Energie

Warum das Heizungsgesetz in Mannheim schon ab 2024 gilt

Nach großem Streit hat sich die Ampel-Koalition zuletzt auf einen Kompromiss beim „Heizungsgesetz" geeinigt. Eigentlich sollte damit der Zeitdruck für Hausbesitzer reduziert werden. In Mannheim ist die Lage jedoch anders

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Martin Geiger
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Etwa zwei Drittel der Haushalte in Mannheim heizen mit Fernwärme – und sind beim Heizungsgesetz fein raus. © Thomas Tröster

Mannheim. Nach monatelangem Streit hat sich die Ampel-Koalition vergangene Woche auf einen Kompromiss beim „Heizungsgesetz“ geeinigt. Und was folgt daraus jetzt? Ein Überblick.

Wie sieht der Kompromiss der Bundesregierung aus?

Das ist gar nicht so einfach zu erklären, weil es – je nach Gegebenheiten – unterschiedliche Lösungen gibt. Eine entscheidende Wende ist jedoch, dass das Heizungsgesetz direkt an die kommunale Wärmeplanung gekoppelt worden ist.

Und was genau bedeutet das nun?

Dass die verschärften Regeln beim Einbau einer neuen Heizung zwar offiziell ab 2024 eingeführt werden – aber erst greifen, wenn eine kommunale Wärmeplanung vorliegt. In dieser beschreiben – ganz grob gesagt – die Städte ihre vorhandene Infrastruktur und wie sie die künftig klimaneutral umbauen möchten. Laut Ampel-Kompromiss muss dieses Konzept spätestens 2028 vorliegen. Das heißt: Für viele gilt das Heizungsgesetz erst dann. In Mannheim greift es aber schon 2024.

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Warum gibt es in Mannheim diese Besonderheit?

Weil die Stadt ihre Wärmeplanung spätestens bis zum Jahresende fertig hat. Denn laut dem baden-württembergischen Klimaschutzgesetz müssen alle Stadtkreise und großen Kreisstädte im Südwesten bis dahin ihr Konzept vorlegen. Damit ist das Bundesland hier Vorreiter.

Was heißt das für Hausbesitzer, die eine neue Heizung brauchen?

Ab jetzt wird es schwammig – denn das neue Gesetz ist noch nicht fertig. Bislang ist der Kompromiss der Ampel-Koalition lediglich auf einem zweiseitigen Papier zusammengefasst. Das heißt, viele wichtige Detailregelungen sind noch offen und werden erst im Laufe der Beratungen im Bundestag, die bis 7. Juli abgeschlossen sein sollen, erarbeitet. Entsprechend sind auch Nachfragen beim Bundeswirtschaftsministerium unergiebig. Lediglich die Grundzüge lassen sich interpretieren.

Welche für Mannheim relevanten Grundzüge stehen bislang fest?

Die Stadt fällt in die Kategorie „Eine Wärmeplanung liegt vor.“ Diese wird nochmal in zwei Bereiche unterteilt: ein „klimaneutrales“ Gasnetz ist vorgesehen – oder nicht. Ab hier hilft nur Interpretation weiter.

Ist in Mannheim ein „klimaneutrales“ Gasnetz geplant?

Tja, dazu gibt es zwei Dinge zu sagen: Erstens ist der Begriff „klimaneutrales“ Gasnetz etwas irreführend. Denn ein Netz ist ein Netz und kann als solches weder klimaneutral sein noch klimaschädigend: Es kommt schlicht auf den Stoff an, der darin transportiert wird. Deshalb erscheint das einzig Logische, dass mit dem Begriff ein Wasserstoffnetz gemeint ist. Zweitens: Mannheim fällt vermutlich in die Kategorie „klimaneutrales Gasnetz ist vorgesehen“. Denn zum einen sind laut Stadt „weite Teile des Netzes der MVV“ bereits heute auf den Wasserstoffeinsatz vorbereitet. Zum anderen haben die Betreiber der Gasfernleitungen angekündigt, dass sie ab 2030 den alternativen Stoff nach Mannheim liefern können. Zudem hat die MVV erklärt, dass sie ab 2035 anstatt Erdgas nur noch klimaneutrale Alternativen vertreiben will.

Und welche Vorschriften gelten dann in unserer Stadt?

Laut dem Ampel-Kompromiss dürfen in diesem Fall weiter Gasheizungen verbaut werden – wenn sie auf Wasserstoff umrüstbar sind.

Welche Gasheizungen können umgerüstet werden?

Tja, auch hier gibt es mehr Fragen als Antworten: Prinzipiell, erklärt Carsten Keller, stellvertretender Obermeister der Innung für Sanitär, Heizung und Klima Rhein-Neckar, können die neuen Geräte der meisten Hersteller bereits bis zu 20 Prozent Wasserstoff mitverbrennen. Serien-Anlagen, die komplett mit dem Brennstoff arbeiten, gebe es aber noch nicht. Darum weiß auch der Experte nicht so recht, was er mit dem Ampel-Papier anfangen soll, und sagt: „Es ist noch alles offen.“

Ist Wasserstoff also die Lösung des Heizungsstreits?

Auf dem Papier scheinbar. In der Praxis wirft das jedoch viele Fragen auf. Denn erstens ist nur der „grüne“ Wasserstoff – also der durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom hergestellte – klimaneutral. Wann dieser in relevanten Mengen zur Verfügung stehen wird, ist aber offen. Und selbst wenn es so weit sein sollte, rechnen die meisten Experten damit, dass er dann nicht zum Heizen verwendet wird – sondern zur Dekarbonisierung der großen klimaschädlichen Industrien wie Stahl oder Zement. Auch in der Koalition ist dieser Punkt offenbar umstritten.

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Wo schwelt der Streit innerhalb der Regierung noch weiter?

Unter anderem bei diesem Punkt. Während die FDP auf „Technologieoffenheit“ drängt, teilt eine Sprecherin des „grünen“ Wirtschaftsministeriums dieser Redaktion mit: „Wasserstoff wird zunächst nicht dafür zur Verfügung stehen, so dass dieser Punkt auch noch im Detail besprochen wird, ob und welche Vorgaben es hier gibt.“ Das Gesetzgebungsverfahren bleibt also spannend.

Und was bedeutet das alles für den Klimaschutz?

Auf Mannheim bezogen dürften die Auswirkungen relativ überschaubar bleiben. Denn zwei Drittel der hiesigen Hausbesitzer heizen mit Fernwärme, die ja bekanntlich bis 2030 zumindest offiziell klimaneutral erzeugt werden soll. Lediglich etwa ein Viertel der Heizungen läuft mit Gas. Bundesweit sieht das jedoch anders aus. Darum bewertet beispielsweise die Deutsche Umwelthilfe den Ampel-Kompromiss als „klimapolitischen Irrsinn“. (mit dpa)

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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