„Eine absolute Perle“, schwärmt Désirée Spuhler, die Leiterin der Filmsammlung vom Marchivum – auch wenn es traurige Bilder sind. Sie zeigen die Folgen eines Bombenangriffs während des Zweiten Weltkriegs in Neuostheim rund um die Feuerbachstraße. Die seltenen Aufnahmen sind dem Marchivum übergeben worden und können, da nun digitalisiert, so für die Nachwelt erhalten bleiben.
Aufgerissene Fassaden. Abgedeckte Dächer. Man blickt in Zimmer, denen die Außenwände fehlen. Sieht riesige Haufen an Schutt – verbogener Stahl, zersplittertes Holz, aufgetürmte Steine. Ein Rest eines Hauses ragt wie ein hohler Zahn in den Himmel, bis auf diesen Rest ringsum zusammengestürzt. Dort, wo die Häuser noch stehen, sind zumindest alle Fenster ohne Scheiben – durch den immensen Druck. Aus einem Trümmerhaufen qualmt es. Und aus einem Haus schlagen noch Flammen – obwohl es längst Tag ist.
Der Bombenangriff, dessen Ergebnisse diese Bilder zeigen, geschieht in der Nacht vom 9. auf 10. August 1943. Aufgenommen hat sie Max Zahn. Er war „ein begeisterter Hobbyfilmer“, so Hans Zahn über seinen Vater. „Der Film ist, denke ich, ein Zeitdokument für Ihr Archiv“, schreibt er an das Marchivum – und Désirée Spuhler bestätigt das mit herzlichem Dank. Besonders wertvoll ist der Film auch deshalb, weil es ihn eigentlich nicht geben darf. Die Nationalsozialisten haben es strikt verboten, die Auswirkungen des Bombenkriegs zu filmen und zu fotografieren, „was wohl auch die hektischen Kamerabewegungen und die allgemeine Unschärfe erklärt“, so Désirée Spuhler.
Aber auch wenn die Kamera erkennbar wackelt, an einer Stelle ein Mann sich umdreht und sichtbar misstrauisch ins Bild schaut – die Aufnahmen sind beeindruckend. Man sieht, wie Kinder staunend und zugleich neugierig vor den Trümmern stehen, verzweifelte Erwachsene und auch eine Gruppe von Helfern mit einem Mann mit Uniform und Stahlhelm, die in den Resten zerstörter Häuser graben.
„Unter dem Trümmerhaufen, wo man Hilfskräfte sieht, sollen noch Menschen verschüttet gewesen sein“, erinnert sich Hans Zahn. 1936 geboren, hat er mit Vater, Mutter und Schwester in der Feuerbachstraße 28 gelebt. „Unser Haus war ein Reihenhaus mit Garten. Wir verbrachten damals viele Nächte in unserem Luftschutzkeller. In der Nacht vom 9. auf den 10. August 1943 wurde unser Wohnviertel und auch unser Haus von Bomben zerstört. Wir flüchteten aus unserem, Gott sei Dank, unzerstörtem Keller in einen öffentlichen Luftschutzraum, um dort das Ende des Bombardements abzuwarten“, erinnert er sich an den Schrecken. Am Morgen habe der Vater dann, trotz strengem Verbot, die Zerstörungen der Feuerbachstraße und der umliegenden Straßen aufgenommen. „Auch zeigt der Film den gewaltigen Krater, den die in den Garten gefallene Bombe riss, und die offene zerstörte Gartenseite unseres Hauses“, so Hans Zahn.
Flugplatz als Ziel?
„Die Bomben, glaube ich, zielten damals auf den nahen Flugplatz, wo eine Luftabwehrbatterie stationiert war. Diese ärgerte die feindlichen Flieger, indem sie, wohl meistens vergeblich, nach ihnen ballerte“, meint er rückblickend.
Nach der Zusammenstellung „Luftkriegsereignisse in Mannheim 1939 bis 1945“, die Dieter Wolf schon 2003 anhand der offiziellen Unterlagen der Alliierten für das Marchivum anfertigte, ist die Nacht vom 9. auf 10. August als „Terrorangriff“ eingestuft. Um 1.8 Uhr wird Alarm gegeben. 457 Maschinen der britischen Luftwaffe fliegen auf Mannheim zu, neun werden von der Flugabwehr abgeschossen.
40 Minen, 550 Sprengbomben, 150 000 Stabbrandbomben und 15 000 Phosphorbomben seien auf Innenstadt und Vororte geworfen, Staniolstreifen zur Störung deutscher Funk- und Ortungsgeräte eingesetzt worden. Viele weitere Angriffe folgen, der Schlimmste in der Nacht vom 5. auf den 6. September 1943. Nahezu 70 Prozent der Bausubstanz in Mannheim ist beim Kriegsende im Mai 1945 zerstört.
Mannheim damals und heute
Bild: Spuler/Marchivum/Blüthner
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