Mannheim. Die Frau mittleren Alters auf dem Marktplatz wirkt ganz schön überrumpelt. Eigentlich will sie am Trinkbrunnen, der zwischen der Straßenbahn-Haltestelle und den Gemüseständen ziemlich versteckt ist, nur ihre 1,5 Liter Plastikflasche auffüllen. Da biegt plötzlich ein 15 bis 20-köpfiger Tross ums Eck und beobachtet sie dabei. Manche haben sogar Fotoapparate, Mikrofone oder Kameras im Anschlag.
Die Bundesministerin erfasst die Situation schnell, also geht Steffi Lemke (Grüne) - Deutschlands wichtigste Politikerin in den Bereichen Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz - auf die Frau zu und erklärt: „Wir wollen Sie nicht überfallen.“ Sie spaziere nur gerade mit Mannheims Oberbürgermeister durch die Innenstadt, um anhand von ein paar Beispielen zu sehen, wie sich die Kommune an den Klimawandel anpasse. Und wie das Geld verwendet wurde, das die Bundesregierung Mannheim dafür geschenkt hat. Lemke deutet auf die Plastikflasche in der Hand der Frau: „Schmeckt gut, oder?“ „Ähhh, ja.“
Der Hintergrund dafür, dass die Umweltministerin zum zweiten Mal in diesem Jahr in Mannheim ist, ist jedoch ein trauriger: Bei der Gedenkfeier für den erstochenen Polizisten Rouven Laur vertrat sie im Juni die Bundesregierung. Dabei kam sie mit Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) ins Gespräch, hatte jedoch keine Zeit für einen intensiveren Austausch. So entstand die Idee, sie ein anderes Mal erneut einzuladen.
Darum stehen am Dienstag zur Mittagszeit knapp zwei Dutzend Personen vor dem Rathaus in E 5. Neben Medienmenschen sind viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung da, unter anderem Baubürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD). Ausgerechnet eine musste krankheitsbedingt jedoch absagen: Mannheims Umweltbürgermeister und Lemke-Parteifreundin Diana Pretzell (Grüne).
Integration, Hochwasser und Bäume sind Themen
Während der Tross draußen wartet, sprechen die Ministerin und der OB im Rathaus etwa über die aktuelle Lage der Integration in der Stadt, das neue Hochwasserschutzgesetz und darüber, was Mannheim noch braucht, um sein Ziel zu verwirklichen, jährlich 1000 neue Bäume zu pflanzen, erzählt Specht hinterher.
Dann geht’s los, zu Fuß durch die Innenstadt, teilweise an vollen Müllsäcken und alten Turnschuhen am Straßenrand vorbei zum Swanseaplatz, der mit finanzieller Unterstützung aus Berlin aufgewertet werden soll. Der Zeitplan ist eng, „im Schweinsgalopp durch die Innenstadt“ wird Specht den Rundgang später zusammenfassen. Dennoch findet er Zeit, um der Umweltministerin Mannheims Hauswandbilder („Murals“) zu zeigen. Auch der Plausch über die Quadratestruktur der Innenstadt darf bei auswärtigen Gästen nicht fehlen: Gekonnt zückt der OB sein Handy, um mit Hilfe des auf der Hülle abgebildeten Stadtplans das Prinzip zu erklären.
Die Hauptrolle am Swanseaplatz spielen jedoch Robert Thomann, der Chef von Mannheims Smart City Gesellschaft, und Markus Roeingh, Chef des Stadtraumservices: Ersterer erklärt der Ministerin das Klimamessnetz, das die Stadt aufbaut, um mit Hilfe von rund 400 Sensoren in Echtzeit beispielsweise feststellen zu können, wo genau welche Temperaturen herrschen oder wie viel es geregnet hat. Letzterer erläutert die Planung für die Platzaufwertung - und weshalb diese so wichtig und zugleich so knifflig ist: Immerhin kostet das Projekt vier Millionen Euro, von denen fast drei vom Bund kommen. Die Ministerin zeigt sich lebensnah: „Hier ist es erstaunlich sauber. Oder haben Sie vorher geputzt?“ Die etwas verdruckste Antwort lautet: ja.
Stilles Gedenken an Bluttat am Marktplatz
Weiter zum Marktplatz, wo Lemke und Specht in Stille verharren, gedenken, Blumen niederlegen. „Mir war es wichtig, auf den Marktplatz zurückzukommen“, sagt die Ministerin anschließend. Es sei wichtig, dass das Attentat nicht in Vergessenheit gerate. „Und es tut gut zu sehen, dass die Stadt sich um das Andenken kümmert.“
Anschließend noch die paar Schritte zum Trinkbrunnen und Statements für die Presse: „Ich freue mich sehr, in Mannheim sein zu können und Einblicke in Maßnahmen zu bekommen, die bei der Klimaanpassung helfen“, sagt Lemke da. Schließlich will auch die Bundesregierung bis zum Ende des Jahres ihre Klimaanpassungsstrategie vorlegen. Mittelfristig könnte dieser Bereich sogar zu einer Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern erklärt werden, was die Finanzierung wesentlich erleichtern würde.
Dann werden noch drei Fragen zugelassen: Wo also steht Mannheim nach Meinung der Umweltministerin in Sachen Klimaanpassung? „Mannheim ist hier Vorreiter“, sagt Lemke. „Die Stadt hat mehr als die Hälfte dessen umgesetzt, was notwendig ist.“ Kann die Kommune dabei auf weitere finanzielle Hilfe aus Berlin hoffen? „Mein Ministerium unterstützt momentan bereits zwei größere Maßnahmen in Mannheim mit millionenschweren Förderprogrammen.“ Mehr Geld wird es also in absehbarer Zeit nicht geben. Und was hält Deutschlands Umweltministerin vom EU-Modellprogramm „100 klimaneutrale und intelligente Städte“, mit dessen Hilfe Mannheim bis 2030 klimaneutral werden will? „Ad hoc“ könne sie dazu nichts sagen, erklärt Lemke. Schließlich liege die Zuständigkeit für den Bereich Klimaschutz beim Wirtschaftsministerium. „Dazu müsste ich mich erst fundiert damit auseinandersetzen.“ Aber auch das ist vielsagend.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-umweltministerin-lemke-zu-besuch-mannheim-ist-vorreiter-bei-klimaanpassung-_arid,2254862.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html

Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheims Klimapläne stehen vor dem Scheitern