Gibt es sie noch?

Von wegen am Ende: Zu Gast auf einer Tupperparty in Mannheim

Kleiner Geizhals, Klima-Oase, Ruckizucki: Tupperware-Fans wissen, was gemeint ist. Trotz Insolvenz in den USA: Die Verkaufsabende gibt es in Mannheim noch. Der "MM" hat eine Beraterin zu einer Tupperparty begleitet

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Florian Karlein
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Schüsseln im Vordergrund? Nein, auf der Tupperparty auf der Schönau werden vor allem andere Küchenhelfer vorgestellt. © Florian Karlein

Mannheim. Der Zip-Beutel der Zukunft ist aus Silikon“, sagt Conny Fackel. Und, geht es nach ihr, ist er spülmaschinenfest, gefriertauglich - und natürlich von Tupperware. Selbstredend hat die erfahrene Verkäuferin - oder Beraterin, wie es im Unternehmen Tupperware heißt - einige Exemplare schon dabei, präsentiert die bunten Taschen ihren zehn Zuhörerinnen. Zum ersten Mal auf dieser Tupperparty in Mannheim reagiert Fackels Publikum erstaunt. Tupperware kann also immer noch begeistern. Aber scheinbar nicht mehr mit den klassischen Schüsseln, mit denen das US-amerikanische Unternehmen einst groß wurde.

Die Stimmung ist entspannt in dem Wohnzimmer im Mannheimer Stadtteil Schönau, ein Reihenmittelhaus in Sichtweite der A 6. Rund um einen Bierzelttisch sitzen die Gastgeberin und neun eingeladene Frauen aus nahezu jeder Altersklasse. Es gibt süße und salzige Snacks, Sekt und Aperol Spritz. Ein Mädelsabend mit profitorientiertem Showact: Conny Fackel. Ihren Namen kennen in der Welt von Tupperware alle.

Halten die Mannheimerinnen Tupperware für altmodisch?

Dass es zwischen der Tupperware-Beraterin und ihren Zuhörinnen auf Anhieb passt, merkt man. Fackel, kurz vor ihrem 63. Geburtstag, blonde Kurzhaarfrisur, pinkfarbenes Oberteil und die passenden lässigen Sneaker dazu, legt los wie die Feuerwehr. Sie kennt die Produktpalette des Unternehmens in- und auswendig, warnt vor falscher Benutzung, gibt Reinigungs- und Aufbewahrungstipps. Ihre Worte fetzen durch den Raum. Aus ihrer Kurpfälzer Heimat macht sie sprachlich kein Geheimnis. Dass ihre Stimme nach einer Schilddrüsen-Operation etwas angeschlagen ist, bremst den Tupper-Heißsporn nicht. Und sie versprüht Charme und Selbstbewusstsein: „Es gibt keinen Abend, an dem ich nicht verkaufe“, sagt sie in die Runde.

Katalog, Bestellzettel, Snacks: Eine ganz normale Tupperparty. © Florian Karlein

Auch an diesem Abend auf der Schönau wird sie rechtbehalten. Nach nicht einmal einer Stunde beginnen die ersten Frauen, ihren Bestellzettel vor sich auf dem Tisch auszufüllen. Altmodisch mit einem Kugelschreiber. Auch wenn Tupperware und seine Beraterinnen und Berater sich während der Corona-Pandemie mit digitalen Whatsapp-Partys über Wasser gehalten haben, ist in Sachen Digitalisierung noch Luft nach oben. „Das kennt man alles schon von Oma und Schwiegermutter“, wirft eine Frau ein. Hat Tupperware so ein altmodisches Image? Ja, da ist sich die Frauenrunde am Bierzelttisch einig.

Auf den analogen Bestellzetteln landen vor allem Silikon-Produkte: die Backunterlage und eben die Zip-Beutel. Und die kosten immerhin 34,90 und 33,90 Euro. Am Ende nimmt Conny Fackel von den zehn Frauen Bestellungen im Wert von fast 600 Euro entgegen. 24 Prozent Provision gehören ihr. „Ich hätte nie gedacht, dass ich tatsächlich etwas bestelle“, sagt eine junge Frau. Doch genau so funktionieren die Verkaufsabende. Viele Gäste lassen sich einfach mitreißen.

Zahl der Tupper-Beraterinnen in Mannheim stark eingebrochen

Wie viele Tupperpartys es so gibt? Auf diese und ähnliche Fragen gibt die Zentrale von Tupperware Deutschland in Frankfurt keine Auskunft, verweist auf das Hauptquartier in Orlando. Dort hatte der Konzern im September einen Insolvenzantrag gestellt. Wenig überraschend hat der „MM“ aus dem US-Bundesstaat Florida bislang keine Antwort darauf bekommen, wie viele Verkäuferinnen und Verkäufer für Tupperware in Mannheim aktiv sind.

Verkauft seit fast 25 Jahren Produkte von Tupperware: Conny Fackel. © Florian Karlein

Dafür spricht Melanie Ragaller mit der Redaktion. Als sogenannte Bezirkshändlerin betreut sie die Beraterinnen und Berater in einer Region - von Landau aus auch die aus Mannheim. In der Quadratestadt gibt es seit der Corona-Pandemie keine eigene Bezirkshandlung mehr. Ragaller schätzt, dass in Mannheim etwa 30 Verkäuferinnen mit Tupperpartys aktiv sind - vor zehn Jahren sollen es 300 bis 400 gewesen sein. Bundesweit ist die Zahl laut Ragaller von in der Spitze 60 000 auf 10 000 eingebrochen. Der Anteil von Männern, die Tupper verkaufen, sei verschwindend gering. Auch wenn es weniger Tupperpartys gibt als früher, sagt Ragaller: „Die Produkte sind gefragt, die Partys auch. Aber viele wollen nicht Gastgeber, sondern nur Gast sein.“

Drei Tupperpartys an einem Samstag keine Seltenheit

Conny Fackel ist im Januar genau 25 Jahre dabei. Ein Vierteljahrhundert unterwegs im Auftrag von Tupper. Ein Blatt - und vielleicht ist das ihr Verkaufsgeheimnis - nimmt sie nicht vor den Mund. „Ich wollte nie Beraterin werden“, erklärt sie. Aber als sie damals in ihren Job zurückwollte, stellte sie fest: „Der Computer ist bis heute nicht mein bester Freund.“ Also hat sie sich etwas anderes gesucht. „Ich habe viel erlebt in all den Jahren, und es macht immer noch Spaß.“

© Alex Puhovoy - stock.adobe.com

Viele Jahre galt sie als eine der besten Verkäuferinnen in ganz Deutschland. „Sieben oder acht Partys in einer Woche“, sagt sie, waren früher keine Seltenheit. Gern auch mal drei an einem Samstag: morgens, mittags und abends. Heute macht Fackel, die in Plankstadt wohnt, weniger. Obwohl die Vorführung auf der Schönau eine von vier in dieser Woche ist. „Dafür habe ich nächste Woche gar keine“, schiebt sie fast flüsternd hinterher. Zumindest bis jetzt. Denn mit zwei Frauen vereinbart sie noch im Wohnzimmer eine Tupperparty.

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Eine der beiden Frauen ist das erste Mal überhaupt auf einer Tupperparty. Eigentlich ist ihr Hauptauftrag, einen Behälter und einen Deckel umzutauschen. Ein Klassiker auf solchen Abenden, der bei den Verkäuferinnen nicht besonders beliebt ist. Ein Umtausch macht Arbeit, aber keinen Umsatz. Bis zu 30 Jahre Garantie verspricht das Unternehmen seit jeher. Gut für Fackel: Auf dem Bestellformular der Frau finden sich schon fünf Einträge. „Je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr Dinge finde ich gut“, sagt die Frau.

Bei der Tupperparty auf der Schönau wird live gekocht

Kleiner Geizhals, Klima-Oase und Ruckizucki: Fackel hat wahrscheinlich jedes Produkt von Tupperware irgendwo zuhause. In der Küche nutzt sie die gern, wie sie die Frauen mit heiteren Anekdoten wissen lässt. Wie sehr sie dafür brennt, spüren alle im Raum. Um ihre Zuhörerinnen mit ihrer Leidenschaft anzustecken, kocht sie live. Liebe geht ja durch den Magen - Verkäufe vielleicht auch? Es gibt überbackene Brezeln nach Flammkuchen-Art. Kurz nach 19 Uhr wird frisch aus dem Ofen serviert. Und spätestens jetzt klicken die Kugelschreiber über den Bestellformularen.

Nach 90 Minuten ist die Show vorbei. Fazit: Nicht alles ist bei Tupperware noch so wie früher. Seit der Corona-Pandemie gibt es kein Gratis-Produkt mehr für jeden Gast. Auch die Autos für besonders erfolgreiche Verkäuferinnen, die bis vor einigen Jahren auf den Straßen aufgefallen sind, gibt es nicht mehr. Und doch fühlt sich vieles noch so an wie in den Goldenen Jahren der bunten Schüsseln. Zumindest für diesen Abend auf der Schönau gilt: Die Tupperparty ist noch nicht zu Ende.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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