Bewegung

Warum Elterntaxis in Mannheim in der Garage bleiben sollen

Wenn viele Eltern ihre Kinder im Auto zur Schule bringen, herrscht Verkehrschaos. Das ist einer der Gründe, warum die Kampagne "Schulweg Aktiv" startet, 6000 Kinder sind dabei. Aber es gibt noch andere Gründe

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Bertram Bähr
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Zu Fuß zur Schule statt mit dem Auto: Die Stadt Mannheim will Eltern und Kinder dazu ermutigen, sich mehr zu bewegen. © Frank Rumpenhorst;/dpa

Mannheim. Youri Ziffzer hat seinen Sohn Noah mit zur Pressekonferenz gebracht. Der Dreijährige bleibt während des fast 50-minütigen Gesprächs geduldig in der Nähe des Papas. Aber es fällt ihm erkennbar schwer stillzusitzen. „Kinder haben einen großen Bewegungsdrang“, meint der frühere Torhüter der Adler Mannheim: „Wir müssen das aktiv fördern“, sagt Ziffzer, inzwischen Referent der Adler-Geschäftsführung.

Dabei geht der 37-jährige Vater von drei Kindern mit gutem Beispiel voran: „Ich laufe mit Noah in den Kindergarten und mit unserem Achtjährigen zur Grundschule.“ Alle kommen dabei an die frische Luft. Das sei doch gerade für Schüler allemal besser, weil sie dadurch „schon wach und fit in der ersten Stunde sitzen und nicht im Halbschlaf von A nach B gefahren werden“.

Kampagne „Schulweg Aktiv“: So viele Mannheimer Grundschulklassen nehmen teil

Ziffzer wirbt mit diesen Worten für die Kampagne „Schulweg Aktiv“, bei der Pressekonferenz stehen ihm drei Herren aus der Stadtverwaltung zur Seite: Oberbürgermeister Christian Specht, Sportbürgermeister Ralf Eisenhauer und Kolja Müller-Späth, Projektkoordinator der „Offensive Kindheit Aktiv“. Seit Anfang 2022 gibt es diese Offensive, zu der beispielsweise das Schwimmfix-Konzept und der Bewegungspass für Kitas gehören. „Schulweg Aktiv“ ist der neueste Baustein des Projekts.

Werben gemeinsam für den Verzicht auf Elterntaxis: Kolja Müller-Späth (v.l., Projektkoordination „Offensive Kindheit Aktiv“), Oberbürgermeister Christian Specht, Youri Ziffzer (Adler) und Sportbürgermeister Ralf Eisenhauer. © Bertram Bähr

Der Leitgedanke: Grundschülerinnen und Grundschüler bewältigen vom 15. bis 26. April ihren Weg morgens und mittags zu Fuß, mit Roller oder Rad – anstatt sich in „Elterntaxis“ zur jeweiligen Bildungsstätte transportieren zu lassen. Die Beteiligung daran ist ausgesprochen hoch: „250 Grundschulklassen haben sich angemeldet, das ist jede zweite Grundschulklasse in Mannheim“, freut sich Kolja Müller-Späth. Dabei hätten die „Klassen sich selbst entscheiden dürfen, ob sie teilnehmen wollen oder nicht“.

Ehrgeiz der Kinder soll spielerisch geweckt werden

24 von 34 Grundschulen sind mit im Boot, insgesamt rund 6000 Kinder haben zum Ziel, sich „aktiv“ auf den Weg in die Schule zu machen. Jede Klasse erhält ein Plakat, die Kinder Aufkleber, die dieses Plakat mehr und mehr füllen sollen. Für jeden Tag ohne Elterntaxi kommt ein neuer Aufkleber hinzu.

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Geweckt wird also der Ehrgeiz der Kinder, die damit ihren Eltern im positiven Sinne auf die Nerven gehen können. So wie das im vergangenen Jahr bei Kolja Müller-Späth selbst der Fall war. Die Lehrerin seines Sohnes in der ersten Klasse habe gesagt, „geht doch einfach mal eine Woche zu Fuß zur Schule. Dann kam er nach Hause und hat gesagt ,Papa, wir gehen jetzt zu Fuß’.“ Vergleichbares erhofft Müller-Späth sich für die Kampagne „Schulweg Aktiv“.

Natürlich wolle man einen Ausstieg aus dem Elterntaxi „nicht nur in diesen zwei Wochen“, betont OB Christian Specht. Die Kinder erlebten zunächst, „dass es möglich ist, ohne Elterntaxi sicher, gesund und zufrieden zur Schule und zurück zu kommen“. Das danach „zu verstetigen, ist ganz zentral“, blickt das Stadtoberhaupt in die Zukunft.

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Dabei gehe es nicht nur um Bewegungsförderung, sondern auch um Verkehrssicherheit. Die Situation, dass Kinder mit dem Auto gebracht und hektisch direkt vor der Schule herausgelassen würden, „zum Teil unter Missachtung der Verkehrsregeln, kennen viele von uns“. Deshalb würde Specht auch eine landesweite Regelung begrüßen, die es Kommunen erlaubt, Straßen oder Plätze vor Schulen temporär für den Verkehr zu sperren. Vor der Rheinauschule war das angedacht, scheiterte dann jedoch an rechtlichen Bedenken der Stadt. An der Gerhart-Hauptmann-Grundschule, ebenfalls auf der Rheinau, habe die Stadt eine Sperrfläche ausgewiesen, eine Klage dagegen sei aber erfolgreich gewesen. Eine landesweite Regelung – wie vor wenigen Wochen in Nordrhein-Westfalen erlassen – könne Rechtsunsicherheiten beseitigen.

Viele Kinder haben Defizite in der Grobmotorik

Ralf Eisenhauer macht deutlich, dass „Schulweg aktiv“ nur ein kleiner Teil der städtischen Bemühungen sei, Sport und Bewegung im Alltag zu verankern. Dafür stehe die „Offensive Kindheit Aktiv“. Schließlich hat nach einer Statistik des Gesundheitsatlas Baden-Württemberg fast jedes dritte fünfjährige Kind in Mannheim Defizite bei der Grobmotorik. Leider seien „Dinge wie ein Rad zu schlagen, Handstand zu machen, zu schwimmen und Fahrrad zu fahren“ alles andere als selbstverständlich, spricht Eisenhauer von „dramatischen Entwicklungen“.

Die Offensive hält dagegen. Beispielsweise wurde das erfolgreiche Schwimmfix-Konzept durch Intensivschwimmkurse in den Ferien erweitert. Allein an diesen Kursen hätten in den vergangenen zwei Jahren mehr als 800 Grundschulkinder teilgenommen, berichtet Eisenhauer. Und an dem „Bewegungspass“-Projekt für Kitas, gestartet Anfang 2023, hätten sich innerhalb des ersten Jahres bereits 62 Einrichtungen beteiligt, über 100 Fachkräfte seien dafür qualifiziert worden.

Dass es darüber hinaus in der Stadt „wunderbare Angebote“ gebe, betont Kolja Müller-Späth. Neben Vereinssport und der Bewegung in der Natur oder den Parkanlagen lockten beispielsweise Frei- und Hallenbäder. All das habe man übersichtlich in einem Flyer zusammengefasst. Die 6000 Kinder, die an „Schulweg aktiv“ teilnehmen, bekommen ihn mit nach Hause.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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