Gemeinderat

Mannheim ab 2035 ohne Gasnetz: Das sagt die Politik dazu

Bis 2035 will die MVV das Gasnetz in Mannheim stilllegen - und damit alle Gasheizungen. Die Kommunalpolitik hat davon aus einem "MM"-Bericht erfahren. Die Reaktionen auf den Plan sind unterschiedlich

Von 
Timo Schmidhuber und Martin Geiger
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In Mannheim werden derzeit 37 Prozent der Gebäude mit Gas geheizt. Im Jahr 2035 soll damit Schluss sein. © dpa

Mannheim. Dass der Energieversorger MVV das Mannheimer Erdgasnetz und damit alle Gasheizungen in der Stadt bis zum Jahr 2035 stilllegen will, haben die Fraktionen im Gemeinderat aus einem „MM“-Bericht erfahren. Viele sind deshalb verärgert über die Kommunikation bei diesem wichtigen Thema. Die inhaltliche Bewertung dagegen fällt unterschiedlich aus. Ein Überblick, was die Fraktionen vom Gasnetz-Plan halten.

Grüne/Die Partei

Die Fraktion von Grünen/Die Partei kann den MVV-Plan nachvollziehen. „Die Entscheidung, die Gasnetze stillzulegen, ist eine marktwirtschaftliche Entscheidung der MVV, da fossile Energieträger immer teurer werden“, erklärt die Fraktion. „Grüne Energie wird langfristig die günstigere und verlässlichere Alternative sein.“ Die Grünen sehen die MVV jetzt allerdings „in der Pflicht, Beratungs- und Fördermöglichkeiten weiter auszubauen“. Die Fraktion versichert: „Niemand wird auf diesem Weg zurückgelassen - wir sind fest entschlossen, einen gerechten Wandel zu gewährleisten, von dem alle profitieren.“

CDU

Die CDU-Fraktion hätte sich von der MVV, die ja mehrheitlich der Stadt Mannheim gehört, eine „frühzeitige Information und Einbindung der Politik“ gewünscht. Aus Sicht der Christdemokraten sind Beschlüsse der geplatzten Ampel-Koalition der Grund für den MVV-Gasnetz-Plan. Diese Beschlüsse sorgten für steigende Netzentgelte und höhere Gaspreise. Die Ampel habe nicht an die Hausbesitzer gedacht, „die nunmehr vor großen finanziellen Herausforderungen stehen“, kritisiert CDU-Stadtrat Lennart Christ. Fraktionschef Claudius Kranz erklärt, viele Mannheimer, die keinen Fernwärme-Anschluss bekämen, hätten in moderne Gasanlagen investiert. Das geplante Ausstiegsszenario müsse jetzt dringend im MVV-Aufsichtsrat beraten werden. „Den 25 000 Gaskunden in Mannheim muss eine bezahlbare Wärme- und Energiemöglichkeit in allen Wohngebieten angeboten werden.“

SPD

Dass die MVV „mittelfristig“ kein Gas mehr liefern werde, sei bekannt gewesen, sagt SPD-Fraktionschef Reinhold Götz. Von der geplanten Stilllegung des Gasnetzes im Jahr 2035 habe aber auch er aus dem „MM“ erfahren, kritisiert Götz. „Wir erwarten nun umgehend vom Unternehmen und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Oberbürgermeister Specht entsprechende Informationen und vor allem auch belastbare Aussagen darüber, welche konkreten Unterstützungen und Angebote den bisherigen Gaskunden unterbreitet werden sollen“, so der Sozialdemokrat. „Vor allem muss über den Zeitpunkt einer möglichen Stilllegung des Netzes nachgedacht werden.“ SPD-Stadtrat Bernhard Boll betont, mit der „plötzlichen Festlegung“ für ein Ende des Gasnetzes drohe „eine soziale Unwucht in den Stadtteilen, die nicht für den Fernwärmeanschluss vorgesehen sind“. Daher brauche es nun schnell „einen Fahrplan, wie der Umbau auf erneuerbare Energien gelingen und geschultert werden kann“.

AfD

„Es ist unverantwortlich, eine über Jahrzehnte hinweg für viel Geld aufgebaute und gepflegte Infrastruktur zu zerstören“, kommentieren AfD-Fraktionschef Jörg Finkler und Stadtrat Rüdiger Ernst die MVV-Pläne. Viele Bürger hätten sich eine neue Gasheizung angeschafft oder ihre bestehende erst für viel Geld erneuert. „Sie stehen jetzt vor einem finanziellen Totalverlust.“ Eine Stilllegung des Gasnetzes bis 2035 sei von der MVV „nie so kommuniziert“ worden - auch wenn die AfD-Fraktion nach eigenen Angaben genau dies befürchtet hat. In einem „MM“-Interview 2022 habe MVV-Technik-Vorstand Hansjörg Roll klargestellt, dass in Mannheim der Gashahn 2035 nicht zugedreht werde - sondern die MVV jedem, der das wolle, Biomethan oder Wasserstoff liefere. „Auf diese Zusage haben sich damals viele Bürger verlassen“, so die AfD.

LTK - Linke, Tierschutzpartei und Klimaliste

Große Zustimmung gibt es für die MVV-Pläne in der Fraktion aus Linken, Tierschutzpartei und Klimaliste (LTK). Die Netzentgelte für das Gasnetz müssten auf eine sinkende Zahl von Verbrauchern umgelegt werden. Gleichzeitig sei „seit Längerem bekannt“, dass eine Umstellung auf Wasserstoff aus Kosten- und Kapazitätsgründen für Privathaushalte nicht realisierbar sei, erklärt Klimaliste-Stadträtin Jessica Martin. „Daher ist es nur konsequent, die Entscheidung frühzeitig zu fällen.“ Hausbesitzer hätten nun die Möglichkeit, „sich in den nächsten zehn Jahren an das Fernwärmenetz anschließen zu lassen oder sich auf eine Wärmepumpe umzustellen“. Linken-Stadtrat Dennis Ulas verlangt für Hausbesitzer allerdings Förderprogramme.

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FDP/MfM

„Wir sind irritiert, um nicht zu sagen verärgert, eine so tiefgreifende Entscheidung einer städtischen Tochter über die Presse zu erfahren“, sagt die Fraktion von FDP/Mittelstand für Mannheim (MfM) zum Vorgehen der MVV. „Wir sind entsetzt, dass die MVV das Gasnetz 2035 stilllegen und rund 25 000 Haushalte zwingen will, innerhalb von zehn Jahren ihre Heizungen zu tauschen, unabhängig davon, ob diese funktionsfähig sind oder nicht.“ Das sei weder vom Heizungsgesetz so vorgesehen noch ein fairer Umgang eines kommunalen Unternehmens. Nach Angaben von FDP/MfM ist außerdem zu prüfen, ob der MVV-Plan ohne Genehmigung der Bundesnetzagentur rechtlich möglich sei. „Das Gasnetz gehört zwar der MVV, ist jedoch öffentliche Infrastruktur. Wir hätten erwartet, dass unser vorhandenes Gasnetz alternativen Anbietern zur Verfügung gestellt wird.“

Freie Wähler/Mannheimer Liste

Aus Sicht der Freien Wähler wird durch die MVV-Pläne deutlich, „dass die ganze Mannheimer Wärmeplanung auf wackligen Füßen steht und so nicht umsetzbar sein wird“. Die Stilllegung des Gasnetzes sei nur denkbar, wenn bis dahin die Alternative Fernwärme zur Verfügung stehe, sagt Fraktionschef Holger Schmid. Als Ersatz für Gasheizungen würden Wärmepumpen oder Pelletheizungen vorgeschlagen. Die seien besonders bei Altbauten oftmals keine Lösungen. „Hier müssen andere Lösungen, beispielsweise Heizen mit Strom, gefunden werden.“ Stadtrat Achim Weizel sieht die MVV zudem in der Pflicht, auch Gewerbe- und Industriekunden „aktiv sinnvolle und praktikable Lösungen anzubieten und die Firmen zu beraten“.

Das sagt Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht

Christian Specht (CDU) ist nicht nur Mannheims Oberbürgermeister, sondern in dieser Funktion auch Chef des Aufsichtsrats der MVV Energie. Auch ihn hat der „MM“ um eine Stellungnahme zu den Gasnetz-Plänen gebeten. Der Oberbürgermeister ließ die am Mittwoch gestellte Anfrage bis zum späten Donnerstagnachmittag allerdings unbeantwortet. Die MVV selbst hat für diesen Freitag, 8. November, zu einer Pressekonferenz zum Thema Gasnetz eingeladen.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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