Hobbyköche

Warum Bert Schreiber die "Mannheimer Kochschürze" nicht mehr verleiht

Nach über 50 Jahren hat Bert Schreiber, eine Kurpfälzer Institution, nun im Alter von 89 Jahren die Leitung der Rustikalen Feinschmekerchuchi abgegeben - bei einem wehmütigen Abend

Von 
Peter W. Ragge
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Der traditionelle Löffeltrunk ist geschafft: Hermann Enning (l., mit Löffel) und kniend Christoph Sonntag bei der Verleihung der „Mannheimer Kochschürze“. © Michael Ruffler

Mannheim. Wer einen lustigen Abend erwartet, der hat sich getäuscht. Es wird ein wehmütiger, sehr wehmütiger Abend. Denn auch wenn der populäre Kabarettist Christoph Sonntag beim „Mannheimer Herrenessen“ der Rustikalen Feinschmeckerchuchi die 53. „Mannheimer Kochschürze“ erhält, so ist kaum jemanden an diesem Abend im MVV-Casino zum Lachen zumute. Schließlich ist er zugleich der Abschied von Bert Schreiber, Initiator und Ideengeber, Motor und Macher dieser so ungewöhnlichen wie hochkarätigen Gala. Und ob sie jemals wieder so wird stattfinden können, das bleibt offen.

Die Köche

  • Am Herd standen, angeführt von Hermann Enning, Reiner Baumann, Peter Bausback, Eugen Kettemann, Guido Moch, Stefan Muser, Bernd Nennstiel, Peter Norheimer, Bernd Otto, Chaco Tsagogiorgas und Roland Teutsch.
  • Mitgeholfen haben auch Klaus Curth, Hans-Jürgen Farrenkopf und Franco Troncone, den Service leitete Nico Muzzi.
  • Die Dekoration gestalteten Bernd Otto und Peter Bausback. Künstler Werner Menrad, Galerie Menrad Ladenburg, malte die Speisekarte.
  • Franz Lambert, selbst 2001 mit der Kochschürze ausgezeichnet, sorgte für die Musik. Eichbaum, MVV, Grimminger, der Fleischgroßhandel Baumann Viernheim sowie erstmals die Odenwald-Quelle zählen zu den großen Unterstützern

Schon den ganzen Abend liegt Abschiedsstimmung in der Luft. Aufhorchen lässt gleich, dass Schreiber die zahlreiche Prominenz nicht sofort mit der üblichen Floskel Satz „Wer hier isst, ist wer!“ begrüßt. Vielmehr beginnt der 89-Jährige mit dem Satz, „dass ich heute hier oder noch sitzen kann“, verdanke er allein den Ärzten und Professoren des Universitätsklinikums. Alle in der Stadt könnten „auf solche Koryphäen stolz sein“, und er sei ihnen „sehr, sehr dankbar“, sagt er gerührt.

Emotionaler Dank

So emotional geht es weiter. Dass Bert Schreiber seinen Sponsoren, von denen er viele „Freund“ oder „guter Freund“ nennt, dankt, ist üblich. Aber diesmal tut er es so innig, so ausführlich, so herzlich, dass es sich wie eine Bilanz anhört. Und mit Blick auf die Zukunft fällt dann noch der Satz „Wenn ich da noch da bin.“ Seine Laudatio auf den neuen Träger der Kochschürze hält Bert Schreiber auch nicht, wie sonst, im Stehen, sondern er bleibt auf seinem Stuhl. Er sei schon „dankbar, dass ich sitzen kann und darf“, erklärt er das.

In der Laudatio wird aber wieder das deutlich, was Bert Schreiber über Jahrzehnte auszeichnete. Er nennt die von ihm erfundene Auszeichnung „ein bescheidenes Stück weißen Stoff“ – und macht dann doch deutlich, dass es mehr, viel mehr ist, nämlich eine allein durch sein Talent, seine Beziehungen weit über Mannheim hinaus ausstrahlende Auszeichnung, die schon an 52 hochrangige Politiker, Sportler, Showmaster, Sterneköche und andere Prominente ging.

Die Voraussetzung ist stets, dass die Person bewiesen hat, dass sie „zu rühren versteht“, wie es Schreiber stets formuliert, und in ihrem Metier Maßgebliches geleistet hat. Ein Kabarettist indes war noch nie bei den Geehrten. Aber Christoph Sonntag sei „offen, immer strahlend, nie um ein Bonmot verlegen“ und mit seiner „Schlagfertigkeit und seinem gewinnenden Lächeln“ sicherlich eine Bereicherung für den auserwählten Kreis, charakterisiert Schreiber den schwäbischen Kabarettisten, der durch seine Fastenpredigten als „Christopherus“ ebenso bekannt geworden ist wie durch seine „Stiphtung“ und als Hobbykoch.

„Üble Verdächtigungen“

Aber Schreiber spricht ebenso offen darüber, dass er gewarnt worden sei, Christoph Sonntag auszuzeichnen. Denn seit der Entscheidung Ende 2019 hat es kein „Mannheimer Herrenessen“ mehr gegeben – die als „Schaffermahlzeit des Südens“ geltende kulinarische Gala musste wegen der Corona-Pandemie zweieinhalb Jahre pausieren. Und wegen kurzfristiger Krankheitsabsagen umfasst die exklusive Runde dieses Mal weniger als die üblichen 111 handverlesenen Herren.

Seit der Nominierung 2019 hat Sonntag indes nicht nur als Kabarettist Schlagzeilen gemacht. Schreiber nennt ihn „Spielball der Presse“, spricht von „üblen Verdächtigungen“ und davon, dass der Kabarettist habe „leidvolle Erfahrungen machen müssen“. Gemeint sind zwei staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, entstanden im Zuge eines Scheidungskriegs und beide längst eingestellt.

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„Eine Einstellung wegen mangelndem Tatverdacht“, wie Sonntag betont. Aber es könne sein, dass einem „so etwas vernichtet“, bekennt er: „Du kommst aus der Mühle nicht raus.“ Nun fühlt er sich aber wieder gut und „sehr geehrt“ durch die Verleihung der „Mannheimer Kochschürze“, die er als „enorme Bereicherung“ empfinde.

Aber sie läuft anders ab als in den über 50 Jahren zuvor – nämlich ohne Bert Schreiber, der sonst immer den Kochhut übergeben, die Schürze umgebunden und den Geehrten aufgefordert hat, niederzuknien und aus einem riesigen silbernen Löffel Champagner zu trinken. Mit diesem Tag beende er nämlich seine Tätigkeit für die Feinschmeckerchuchi, sagt Schreiber das, was sich zuvor schon angedeutet hat. „Vollziehe Du die Ehrung“, übergibt er sein Amt offiziell an seinen, wie er sagt, „unschätzbaren Freund“ Hermann Enning. Zugleich kündigt er aber an, solange er könne, werde er „nicht aufhören, dazwischenzuquatschen“.

Christoph Sonntag meint dann zwar nach der Ehrung, er wolle nun „schon noch ein bisschen lustig sein“ und er versucht drei Pointen. Aber es bleibt beim Versuch. Kaum einer lacht, alle Gäste erheben sich zu Ehren von Bert Schreiber und eilen zum – von Franz Lambert gespielten – Triumphmarsch zu ihm, um ihm die Hand zu drücken.

Redaktion Chefreporter

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