Hilfsorganisationen

Warum das Mannheimer Rote Kreuz Alarm schlägt

Es sieht sich "bis an die Grenzen gefordert" und "auf eine harte Probe gestellt": Welche Probleme das Rote Kreuz bei seinem Neujahrsempfang nannte und wo es im Sozialbereich aktiv ist

Von 
Peter W. Ragge
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Haupt- und Ehrenamtliche vom Roten Kreuz haben in der Schlosskirche Beispiele ihrer Arbeit präsentiert. © DRK/Kuon

Mannheim. Das Rote Kreuz sieht sich „auf eine harte Probe gestellt“ und „bis an die Grenzen gefordert“. Das sagte Präsident Tobias Locher beim Neujahrsempfang der Hilfsorganisation in der Schlosskirche. Das vergangene Jahr sei mit „großen Herausforderungen und unvorstellbaren Belastungen“ verbunden gewesen, doch Haupt- und Ehrenamtliche hätten sie „gemeinsam gelöst, um Menschen in Not zu helfen“, dankte er ihnen, forderte aber mehr Unterstützung der Politik.

Locher nannte als Beispiele wachsende soziale Probleme bei sinkenden Zuschüssen sowie für den Sanitätsdienst die zunehmende Zahl von Großveranstaltungen, etwa in der SAP Arena und auf dem Hockenheimring. Dort seien bei einem Event rund 400 Einsatzkräfte nötig.

Der Kreisverband des Roten Kreuzes, der neben dem Stadtgebiet auch den alten Landkreis Mannheim umfasst, zählt in den Bereitschaften für den Sanitätsdienst und Katastrophenschutz, im Jugendrotkreuz sowie im sozialen Bereich rund 1900 Ehrenamtliche. 550 Mitarbeiter sind angestellt, und 13 000 Fördermitglieder helfen bei der Finanzierung. Das vergangene Jahr habe gezeigt, „wie wichtig für uns Zusammenhalt, Mut und Ausdauer sind“, sagte Locher mit Blick auf die gesamte Rotkreuz-Familie. Mit ihrem ehrenamtlichen Engagement lieferten viele Mitglieder ein Beispiel für solidarisches Handeln, doch die politischen Rahmenbedingungen würden immer schwieriger, beklagte der Präsident. Er warnte, dass dies eine Sackgasse bedeute: „Wenn wir weiter den Weg gehen, zahlen wir einen hohen Preis“, forderte Locher von der Politik mehr Anerkennung und bessere Rahmenbedingungen.

Bekämpfung von Armut und Einsamkeit in Mannheim

Sozialbürgermeister Thorsten Riehle würdigte das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen als „starke Partner“ der Stadt. „Gleichzeitig sind sie darauf angewiesen, dass wir sie unterstützen“, wisse er. Nachdrücklich wandte er sich gegen Respektlosigkeiten oder gar Gewalt gegen Einsatzkräfte. „Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis, welche Linie nicht überschritten werden darf“, verlangte Riehle mehr Respekt und Wertschätzung. Besonders anerkennend äußerte er sich darüber, dass das Rote Kreuz in Mannheim und der Region im Sozialbereich so stark aktiv sei.

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Gerade in diesem Jahr legte das Rote Kreuz, sonst in erster Linie als Träger von Rettungs- und Sanitätsdienst bekannt, den Schwerpunkt auf genau diesen sozialen Bereich. „Unsere Mission ist, den Menschen zu helfen, die Hilfe brauchen“, so Präsident Locher. Und das sind immer mehr, unterstrich Geschäftsführerin Christiane Hammoudi. So wachse mit zunehmendem Alter der Bevölkerung der Bedarf an seniorengerechtem Wohnen und Pflegeangeboten. Dafür versuche das Rote Kreuz, gemeinsam mit anderen Wohlfahrtsverbänden Lösungen zu finden. „Unsere Vision ist die Bekämpfung von Einsamkeit, fehlenden Teilhabechancen und Armut“, sagte Hammoudi. Ziel sei, ihnen auch in schwierigen Zeiten ein Zuhause zu bieten.

Dazu hat das Rote Kreuz zum Beispiel 3000 Kunden an seinen Hausnotruf angeschlossen, der auf Wunsch inzwischen auch eine satellitengestützte Ortung bietet – wenn etwa Menschen mit Demenz plötzlich weglaufen. Der Menüservice liefert pro Jahr 55 000 Mahlzeiten an Senioren aus, es gibt bereits drei Standorte für Tagespflege und zwei weitere sind geplant. Schon 25 Jahre alt ist das Mannheimer Franz-Islinger-Haus für betreutes Wohnen – auch da wächst der Bedarf.

Seit zehn Jahren in der Flüchtlingsbetreuung

Dagegen ist Wohnberater Marcus Dannfeld mit einem „Roter Henry“ genannten Kleinbus im Rhein-Neckar-Kreis unterwegs und gibt Tipps, wie sich Wohnungen seniorengerecht umbauen lassen, damit man dort auch im Alter lange bleiben kann. Manchmal reicht die Installation von Handläufen auf beiden Seiten der Treppe. Verstärken will das Rote Kreuz das Angebot von Wohnmöglichkeiten und Beratung für Frauen, die von Gewalt betroffen sind oder die traumatisierte Erfahrungen gesammelt haben. Dazu sollen in Ilvesheim spezielle Schutzwohnungen geschaffen werden, denn außer in Mannheim und Heidelberg gibt es in der Region kein Frauenhaus.

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Es gehe aber auch um „soziales Miteinander und soziale Nähe“, so die Geschäftsführerin. Ein Beispiel für diese Arbeit ist Werner Ost, der mit einem Rettungswagen in Kindergarten fährt und den Kleinen einfühlsam die Angst vor solch einem Fahrzeug und vor Sanitätern nimmt sowie sie in Erste Hilfe einführt. Mit dem Quartierbüro in der Schwetzingerstadt habe das Rote Kreuz schließlich „einen der herzlichsten Orte in Mannheim“ geschaffen, wie Daniel Bockmeyer diese Anlaufstelle beschrieb. Und ergänzend zu den drei Tafel-Standorten gibt es inzwischen ein Tafel-Mobil, das günstige Lebensmittel auf Märkten anbietet.

Schließlich feiet das Rote Kreuz im September einen besonderen Geburtstag. Vor zehn Jahren begann es mit der Flüchtlingsbetreuung, damals in den Franklin-Blocks. „Es hat angefangen mit einem Einsatz für einen Tag, danach waren wir für mehrere Jahre Betreiber“, erinnerte sich Michael Paetrow: „Da haben wir den Menschen, die mit Bussen und Zügen kamen und anfangs gar nicht wussten, wo sie waren, ein Zuhause, einen Alltag geboten.“

Redaktion Chefreporter

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