aber plötzlich mitten im Wald, irgendwo in der Nähe der Tiefwasserbrunnen bei der Neuen Poststraße, schwindelig. Er steigt ab, „ich fühlte mich wie betäubt, war zeitweise ohnmächtig“, erzählt er. Zwar hat er ein Handy, kann aber den Notruf nicht mehr wählen: „Ich hab zu sehr gezittert.“
Ein Jäger habe ihn dann gefunden. Es ist Jäger und Falkner Ron Kilian, der zuständige Jagdpächter. Der wählt die 112, landet aber zunächst in der Leitstelle Bergstraße, weil sein Handy sich offenbar über die dortige Funkzelle eingeloggt hat. „Die haben erst mal lange gefragt, wo der Mann liegt“, wundert sich Kilian. Als er gesagt habe, dass der Ort auf baden-württembergischer Gemarkung liege, sei er zur Integrierten Leitstelle Mannheim verbunden worden.
Diese bestätigt auf Anfrage den Eingang des von Hessen weitervermittelten Notrufs und die Weitergabe des Alarms an einen Rettungswagen des ASB.
„Es hat endlos gedauert“
„Aber der ist öfter an uns vorbeigefahren, ich habe ihn von Weitem gesehen“, schildert Ron Kilian das weitere Geschehen. „Ich dachte, das darf nicht wahr sein, da fährt er“, ärgert er sich noch heute. Dabei werde doch bei einem Notruf per Handy der Standort übermittelt. „Es hat endlos gedauert“, klagt auch Hermann Gutperle. Der Jäger sowie eine Fahrradfahrerin, die auch noch angehalten habe, hätten sich prima um ihn gekümmert und, so seine Erinnerung, „alles versucht, den Rettungswagen einzufangen“.
„Das hat länger gedauert, die haben es einfach nicht gefunden“, bedauert auch Christoph Scherer, Geschäftsführer der Integrierten Leitstelle Mannheim. Zwar registriere das System der Leitstelle (rescuetrac) den Ort des Notrufs und leite das auch an den jeweiligen Rettungswagen weiter, aber warum das in dem Fall nicht geholfen habe, lasse sich nicht feststellen – womöglich liege es am nicht so guten Funknetz im Wald.
Die Disponenten der Leitstelle, die im System ja auch den Standort des Rettungswagens sehen, hätten sogar erkannt, dass er falsch fahre und Richtung Autobahn steuere. „Wir haben daraufhin noch mal einen zweiten Rettungswagen losgeschickt“, so Scherer.
Waldweg ist versperrt
Das erste Fahrzeug biegt dann aber doch irgendwann auf den richtigen Waldweg ein und findet den Patienten. Der Rettungswagen sei zwar schneller als die Hilfsfrist, nämlich etwa binnen sieben bis acht Minuten, im Wald in der Nähe des Notruforts gewesen, so der ASB. „Das Auffinden ist aber nicht gut gelaufen“, räumt Joachim Schmid nach einem Gespräch mit der Fahrzeugbesatzung ein: „Das ist nicht das, was wir uns wünschen“, bedauert der ASB-Geschäftsführer, „ist aber wohl den Gegebenheiten im Wald geschuldet“.
Schnell ins Krankenhaus – wo später zwei Schlaganfälle diagnostiziert werden – kommt Hermann Gutperle aber auch dann noch nicht, als er bei den Rettern im Fahrzeug liegt. „Die sind noch lange rumgekurvt und dann eine Weile stehengeblieben“, weiß er noch. Wegen einer Schranke, die den Waldweg versperrte, sei der Rettungswagen nämlich nicht wieder aus dem Wald herausgekommen.
„Es ist noch mal gut gegangen“
Auch das bestätigen Leitstelle und ASB auf Anfrage. Die Leitstelle muss nämlich ein Fahrzeug der Feuerwache Nord losschicken, um die Schranke zu öffnen. „Da reicht kein normaler Vierkantschlüssel“, erklärt Christoph Scherer, „da braucht man einen Bartschlüssel“. Aber alle Rettungswagen seien von der Stadt mit einem Satz Schlüssel ausgestattet worden, sowohl für die Pfosten und Poller in der Innenstadt als auch für die Waldschranken.
Allein der ASB verfüge seit Juli 2018 über 15 Schlüssel, mit denen sich „sämtliche Schranken im Bereich des Käfertaler Walds öffnen“ ließen, teilt das Dezernat von Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell, dem das Forstamt untersteht, auf Anfrage mit. Alle Hilfsorganisationen, die Feuerwehr und die Polizei seien „mit einer ausreichenden Anzahl von Schlüsseln ausgestattet“, und bei weiterem Bedarf würden zusätzliche Exemplare zur Verfügung gestellt – es lägen derzeit aber keine Anfragen vor. Warum der im Wald eingesetzte ASB-Rettungswagen dennoch keinen Schlüssel hatte, lässt sich laut Joachim Schmid nicht mehr klären. „Generell haben wir Schlüssel“, bestätigt der ASB-Geschäftsführer. Schranken und Poller seien aber öfter ein Problem.
Schmid, der auch Vorsitzender des Bereichsausschusses von Rettungsorganisationen und Krankenkassen ist, will nun mit der Stadt sprechen. „Ich werde das zum Anlass nehmen, dass wir eine gute Lösung finden“, so Schmid, dass so etwas nicht noch einmal passiere, denn der Einsatz sei in der Tat „unglücklich gelaufen“. Das sieht auch Hermann Gutperle so. „Es ist ja noch mal gut gegangen für mich, ich habe noch Glück ohne Ende gehabt“, sagt der 76-Jährige und dankt seinen Helfern. Aber man müsse verhindern, dass solch eine Irrfahrt eines Rettungswagens noch einmal passiere.
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