„Wenn Dich bedrückt der ganze Rummel, dann hilft Dir nur ein Plankenbummel“: 1927 schreibt das die „Neue Badische Landeszeitung“, wo der – wie er offiziell firmiert – „Handelsredakteur Riedel“ eine gereimte Hymne auf jene Straße veröffentlicht, die damals wie heute im Herzen der Stadt und den Menschen in Mannheim auch besonders am Herzen liegt. Hier pulsiert das Leben, hier sind die wichtigsten Geschäfte, hier wird gefeiert – seit Jahrzehnten.
Der Begriff „Plancken“ stammt aus dem 17. Jahrhundert. Er geht, so weiß man im Marchivum, auf die hölzernen Palisaden zurück, die vor dem Graben zwischen der Zitadelle Friedrichsburg und der Stadt Mannheim aufgestellt waren. 1619, wenige Jahre nach der Stadtgründung 1607, liest man die erste Überlieferung des Worts. Die Bretter bilden damals die Grenze zwischen den äußeren Quadraten und dem inneren Bollwerk der mächtigen Zitadelle.
Erste Sanierung 1703
Auch Baustellen und Sanierungen gibt es immer mal wieder. Im Register des Ratsprotokollbuchs von 1703 wird eine „Planckenreparation“ erwähnt, in der „die verfaulten Planck“ durch Eichenholzbretter ersetzt werden sollen.
Seit dem Wiederaufbau der Stadt nach 1648, nach dem Dreißigjährigen Krieg, bis ins 18. Jahrhundert heißt die Straße von den Quadraten E 4 bis nach P 4 „Alarmgasse“, denn hier und am Paradeplatz haben sich im Notfall die Verteidiger der Stadt zu sammeln. Das ansteigende Gelände zur Festung in Richtung Schloss wird in alten Plänen „auff dem Sandt“ bezeichnet, im Grundbuchplan von 1763 „auf dem Sand oder Blanken oder Allarmsgasse“.
Die ersten Kaufhäuser
In der Barockzeit, als Kurfürst Carl Theodor regiert und längst das Schloss steht sowie die Quadrate in der heutigen Form, bilden sie die Ost-West-Achse der Stadt beziehungsweise die Grenze zwischen der Ober- und der Unterstadt. Sie ist wie eine Promenade unter Bäumen angelegt – mit Holzgeländer, also wieder „Planken“, auf dem Mittelstreifen. Am östlichen Ende vor P 5 wird von Alters her der Markt für Stroh und Heu abgehalten – „Strohmarkt“ heißt daher bis heute diese Haltestelle der Stadtbahn. Das Pendant, der Fruchtmarkt etwa in Höhe von E 5, ist indes vergessen.
Offiziell heißt die Achse seit dem 18. Jahrhundert „Heidelberger Straße“, denn wo heute P 7/O 7 sind, steht bis 1806 das östliche Stadttor der Festung – eben das „Heidelberger Tor“. Die ersten Kaufhäuser entstehen: Das 1890 gegründete Bekleidungsgeschäft von Georg Engelhorn und Adam Sturm errichtet schon 1902 ein modernes Geschäftshaus mit prunkvoller Sandsteinfassade und für damalige Zeit großen Schaufenstern – bei Dunkelheit mit Kohlelampen angestrahlt. 1904 folgen mit „Wronker“ in E 1 und „Schmoller“ in P 1 weitere große Warenhäuser. Denn nun beginnt die „Umwandlung aus einer reinen Wohnstraße in eine Wohn- und Geschäftsstraße“, wie es im Stadtführer von 1907 heißt. Da ist von der „verkehrsreichsten Straße Mannheims“ die Rede, von „architektonisch teilweise sehr bemerkenswerten Wohnhäusern“ und in die Höhe schnellenden Bodenpreisen von tausend Mark pro Quadratmeter – 1907, wohlgemerkt. Erwähnt wird ebenso eine geplante „Verbreiterung, welche die Gemüter wiederholt erregt hat“, denn die Idee gibt es bereits 1897.
Tatsächlich realisiert wird der sogenannte „Plankendurchbruch“ erst 1934/36 für den östlichen Abschnitt in Höhe der Quadrate P 5/P 6, wo noch aus der Zeit des früheren Festungsrings Fahrbahn und Gehweg nur etwa elf statt – wie sonst – rund 27 Meter breit sind. Die nationalsozialistischen Stadtväter wollen eine durchgehende Hauptquerachse vom Stadteingang an der Autobahn über die Augustaanlage bis zum Hafen am Rhein. Dass dafür 18 historische Gebäude, darunter die alte Münzprägestätte des Kurfürsten, weichen müssen, ist egal.
Vergoldetes Geländer
Dafür entsteht in P 5 ein neuer, repräsentativer Bau für das DeFaKa (Deutsches Familien-Kaufhaus) mit dem Kaffeehaus Kossenhaschen. Auf dem Geländer des Balkons im ersten Obergeschoss ist – sehr filigran, prächtig und vergoldet – auf 22 Metern dargestellt, wie Kurfürst Carl Theodor zur Jagd aufbricht. Hier trifft man sich bei Livemusik und Kuchen, hier wird geflirtet. Es ist die Zeit, wo der Spruch „Uff die Planke huschte gehe“ aufkommt – als Umschreibung dafür, dass man hier flaniert und sich räuspert, wenn man versucht, mit den anderen Geschlecht anzubandeln.
Der Zweite Weltkrieg macht all das zunichte. Viele prachtvolle Gebäude versinken in Schutt und Asche, pure Zweckbauten entstehen. Schon beim Wiederaufbau 1948 kommt zwar die Idee einer Fußgängerzone auf – damals von dem Mannheimer Architekturbüro Lange/Mitzlaff formuliert. Doch das wird schnell verworfen, man plant lieber die autogerechte Stadt und will den Verkehr direkt im Herzen der City haben. Auch als die Idee 1962 erneut diskutiert wird, ist sie nicht mehrheitsfähig.
Café und Kunstwerke
Erst im Vorfeld der Bundesgartenschau 1975 entschließt man sich, die Pläne umzusetzen. Im Dezember 1973 fällt die Entscheidung, im Mai 1974 beginnen die Bauarbeiten und am 3. April 1975 – wenige Tage vor Eröffnung der Bundesgartenschau – ist alles fertig. Jetzt kann man noch mehr flanieren, die Planken bekommen Brunnen, Kunstwerke und richtige Straßencafés. Vorreiter ist Teppich Engelhardt, dessen Dach vom „Tee-Eck“ Elemente seiner charakteristischen, an Webkunst erinnernden und denkmalgeschützten Metallfassade von dem Ludwigshafener Maler Ernst W. Kuntz aufgreift.
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