Filmschätze - Aufnahmen eines Polizisten erinnern auf besondere Weise an die Eröffnung der Bundesgartenschau 1975 mit dem damaligen Bundespräsidenten

Walter Scheel unter gelbem Dach

Von 
Peter W. Ragge
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Solch eine Perspektive hatte sonst niemand: Bei der Eröffnung der Bundesgartenschau 1975 war Udo Günther als Polizist mit ganz besonderer Funktion im Einsatz, denn als Teil vom „Filmtrupp“ dokumentierte er diesen für Mannheim großen Tag. Inzwischen ehrenamtlich für das Marchivum tätig, hat er nun seine damaligen, insgesamt zwölfeinhalb Minuten langen Aufnahmen zur Digitalisierung für die Filmschätze des Mannheimer Archivs zur Verfügung gestellt.

„Udo zeigt“ hat er den Film, in dem die dienstliche und später eine private Perspektive sich mischen, betitelt. Die erste Aufnahme zeigt groß das Logo der damaligen Bundesgartenschau, das – leicht verändert – noch heute verwendet wird. Den 1972 ausgeschriebenen Wettbewerb für Plakat und Logo hatte damals der Anfang 2018 verstorbene Künstler und Grafikdesigner Reinhard Lorenz aus Achern gewonnen, dessen „grüner Baum“ zugleich die Quadrate der Innenstadt symbolisieren soll. Dafür erhielt er in Toronto auf der „Royal Agricultural Winterfair“ den ersten Preis.

Dann sieht man den Vorplatz des Rosengartens am 18. April 1975 – dem Tag der offiziellen Eröffnung. Da rollen sie alle vor, die prominenten Gäste – mit Sicherheitsbeamten zwar, aber noch nicht so abgeschirmt wie heute. Der seinerzeitige Bundespräsident Walter Scheel ist zu sehen und der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der gebürtige Mannheimer Hans Filbinger. Rudolf Grentrup, damals Polizei-Oberrat und später lange Mannheims Schutzpolizeichef, legt korrekt die Hand an die Schirmmütze zum militärischen Gruß für die hohen Herrschaften – Mitte der 1970er Jahre auch für Polizisten noch durchaus üblich.

Zur Begrüßung der Prominenz bietet Mannheim kräftig-prächtige Florentiner Fahnenschwinger in farbenfrohen Landsknechts-Uniformen, mit machtvollem Trommelwirbel und hell schmetternden Trompetenklängen. Auf dem Rosengartenvorplatz sind so viele Fotografen und Kameramänner, dass man sich wohl auch gegenseitig aufgenommen hat – jedenfalls ist im Zusammenschnitt des Films auch Udo Günther an der Kamera zu sehen. In den Mozartsaal (erst ein paar Monate vorher fertig geworden) dürfen nur gut 2000 geladene Gäste.

Aber später gibt es dann das „Bad in der Menge“ der hochrangigen Gäste. Begleitet von Oberbürgermeister Ludwig Ratzel und Werner Haas, dem Technischen Geschäftsführer der Bundesgartenschau, besuchen Scheel und Filbinger die beiden Parks. Den Anfang machen sie im Herzogenried. Per Aerobus – eine Art moderne, neuartige Seilbahn – schweben Scheel, Filbinger und Ratzel dann in den Luisenpark. Parallel fährt unten auf der Straße ein Notarztwagen – man weiß ja nie. Nach dem Mittagessen im Fernmeldeturm erlebt Scheel im Luisenpark das, was er morgens vorhergesagt hat – den „Strom der Besucher“. Er schiebt sich durch die Menge, streichelt aber dennoch Kinder, fährt Gondoletta (von einem stets gut Abstand haltenden Motorboot mit zwei Leibwächtern begleitet) und sieht wegen der gelben Sonnendächer viele Parallelen zu seinem Lieblingslied „Hoch auf dem gelben Wagen“. Und immer winkt er in die Menge . . .

Dann ein rascher Perspektivwechsel. Nun zeigt der Film offenbar private Aufnahmen von Udo Günther, als die Prominenz weg ist, die Dämmerung eingesetzt hat. Er zoomt den Fernmeldeturm heran, die begrünten und blühenden Ufer. Und stets gleitet langsam die Gondoletta durch den Kutzerweiher – damals wie heute eine Attraktion.

Stahlseil im See

Sie geht zurück auf die Firma Intamin, ein Seilbahn- und Achterbahnhersteller aus der Schweiz, und ist ähnlich auch im Freizeitpark Efteling in den Niederlanden im Einsatz. Die Anlage funktioniert wie eine Seilbahn. Die an einem Stahlseil laufenden Boote werden von zwei Antriebsrollen mit Hydraulikmotoren bewegt, die sich unter Wasser am Ende des Kutzerweihers befinden.

Die derzeit 45 Kunststoffboote mit den gelben Dächern sind mit einer Gleitkupplung an einem unter Wasser verlaufenden Stahlseil befestigt. Das lässt die Boote die 1840 Meter lange, 40 Minuten dauernde Strecke über das Wasser gleiten. Im Film sind die Dächer der Boote noch strahlend gelb, das Kunststoff-Dach der Haltestelle Fernmeldeturm blütenweiß. Längst sieht man da aber viel Dreck.

Lokales

Filmschätze: Bundesgartenschau (BUGA) 1975

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Redaktion Chefreporter

Thema : Filmschätze retten

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