Mannheim. Fast jeden zweiten Tag sind sie gefordert. Wenn ihr Piepser geht, müssen sie los und sich um verletzte Seelen, verwundete Gemüter, verzweifelte Menschen kümmern. 131 Mal sind in diesem Jahr schon die Notfallseelsorger alarmiert worden.
Dabei haben sie 452 Erwachsene und 45 Kinder betreut. „Die Zahl von 150 Einsätzen erreichen wir bis Jahresende sicher noch“, nimmt Stefan Kraus, ihr katholischer Koordinator, an. 2023 waren es 118 Einsätze gewesen - Tendenz also steigend. Beim „Blaulichtgottesdienst“, der jährlichen Feier der Notfallseelsorger für die Angehörigen von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten, zog er Bilanz.
Zunehmend wichtiger wird die Einsatznachsorge - dass Einsatzkräfte loswerden wollen, was sie erlebt haben, dass sie es verarbeiten müssen
Das Überbringen von Todesnachrichten mit der Polizei, vergebliche Reanimationen, das Einschreiten bei drohenden Suiziden, die Betreuung von Unfallopfern und ihren Angehörigen beschäftigt sie oft. „Zunehmend wichtiger wird die Einsatznachsorge - dass Einsatzkräfte loswerden wollen, was sie erlebt haben, dass sie es verarbeiten müssen“, so Kraus.
Das war besonders dramatisch nach dem Messer-Attentat auf dem Marktplatz, bei dem Polizist Rouven Laur getötet wurde und seine tief geschockten Kollegen intensiv betreut werden mussten. Aber auch ein großer Verkehrsunfall auf der Autobahn mit zahlreichen Opfern forderte die Notfallseelsorger stark.
Notfallseelsorger: Im Ernstfall fahren sie mit Blaulicht
Ein Vertrag zwischen der Evangelischen und der Katholischen Kirche sowie der Stadt regelt den Dienst, den die von Steffen Lupke geleitete Stabsstelle der Feuerwehr organisatorisch unterstützt. Über die Integrierte Leitstelle in der Hauptfeuerwache läuft auch die Alarmierung, und die Freiwillige Feuerwehr Innenstadt übernimmt oft den Fahrdienst - mit Blaulicht, wenn es schnell gehen muss.
Von den derzeit 30 Notfallseelsorgern plus sieben Hospitanten, deren Arbeit Gemeindereferent Kraus und Pfarrer Ulrich Nellen für die Evangelische Kirche koordinieren, stammt aber nur ein ganz kleiner Teil aus dem pastoralen Bereich.
Die Warnwesten und Jacken in lila mit der Aufschrift „Notfallseelsorge“ erhalten auch Menschen anderer Berufsgruppen, die diese Spezialausbildung an der Landesfeuerwehrschule durchlaufen. So Unternehmer Björn Weber, sonst ehrenamtlich bei den Johannitern engagiert. Er wurde von Kraus gesegnet und von Daniela Götz im Kreis der Mitglieder aufgenommen. Dagegen verabschiedete Kraus den Seckenheimer Diakon Wilhelm Merkel, der nach zehn Jahren in dem fordernden Dienst ausgeschieden ist.
Bürgermeister Proffen lobt Engagement der Mannheimer Seelsorger
Es ist ein aufreibender, aber auch „unfassbar wichtiger, ein wunderbarer Dienst“, sagte Bürgermeister Volker Proffen den Notfallseelsorgern. Er habe nach seinem Amtsantritt als Sicherheitsdezernent eine Schicht bei der Feuerwehr absolviert und inzwischen auch eine beim Rettungsdienst.
Seither habe er „den Hauch eines Gespürs“, was einen an Einsatzstellen erwarten könne und in welche Situationen Einsatzkräfte wie Opfer geraten könnten. Daher sei er „sehr, sehr dankbar“ für diesen Dienst. „Sie sind da, wenn andere sie brauchen, sie bieten eine Schulter zum Anlehnen und sind jemand, mit dem man sprechen kann, wenn man überfordert ist“, dankte der Bürgermeister den Notfallseelsorgern.
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Aber auch die brauchen mal einen Moment, wo sie sich besinnen, sammeln, stärken können im Kreis der „Blaulichtfamilie“. Dazu dient der jährliche gemeinsame Gottesdienst, für den dieses Mal Tobias Locher, Präsident vom Kreisverband des Roten Kreuzes, in den Räumen der Tafel in der Lagerstraße gerne als Gastgeber fungierte. „Gut, dass wir einander haben“ stimmte dazu die „Blaulichtband“ an.
„Ihr seid systemrelevant“, rief ihnen der katholische Dekan Karl Jung zu. Auch im Namen seines evangelischen Kollegen Ralph Hartmann dankte er den Notfallseelsorgern aller Konfessionen, auch den vier muslimischen, für ihren wichtigen Dienst. Und er illustrierte mit einem Beispiel, wie wichtig es ist, dass es Menschen gibt, die andere in Krisensituationen auffangen, für sie da sind. So sei er vor einiger Zeit in Freiburg vor einem Dienstgespräch mit dem Erzbischof an einem der berühmten Bächle (Wasserläufe) in der Innenstadt gestolpert. „Es hat mich richtig hingehauen“, so Jung: „Ich lag flach“. Aber vier Frauen wären sofort gekommen, hätten ihm aufgeholfen, die Alarmierung des Rettungsdienstes angeboten, seine Jacke gesäubert und ihn aufgemuntert. Zum Glück sei er nicht verletzt gewesen, aber sehr dankbar für diese schnelle Hilfe.
Appell der Kirche gegen Gewalt an Einsatzkräften
Jung zog daher eine Parallele zwischen den Notfallseelsorgern und allen Angehörigen der „Blaulichtfamilie“ sowie dem Gleichnis von den barmherzigen Samaritern in der Bibel. „Ihr seid moderne barmherzige Samariter“, so der Dekan, „die den Menschen in Not helfen“.
Zugleich verurteilte er Angriffe auf Helfer. Es ist völlig unverständlich, dass Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienste behindert werden oder gar Gewalt gegen sie angewendet wird“, so Jung. Er sehe es als gemeinsame Aufgabe der Politik, der Kirchen und Religionsgemeinschaften, ja aller Menschen an, „gemeinsam dieser Verrohung entgegenzuwirken“, forderte Jung. Menschen, die anderen Menschen helfen, „dürfen nicht auch noch Gefahren ausgesetzt werden“, so der Dekan.
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