Versammlungen

Warum die Stadt Mannheim eine Auflage für die Palästina-Demo zurückzog

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Sebastian Koch
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Bereits seit Wochen gibt es, wie am vergangenen Samstag, regelmäßig pro-palästinensische Demonstrationen in der Innenstadt. © Christoph Bluethner

Mannheim. In einer Demokratie hat jeder das Recht, sich zu versammeln. Die Versammlungsfreiheit gilt als eine der wichtigsten Privilegien für Bürgerinnen und Bürger, um ihre Meinungen in die Öffentlichkeit zu tragen. Damit das nach Spielregeln geschieht, die zu einer Demokratie ebenso gehören, erteilen Versammlungsbehörden nicht selten Auflagen, unter denen eine Demonstration oder Kundgebung stattfindet.

So auch für die pro-palästinensische Demonstration am vergangenen Samstag. Die Versammlungsbehörde der Stadt hatte den Organisatoren unter anderem das Verbrennen von Israel-Fahnen untersagt und sie angehalten, für eine entsprechende Zahl an Ordnern zu sorgen.

Verwirrung hat es indes um eine weitere Passage gegeben, die die Behörde zwar zunächst vorgeschrieben hatte, kurzfristig aber wieder zurückgenommen hat - nachdem die Veranstalter zuvor Rechtsmittel gegen die Passagen eingelegt haben. Fragen und Antworten zum Thema.

Um welche Auflagen dreht sich die Verwirrung?

Die Versammlungsbehörde hatte unter anderem folgende Auflage im Wortlaut erteilt: „Die Aufstachelung zu Hass gegen Bevölkerungsgruppen, zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen ist untersagt. Die Menschenwürde anderer darf nicht verletzt werden, indem Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden. In Versammlungsreden und Sprechchören sowie auf Transparenten haben Aussagen zu unterbleiben, die Hass und Gewalt propagieren.

Es ist untersagt, gegen Menschen gerichtete Gewalttaten zu verherrlichen, gutzuheißen oder zu solchen Taten aufzufordern.“ Noch auf eine Anfrage dieser Redaktion am Donnerstagnachmittag hatte eine Sprecherin der Behörde über diese Auflage informiert.

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Was ist danach passiert?

Am Freitag teilte die Gruppe Zaytouna Rhein-Neckar-Kreis, die die Demonstration mitorganisiert hat, in sozialen Medien mit, dass sie gegen die Passage Rechtsmittel eingelegt und die Versammlungsbehörde die Auflage daraufhin zurückgezogen habe - ohne Gerichtsentscheid. Zaytouna bezeichnete die Auflagen in ihrem Post als „verleumderisch“, die den Widerstand Palästinas mit „willkürlichem Hass und Gewalt“ gleichsetze. Auch am Samstag äußerte sich der Veranstalter in Reden auf dem Alten Meßplatz ähnlich.

Warum hat die Behörde die Auflage zurückgezogen?

Die Sprecherin der Behörde erklärt auf Anfrage, dass das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) - das für die Entscheidung des Eilverfahrens zuständig war - darauf hingewiesen habe, „dass dieser Teil einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung voraussichtlich nicht standhalten wird“. Deshalb habe die Stadt aufgrund der „geringen Erfolgsaussichten bezüglich der Aufrechterhaltung der Auflage im Verhältnis zur Höhe der Verfahrenskosten“ abgewogen und nach Rücksprache mit den Organisatoren die Passage zurückgezogen. Zu einer Verhandlung kam es nicht. Eine Sprecherin des VG bestätigt das ebenso auf Anfrage.

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Warum wird eine Passage, in der untersagt wird, zu Hass aufzustacheln, die Menschenwürde zu verletzen oder Gewalttaten zu verherrlichen, einer gerichtlichen Prüfung voraussichtlich nicht standhalten?

Laut der Sprecherin des VG ist dafür der Bestimmtheitsgrundsatz verantwortlich. Der besagt - grob erklärt -, dass Gesetze klar und eindeutig formuliert sein müssen. Der Adressat muss also wissen, was er darf und was nicht. Es geht dabei um das Prinzip der Rechtssicherheit. Das VG sah laut der Sprecherin in der entsprechenden Passage „möglicherweise missverständliche Formulierungen und eine unvollständige Wiedergabe der Strafvorschriften“, weil die Auflage lediglich einzelne Punkte aus noch dazu mehreren Paragrafen - 111, 130 und 140 - des Strafgesetzbuches enthielt.

Die Sprecherin der Versammlungsbehörde konkretisiert, dass es sich bei der Passage um Auflagen handle, die „allgemein bereits ohnehin unmittelbar aus dem Gesetz heraus Bestand haben“. Um in einer Auflage auf die Pflicht hinzuweisen, diese Gesetze einzuhalten, hätte es auch hinreichende und konkrete Anlässe gebraucht. Die hat es laut Sprecherin der Versammlungsbehörde „in der jüngeren Vergangenheit“ bei Versammlungen des Veranstalters aber nicht gegeben.

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Bedeutet das dann im Umkehrschluss also, dass die in der Auflage genannten Punkte während der Versammlung erlaubt gewesen sind?

Nein. Diesen Umkehrschluss gibt es natürlich „keinesfalls“, stellt die Gerichtssprecherin klar. „Das Strafgesetzbuch gilt auch für Versammlungen immer.“ Darauf habe man die Organisatoren auch hingewiesen, erklärt die Sprecherin der Versammlungsbehörde.

Ist der Versammlungsbehörde denn bekannt, ob diese Hinweise auch ohne Auflage eingehalten worden sind?

Die Sprecherin erklärt, dass die Polizei während der Demonstration aus dem Bereich des Zuges Ausrufe vernommen hat, „die zumindest den Anfangsverdacht einer Straftat gemäß Paragraf 130 begründen“. Dieser regelt den Straftatbestand der Volksverhetzung. Laut der Sprecherin hat die Polizei deshalb Ermittlungen eingeleitet.

Hat die Versammlungsbehörde diese Auflage denn zum ersten Mal erteilt?

Nein. Die Passage ist bislang sogar „immer“ Bestandteil der Versammlungsauflagen gewesen, erklärt die Sprecherin. „Die Versammlungsbehörde wurde bisher nicht darauf hingewiesen, dass diese Auflage vor Gericht nicht bestehen könnte.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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