Interview

Von Geldsorgen bis zur Sicherheitslage: Warum Mannheim wohl auf so manches Vorhaben verzichten muss

Erste Bilanz der Waffenverbotszone, Schulnoten für die Digitalisierung und Geldsorgen eines Kämmerers: Mannheims Bürgermeister Volker Proffen spricht im Interview über seine ersten 100 Tage im Amt

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Lisa Uhlmann und Timo Schmidhuber
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Interview mit BM Dr. Volker Proffen Foto Thomas Troester © Thomas Tröster

Mannheim. Herr Proffen, tödliche Polizeischüsse, ständig Demos und eine Waffenverbotszone. Wie sicher ist Mannheim denn noch?

Volker Proffen: Mannheim ist eine sichere Stadt. Damit das auch in Zukunft so bleibt, haben wir in den letzten Wochen – in Ergänzung zu den bereits bestehenden Bausteinen unserer Mannheimer Sicherheitsarchitektur – unterschiedliche Maßnahmen getroffen, wie eben die Einrichtung der Waffenverbotszone oder die Verlängerung des Videoschutzprogramms. Zusätzlich hatten wir den Ordnungsdienst während des Weihnachtsmarktes im FutuRaum-Container auf den Planken als Ansprechpartner installiert. Wir arbeiten aktiv und kontinuierlich dafür, dass Mannheim sicher bleibt.

Die Einführung der Waffenverbotszone ohne Absprache hat im Sicherheitsausschuss für Unmut gesorgt. Die Räte haben ein genaues Monitoring der Kontrollierten gefordert. Wie stellen Sie sicher, dass das wirklich passiert?

Proffen: Das ist so nicht richtig: Ich hatte durchaus im Sicherheitsausschuss auf entsprechende Überlegungen hingewiesen. Grundsätzlich kann der OB so eine Zone ohne Zustimmung des Gemeinderats einführen. Aber auch wir hatten leider zunächst eine Fehlinformation aus Stuttgart bezüglich des Vorgehens. Weil die Fallzahlen stark gestiegen sind und wir die Zone noch vor der dunklen Jahreszeit einführen wollten, mussten wir schnell handeln. Die Durchführung der Kontrollen ist Sache der Polizei. Die dokumentiert auch die Kontrollen, hält fest, wer kontrolliert wird und welche Waffen sichergestellt wurden. Bisher waren es mehr als 20 Waffen. Insbesondere an Silvester hat sich gezeigt, dass es gut war, diese Verbotszone einzurichten. Da wurden unter anderem Schreckschusswaffen eingezogen.

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Woran messen Sie den Erfolg oder Misserfolg der Zone?

Proffen: Das ist schwierig. Man kann ja nicht sagen: Wenn 50 Waffen eingesammelt wurden, ist das ein Erfolg, und alles darunter ist es nicht. Es geht nicht darum, Waffen einzusammeln, sondern darum, Mannheim sicherer zu machen. Deswegen beobachten wir zum Beispiel auch die Zahl der besonders schweren Straftaten mit einem Messer. Diese zu senken, ist unser Ziel.

Wird es am Jahresende eine ausführliche Bilanz dazu geben?

Proffen: Ja. Wir werden darauf blicken, wie sich die Fallzahlen entwickelt haben, wie viele Menschen kontrolliert und wie viele Waffen eingesammelt wurden. Abhängig davon entscheiden wir dann, wie es weitergehen soll.

Hatten Sie Bedenken, dass die Einführung der Waffenverbotszone Mannheim ein schlechtes Image verleihen könnte?

Proffen: Bislang gibt es zweierlei Reaktionen: Die einen fühlen sich eher unsicher. Sehr viele fühlen sich aber sicherer, weil aktiv etwas dafür getan wird, die Zahl der Waffen im Umlauf zu senken. Ich habe auch mit dem Handel gesprochen, um eine Imageschädigung zu verhindern.

Will dazu beitragen, dass es in Mannheim „in die richtige Richtung geht“: der Dezernent Volker Proffen. © Lisa Uhlmann

Wie gelingt das?

Proffen: Klare Kommunikation: Erklären, warum wir das tun. Nämlich um Waffen überhaupt einsammeln zu können. Bislang durfte die Polizei das nicht. Dass das nun möglich ist, finden viele Menschen gut. In Mannheim braucht auch niemand eine Waffe.

Die Polizei war zuletzt stark gefragt bei Demos zum Nahostkonflikt. Dabei gab es vermehrt Verstöße. Gibt es Pläne, Demos zu verbieten?

Proffen: Das Recht der Versammlungsfreiheit ist ein gut geschütztes Grundrecht, und das ist auch gut so. Allerdings sind wir hier in Mannheim überproportional stark von Demos betroffen. Die ganze Region kommt nach Mannheim, um zu demonstrieren. Das ist für unsere Versammlungsbehörde und die Polizei eine enorme Belastung. Pro Jahr finden hier rund 400 Demos statt: von der Fünf-Mann-Veranstaltung mit der Gitarre und Handmikro bis zu 2000 Teilnehmenden bei Demos zum Nahostkonflikt. Wir müssen sicherstellen, dass jedem das Recht auf Versammlungsfreiheit im rechtlichen Rahmen gewährt wird. Zweimal haben wir allerdings in den letzten Monaten Demos verboten. Ein Verbot wurde vom Gericht bestätigt, das andere von einer höheren Instanz wieder gekippt. Selbstverständlich müssen wir die richterliche Entscheidung dann durchsetzen.

Früher bei Südzucker, jetzt Bürgermeister

  • Seit 2. Oktober 2023 ist der CDU-Politiker Volker Proffen Bürgermeister für Finanzen, Sicherheit, Feuerwehr und Katastrophenschutz, IT sowie öffentlichen Nahverkehr bei der Stadt Mannheim.
  • Zuvor arbeitete der 45-Jährige rund 14 Jahre für die Südzucker AG, zuletzt als Leiter für Regierungsangelegenheiten. Der gebürtige Mannheimer hatte zunächst ein Duales Studium der Betriebswirtschaftlehre absolviert. Bei der Daimler AG und an der privaten Universität für Wirtschaft und Recht EBS in Oestrich-Winkel promovierte er zum Thema nachhaltiges Wirtschaften.
  • Proffen ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Neckarau.

Ist die Zahl der Demos in den vergangenen Jahren gestiegen?

Proffen: Sie bewegt sich seit Jahren auf hohem Niveau. Politische oder gesellschaftliche Konflikte schlagen sich direkt in Mannheim nieder. Mit Blick auf die Palästina-Demos: Da waren es 18 Demos allein 2023, zuletzt fast jedes Wochenende eine.

Kommen wir zu einem anderen Thema, das immer wieder für Debatten sorgt: die E-Scooter. Spezielle Parkplätze sollen jetzt das Abstellchaos beenden. Wie laufen die Tests?

Proffen: Das sind keine Testzonen, sondern drei fest eingerichtete Mobilstationen an Rathaus, Stadthaus und Schloss. In drei weiteren Bereichen sind welche geplant. Wir wollen ein paar Monate abwarten und dann schauen: Wie nutzen das die Leute? Das Konzept der unterschiedlichen Mobilitätsangebote an einem Ort ist spannend: vom Leihfahrrad über E-Scooter bis Carsharing und ÖPNV.

Haben Sie da die E-Scooter besonders im Blick?

Proffen: Uns interessiert bei den E-Scootern: Wie beeinflussen die Stationen das Nutzerverhalten beim Abstellen der Scooter? Den Roller da abzustellen, wo er niemand stört, also direkt an den Mobilstationen, sollte doch nicht zu viel verlangt sein. Das hat auch was mit Rücksichtnahme zu tun, insbesondere auf blinde oder mobilitätseingeschränkte Personen. Im Laufe des Sommers sollen weitere Mobilitätsstationen am Bahnhofsvorplatz, auf dem Lindenhof und am Luisenring eingerichtet werden.

Stühlerücken an der Stadtspitze: Peter Kurz (v.l.) geht, Volker Proffen kommt, Diana Pretzell und Christian Specht steigen auf. Der eine oder die andere überspielt mit lachendem Gesicht womöglich Enttäuschung über Wahlergebnisse. © Thomas Tröster

Sie sind als Dezernent auch für IT zuständig. Welche Schulnote geben Sie der Stadtverwaltung bei der Digitalisierung – bei den Angeboten für die Bürger wie auch bei den internen Prozessen?

Proffen: Ich glaube, das lässt sich nicht mit einer Schulnote erfassen. Wir haben schon einige gute Schritte nach vorne gemacht, haben aber auch echt noch Luft nach oben.

Was sind die guten Schritte?

Proffen: Von den 300 Prozessen, bei denen Bürger mit der Stadtverwaltung zu tun haben, haben wir bereits 175 digitalisiert. Ich denke, das ist eine ganz gute Zahl.

Was gehört zu den 175 Prozessen? Fällt zum Beispiel auch darunter, online einen Vor-Ort-Termin bei der Führerscheinstelle zu vereinbaren?

Proffen: Ja. Häufig genutzt wird zum Beispiel auch der Online-Antrag für den Bewohnerparkausweis, den die Bürger dann zugeschickt bekommen, das gab es im vergangenen Jahr 20 000 Mal. Auch den Familienpass kann man auf diese Weise bekommen, genauso wie Geburts- oder Heiratsurkunden – das alles wird in Mannheim sehr häufig auf digitalem Weg beantragt. Einige dieser 175 Prozesse laufen allerdings verwaltungsintern noch nicht digital weiter. Da müssen wir noch dafür sorgen, dass diese vollständig digitalisiert werden.

175 von 300 Prozessen. Als Schulnote würde ich sagen: Drei plus.

Proffen: Nicht jeder der 300 Prozesse wird von den Bürgern gleich oft nachgefragt. Ich würde deshalb sagen: Zwei bis Drei. Und wir wollen zu einer Eins bis Zwei.

Was wollen Sie noch angehen?

Proffen: Bei der IT-Sicherheit oder dem Anschluss der Schulen ans Glasfasernetz wollen wir auch weiter vorankommen. Bei den Schulen fehlen aktuell noch 16, bis Ende 2025 sollen alle angeschlossen sein. Mit einem Netzbetreiber arbeiten wir außerdem auch an der Anbindung von ganzen Stadtteilen ans Glasfasernetz. Aktuell ist etwa die Hälfte angeschlossen, derzeit läuft der Ausbau auf dem Lindenhof.

Warum dauert das digitale Parkleitsystem so lange? Eigentlich sollte es 2021 fertig sein, jetzt wird es Herbst 2024 …

Proffen: Ich bin zuversichtlich, dass es dieses Jahr kommt. Ich finde es spannend, dass die Parkplatz-Informationen dann nicht nur auf den physischen Anzeigen in der Stadt erscheinen, sondern perspektivisch auch den Navigationsapps zur Verfügung stehen werden.

Zu Ihrem Dezernat gehört auch die Infrastruktur für Busse und Bahnen. Mannheim hat neue Trassen gebaut und plant noch weitere. Gleichzeitig muss die Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft auf Linien den Takt ausdünnen, weil sie zu wenig Personal hat. Das frustriert, oder?

Proffen: Richtig. Aber Personalmangel im ÖPNV ist ja kein Mannheimer Problem, das gibt es bundesweit bei nahezu allen Verkehrsunternehmen.

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Was kann man da machen?

Proffen: Ich kann sagen, was die RNV schon macht, und das ist relativ viel. Zum Beispiel Informationstage, bei denen man direkt einen Arbeitsvertrag unterschreiben kann. Und sie attraktiviert den Beruf, etwa durch veränderte Schichtmodelle. Die Rekrutierung läuft aktuell auch sehr gut, die RNV hatte im vergangenen Jahr mit 120 Personen einen Einstellungsrekord im Fahrdienst.

Kommen wir zum Geld. Mannheim hat davon kaum was auf der hohen Kante, gleichzeitig wird auch künftig jede Menge Geld gebraucht werden, für Personal- und Sozialausgaben genauso wie für Brückensanierungen, die Theater-Renovierung oder die von vielen gewünschte neue Stadtbücherei. Haben Sie als Kämmerer schlaflose Nächte?

Proffen: Schlaflose Nächte habe ich noch nicht. Aber ich mache mir schon ernsthaft Gedanken, ob wir das alles stemmen können in naher Zukunft. Die Finanzlage in Mannheim ist sehr, sehr angespannt.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt gesagt, Ihnen seien „solide Finanzen“ wichtig. Was haben Sie vor?

Proffen: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir uns nicht alle Wünsche leisten können. Wir werden priorisieren müssen.

Können wir uns eine neue Stadtbibliothek leisten?

Proffen: Ich denke, es ist eine wichtige Aufgabe der Stadt, eine funktionale Stadtbibliothek zur Verfügung zu stellen. Ein Projekt in der bisher verfolgten Dimension wäre sicher herausfordernd. Hier müssen wir alle Optionen prüfen.

Und was wird beim Theater noch an Kosten kommen?

Proffen: Die Theatersanierung ist nicht ganz unkritisch, weil das Projekt ein großes Finanzvolumen hat. Prozentual kleine Preissteigerungen, die bei solchen Projekten üblich sind, führen da gleich zu großen absoluten Summen. Dazu kommen noch andere finanzielle Herausforderungen für die Stadt. Die Versorgung von Geflüchteten zum Beispiel und natürlich das Klinikum …

… für das die Stadt auch bei einem Verbund mit Heidelberg noch ordentlich Geld für den Bau der Neuen Mitte bereitstellen muss. Von welcher Größenordnung sprechen wir da?

Proffen: Da liegen noch keine offiziellen Zahlen vor. Aber der Anteil, der an der Stadt hängenbleibt, dürfte eine Investition in dreistelliger Millionenhöhe sein.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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