Schönau 1992

"Vorort der Gegensätze": Wie der "MM" über die Schönau berichtete

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Mannheim. „Siedlerfleiß in Reih und Glied, Schaffen, Sparen, Eigenheim bauen und Garten pflegen, dafür ist ein Teil der Schönau bekannt“, heißt in einem Artikel des „Mannheimer Morgen“ vom 11. Juni 1992. Dass der nördliche Stadtteil vor 30 Jahren nicht nur beschauliches Bürgertum zu bieten hatte, sondern auch für soziale Ungleichheiten stand, verdeutlicht der nächste Absatz im Text: „Der andere, im nördlichen Bereich jenseits der Lilienthalstraße steht gerade und grau für Probleme. Ein Vorort der Gegensätze“.

Eben jener Vorort machte in Mai und Juni 92 besonders unrühmliche Schlagzeilen, als an mehreren Tagen gegen Asylbewerber, die in der Gendarmeriekaserne untergebracht waren, demonstriert wird.

Die Schönau ist kein alter Mannheimer Stadtteil, ihre Ursprünge reichen in die 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Der Name bezieht sich auf das einstige bei Heidelberg bestehende Zisterzienser-Kloster. „Es waren zunächst sozial schwache Menschen, die hier in der Weimarer Zeit ihre bescheidenen Häuser erbauten“, schreibt der „MM“ im Juni 1992.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele Gebäude zerstört waren, erlebte die Schönau einen Bauboom. Zahlreiche Flüchtlinge wurden hier angesiedelt - die Straßennamen erinnern daran. Der Arbeiteranteil betrug 1961 65 Prozent. 30 Jahre später schreibt der „MM“, dass „die Sozialhilfezahlen auf der Schönau weit über Mannheimer Durchschnitt liegen“ und der Akademikeranteil mit 1,8 Prozent der geringste sei. Und nirgendwo in Mannheim sei die Jugendstrafffälligkeit höher. „Hier hängen sie rum, die vielen Kids ohne Schulabschluß und sind schnell drin im Drogenrausch und Alkoholsumpf“, so heißt es im „MM“.

Über 14 000 Menschen lebten Ende April 92 auf der Schönau. Die Gendarmeriekaserne stand zu dieser Zeit schon besonders im Blickpunkt des Interesses. 1991 wurde sie von den Amerikanern in den Besitz des Landes übergeben. Als bekannt wurde, dass 300 Asylbewerber einziehen sollen, war der Bürgerprotest groß. Der Unzufriedenheit der Schönauer zeigte sich auch bei der Landtagswahl im April 1992: Die rechtsradikalen Republikaner holten in der SPD-Hochburg Schönau 16,6 Prozent - weit mehr als im Landesdurchschnitt. tbö

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