Im Lehrbuch vernünftigen staatlichen Handelns müsste weit vorne stehen: Eine Vorschrift ergibt nur Sinn, wenn sie umsetzbar ist. Falls nicht, lässt man die Finger davon. Zur Verdeutlichung könnte ein total vermurkstes Gesetz dienen: die einrichtungsbezogenen Impflicht.
Der richtige Grundgedanke war, dass alle Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeheimen gegen Corona geimpft sein sollten, zum Schutz der ihnen anvertrauten Menschen. Eigentlich müssten das die Betroffenen wissen. Aber leider gibt es auch hier einige Unvernünftige, nicht Überzeugte oder aus Prinzip Bockige. Es war immer klar, dass manche sogar ihren Arbeitsplatz riskieren werden, was in der Pandemie besonders belastete Bereiche zusätzlich schwächen würde.
Dennoch entschieden Bund und Länder vergangenen Herbst einvernehmlich, dies in Kauf zu nehmen. Doch die Umsetzung war und ist ein Trauerspiel. Die gesetzgeberische Kraft stürzte sich, typisch deutsche Bürokratie, auf alle erdenklichen Grenzbereiche. So gilt die Impfpflicht auch für logopädische Praxen und Handwerker, die in den betroffenen Einrichtungen nur wiederholt Heizungsrohre richten.
Völlig verwässert
Der Kern dagegen ist völlig verwässert. Es hieß stets, ab 16. März dürften keine Ungeimpften mehr in Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten. Jetzt können sie das noch problemlos weiter. Das Portal, über das sie gemeldet werden müssen, schaltet Baden-Württemberg erst an diesem Mittwoch frei. Dann sollen ausgerechnet die überlasteten Gesundheitsämter erst jeden Einzelfall prüfen und die Betroffenen kontaktieren. Das wird dauern.
Wann – und vor allem ob – am Ende wirklich Betretungsverbote ausgesprochen werden, ist zweifelhaft. So gibt Sozialminister Manne Lucha, schon mehrfach nicht nur mit überzeugender Regierungsarbeit aufgefallen, den Ämtern einen großzügigen Ermessensspielraum. Sie sollen auch mildere Mittel prüfen und die Funktionsfähigkeit der betroffenen Einrichtung im Blick haben. Wer will da einem örtlichen Krankenhaus wichtiges Pflegepersonal entziehen? Und nach Jahresende tritt das Gesetz schon wieder außer Kraft. Verhindern wird es nur die Neueinstellung Ungeimpfter, die hätte man viel einfacher regeln können.
Leider geht von der vermurksten Impfpflicht das Signal aus, so wichtig sei das Impfen gar nicht mehr. Zusammen mit den wegfallenden Einschränkungen für Ungeimpfte könnte sich das fatal auswirken – und das ganze Land im Herbst büßen müssen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Einrichtungsbezogene Impfpflicht ist vermurkst
Steffen Mack über die einrichtungsbezogene Impfpflicht