Großzügige Umsetzung in Baden-Württemberg - Neues Gesetz gilt zwar ab diesem Mittwoch, aber erstmal muss das Gesundheitsamt alle Einzelfälle gründlich prüfen

Ungeimpfte können vorerst in Mannheimer Krankenhäusern und Pflegeheimen weiterarbeiten

Von 
Steffen Mack
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Demonstrantinnen protestieren – bei einer Kundgebung am vergangenen Samstag in Crailsheim – gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht. © dpa

Mannheim. Ab diesem Mittwoch dürfen in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Arztpraxen sowie einigen anderen Betreuungs- und Gesundheitseinrichtungen keine Ungeimpften mehr beschäftigt werden. So jedenfalls die Theorie. In der Praxis wird das neue Gesetz zunächst fast nur Neueinstellungen betreffen. Hier dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie hoch ist der Anteil der Ungeimpften in den Kliniken?

Diako und Theresienkrankenhaus beziffern ihn auf Anfrage mit unter zwei Prozent. Der Grund seien meist schlechte Erfahrungen mit anderen Impfungen. Im Klinikum sind es noch etwa zehn Prozent. Bei Ärzten und Pflegekräften sei die Quote niedriger, bei patientenfern tätigen Mitarbeitern etwas höher.

Und wie sieht es in Pflegeeinrichtungen aus?

Das hat der „MM“ die vier größten Anbieter in Mannheim gefragt. Die Evangelische Heimstiftung geht noch von zwei bis drei Prozent Ungeimpften aus. Bei der Caritas beträgt die Quote in den betroffenen Bereichen 1,77 Prozent, bei der zur GBG-Gruppe gehörenden Altenpflege Mannheim rund zwei Prozent und bei Avendi 4,22 Prozent.

Für wen die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt und wie sie umgesetzt wird

  • Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt für Krankenhäuser, Pflegeheime (auch für Behinderte und psychisch Kranke) sowie medizinische Praxen, auch von Physio- und Ergotherapeuten, Logopädinnen, Diätassistentinnen, Masseuren, Hebammen und Heilpraktikern.
  • Ambulante Pflegedienste fallen darunter, wenn sie in derartigen Einrichtungen oder in gemeinschaftlichen Wohnformen tätig sind.
  • In den genannten Bereichen dürfen vom 16. März an keine Ungeimpften mehr eingestellt werden.
  • Bisher Beschäftigte mussten den Arbeitgebern bis 15. März ihren Impf- oder Genesenenstatus nachweisen.
  • Diejenigen, die das nicht gemacht haben oder bei denen die Echtheit der Dokumente zweifelhaft ist, müssen dem Gesundheitsamt gemeldet werden. Das schreibt die Betreffenden an, fordert Nachweise und veranlasst gegebenenfalls ärztliche Untersuchungen, ob etwa medizinische Gründe gegen Impfungen sprechen.
  • Im äußersten Fall kann das Amt dann ein Betretungsverbot für die jeweilige Einrichtung verhängen. Bis ein solches formell vorliegt, können die Betroffenen weiterarbeiten.
  • Die Impfpflicht gilt für alle Mitarbeiter, die nicht – wie etwa eine IT-Abteilung – in einem separaten Gebäude ohne Kontakt zu den anderen Beschäftigten untergebracht sind.
  • Darunter fallen auch Personen von außerhalb, die sich wiederholt und für einen längeren Zeitraum (definiert als „nicht nur für wenige Minuten“) in den Einrichtungen aufhalten. Das gilt beispielsweise für Putzfrauen, Handwerker oder Friseure, die nicht nur einmalig kommen.
  • Ändert sich bei Beschäftigten der Impf- oder Genesenenstatus, müssen sie ihre Arbeitgeber informieren.
  • Wenn von der Impfpflicht betroffene Betriebe sich nicht beim Gesundheitsamt melden, kann dieses von sich aus tätig werden und die Einrichtungen anschreiben.
  • Bei Regelverstößen drohen bis zu 2500 Euro Bußgeld

Hat der neue Impfstoff Novavax da noch etwas bewirkt?

In einigen Fällen ja. Aus den christlichen Krankenhäusern heißt es, eine Impfaktion mit dem Protein-Impfstoff sei „sehr gut angenommen“ worden. Im Impfzentrum im Rosengarten, in dem Novavax nicht nur von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht Betroffene bekommen, haben ihn sich in den ersten sieben Tagen aber insgesamt lediglich rund 100 Menschen spritzen lassen.

Was passiert jetzt mit Ungeimpften in Kliniken und Heimen?

Sie können einstweilen normal weiterarbeiten. Ein Portal, auf dem sie die Einrichtungen dem Gesundheitsamt melden müssen, wird vom Stuttgarter Sozialministerium erst am Mittwoch freigeschaltet.

Warum steht das Meldeportal erst jetzt zur Verfügung?

Laut Ministeriumssprecher Florian Mader wurde der Prototyp bis zuletzt getestet sowie mit Kommunen und Einrichtungen abgestimmt. Das Meldeportal erst am 16. März nutzen zu können, sei aber auch so vorgesehen gewesen. Schließlich habe die Frist, in der Beschäftigte ihren Impfstatus dem Arbeitgeber melden mussten, erst am 15. März geendet.

Hieß es nicht, ab 16. März dürften Ungeimpfte nicht mehr arbeiten?

Ja. Daher kritisiert nun Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, sie hätten lange geplant, ab 16. März alle Ungeimpften freizustellen. Doch nach den Ende Februar vom Bundesgesundheitsministerium geänderten Vorgaben sei ihnen dies untersagt. Nun müssten dafür erst die überlasteten Gesundheitsämter mit langwierigen Verfahren rechtskräftige Betretungsverbote verhängen.

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Wie geht das Mannheimer Gesundheitsamt jetzt vor?

Das Land gibt ihm über das Portal eingehende Meldungen weiter. Die seien zunächst zu prüfen, die Betroffenen anzuhören und bei Bedarf zu beraten, weitere Unterlagen anzufordern und gegebenenfalls medizinische Untersuchungen anzuordnen, so Stadtsprecherin Beate Klehr-Merkl. „Dies wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Anschließend gilt es, die Ermessensspielräume begründet zu nutzen.“ Nach der Handreichung des Sozialministeriums seien vor einem Betretungsverbot mildere Maßnahmen zu prüfen und „hierbei auch trägerspezifische Belange zu berücksichtigen“. Ausdrücklich genannt wird auch die „Wahrung der Funktionsfähigkeit“.

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Gibt es arbeitsrechtliche Mittel gegen Ungeimpfte?

Nach den Vorgaben des Bundesgesundheitsministeriums nur, wenn das Gesundheitsamt ein Betretungsverbot ausgesprochen hat. Als letztes Mittel komme zwar auch eine Kündigung in Betracht, vorher seien aber Abmahnungen auszusprechen.

Was machen nun die befragten Mannheimer Einrichtungen?

Alle erklären, erst die Einzelfall-Prüfungen des Gesundheitsamts abwarten und dann umsetzen zu wollen. Engpässe für Pflegeheim-Bewohner werde es mit der hohen Impfquote auf keinen Fall geben, so GBG-Sprecher Heiko Brohm. Seine Kollegin Nina Luschnat von den christlichen Krankenhäusern kündigt an, sie würden „im Rahmen unserer Möglichkeiten“ alles tun, um ungeimpfte Beschäftigte zu halten. Ansonsten gingen diese für das gesamte Gesundheitswesen verloren.

Bis wann gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht?

Festgelegt ist, dass sie zum 1. Januar 2023 außer Kraft tritt. Stand jetzt wäre dann auch wieder die Einstellung Ungeimpfter möglich.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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