Mannheim. Abschiedsstimmung bei den Katholiken: Ende des Jahres wird das Stadtdekanat aufgelöst. Nach 124 Jahren gibt es dann eine neue Organisationsform. „Eine gewaltige Umstrukturierung“, so Dekan Karl Jung, der jetzt letztmals in dieser Funktion zum Neujahrsempfang geladen hatte. Schon im Frühjahr wird er seine Wohnung in A 4 räumen und in das Caritas-Haus in B 4 ziehen. Er wolle dazu beitragen, dass „dem neuen Leitungsteam ein reibungsloser Start gelingen kann“, so Jung, dessen Nachfolger - ab 2026 dann mit dem Titel Leitender Pfarrer - Lukas Glocker wird.
Dass Jung nach seiner aktiven Zeit in Mannheim bleibt - dafür gab es kräftigen Beifall. „Welche kleineren Aufgaben ich dann übernehme, wird sich zeigen“, so der 65-Jährige, der am 1. Oktober seit 20 Jahren Stadtdekan ist. Bis Jahresende wolle er die Umstrukturierung begleiten und mit vorantreiben, so Jung. „Das erfordert Mitdenken, Mitbeten, Mithandeln“, rief er die rund 77 000 Katholiken in Mannheim, Ilvesheim und Edingen-Neckarhausen auf, die ab 2025 gemeinsam eine Pfarrei mit dem Namen St. Sebastian bilden.
Zahl der Kirchenaustritte ist in Mannheim zurückgegangen
Bei seinem letzten Empfang appellierte er an die Gläubigen, sie sollten „die Gottesfrage wachhalten“, denn ihr Glaube führe zu mehr Respekt, Toleranz und letztlich zu mehr Menschlichkeit. Dazu warb Jung für mehr öffentliche Präsenz der Kirche, denn nur dann werde sie als gesellschaftsrelevante Kraft wahrgenommen. Nötig sei „Nähe zu den Menschen“. Es müsse ihr gelingen, „lebendiger, begeisternder“ für ihre Sache einzutreten. Zugleich bat er, auch angesichts veränderter Strukturen, für Optimismus: Der christliche Glaube sei ein Glaube der Hoffnung, „und diesen Weg der Hoffnung sollten wir gehen“.
Zudem legte er den Katholiken die Ökumene ans Herz. „Das war mir immer ein wichtiges Grundanliegen, ein Kernbestand meines Wirkens“, so Jung. Dabei erinnerte er daran, dass der Text des gemeinsamen Glaubensbekenntnisses auf das Jahr 325 zurückgehe und damit 2025 Jubiläum habe. Deutlich wandte er sich „gegen Antisemitismus und ausgrenzende Polarisierung“ und wünschte sich, „dass die Religionsgemeinschaften wieder mehr wertgeschätzt werden“.
Jung räumte ein, dass im Zuge der Umstrukturierung Gemeindehäuser und Kirchen aufgegeben werden und damit Räume für die Gemeinschaft fehlen. Er hoffe, dass es an vielen Stellen gelinge, „dass trotzdem der Gemeinschaftscharakter erhalten bleiben kann“ und verwies auf das Beispiel der Kirche St. Hildegard in Käfertal-Süd, die gerade zu einer Pflege- und Erzieherinnenschule der Caritas umgebaut wird. Dabei ist die Zahl der Kirchenaustritte zurückgegangen: 1231 Menschen erklärten 2024 ihren Austritt, im Jahr zuvor waren es 1687. „Es sind weniger, aber es ist dennoch eine hohe Zahl, das treibt mich um“, bedauerte Jung und wünschte sich, dass es „gelingt, die Kirche wieder mehr zum Hoffnungsraum für Menschen werden zu lassen, wo Barmherzigkeit gelebt wird“, so der Dekan.
„An Ihnen, an Euch liegt das nicht“, wandte sich Oberbürgermeister Christian Specht an Jung sowie seinen evangelischen Amtskollegen Ralph Hartmann. „Wenn alle so wären, alle so Glaube, Hoffnung, Zuversicht vermitteln würden, wie sie das ökumenisch tun, würden die Zahlen anders aussehen“, meinte der OB. Dabei hoffe er, „dass man das bis Freiburg hört und auch bis über die Alpen“, sagte er in Anspielung auf das erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg und den Papst in Rom. Karl Jung habe als Dekan „einen großartigen Job“ gemacht: „Er war ein Riesengewinn für die Stadt und die Menschen“, dankte Specht und lud Jung zu einer Abschiedstour auf die „Mannheimer Hütte“ (Vorarlberg) vom Alpenverein ein.
Der Oberbürgermeister betonte, dass die Kirchen „nicht nur bei schönem Wetter, sondern auch in schweren Stunden“ gut mit der Stadt zusammenarbeiteten - etwa nach dem Mord an dem Polizisten Rouven Laur. Zugleich dankte Specht den Kirchen, dass sie sich trotz aller finanziellen Herausforderungen an „Bildung und Erziehung für Kinder beteiligen und ihnen Werte vermitteln“, wie er auf Kindergärten und Schulen verwies: „Bitte zieht Euch nicht zurück“, bat er die Kirche. Auch Caritas und Diakonie leisteten „großartige Arbeit“, so der OB: „Ich könnte mir nicht vorstellen wie die Stadt ohne Caritas und Diakonie aussehen würde.“
Klares Bekenntnis zur Ökumene
Der evangelische Dekan Ralph Hartmann bedauerte den baldigen Abschied von Karl Jung. „Die Ökumene geht voran, aber langsam“, plädierte er für die Fortsetzung und hoffte zugleich, dass die bislang zwei ökumenisch genutzten Kirchen in Neuostheim und Käfertal „erst ein Anfang“ seien und es nicht bei Gebäuden bleibe: „Strahlkraft erreichen wir erst, wenn wir auch die Arbeit verbinden“, sagte er. Zugleich wünschte er sich mit Blick auf die politische Auseinandersetzung eine „Ökumene der Demokraten“.
Dekanatsratsvorsitzender Hansheinrich Beha bestätigte als Repräsentant der über 3000 Ehrenamtlichen der katholischen Kirche in Mannheim, dass diese in die Erarbeitung der neuen Konzepte einbezogen gewesen seien. Zugleich deutete er aber an, dass man diese „in Zukunft gegebenenfalls anpassen muss“. Er warb dafür, jetzt „manche individuelle Unzufriedenheit zu ertragen“. Dabei vertraue er in die Zusage Jesu für alle Christen: „Fürchtet Euch nicht!“ Auch die Amtszeit von Beha endet zum Jahresende, er kandidiert dann nicht mehr.
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