Mannheim. Kann Mannheim sein ehrgeiziges Ziel erreichen und bis 2030 offiziell klimaneutral werden? Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) glaubt, dass es gelingen kann. Wenn sowohl die EU als auch die Bundesregierung die Stadt dabei unterstützen, „dann können wir es wirklich schaffen“, sagt sie. Lokale Umwelt- und Klimaschützer zeigen sich dagegen sehr skeptisch. Und ein Wissenschaftler winkt sogar ab.
Das sagt das Mannheimer Umweltforum
Elke Dünnhoff, die Geschäftsführerin des Umweltforums, redet nicht lange drumherum: „Man wird 2030 das Ziel, das man sich jetzt gesetzt hat, mit Sicherheit nicht erreichen.“ Ihr Argument: Die Vorgaben im Klimaschutzaktionsplan der Stadt, der Mannheims Weg zur Klimaneutralität aufzeigen soll, seien in der Realität gar nicht umsetzbar. „Man hat sich das Ziel gesetzt, man will bis 2030 klimaneutral sein“, sagt Dünnhoff, „und hat in der Bilanz das irgendwie so hingebogen und mit Maßnahmen unterfüttert, die in der Dimension gar nicht realistisch umsetzbar sind.“

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Als Beispiel nennt die Geschäftsführerin des Dachverbands von 18 Mannheimer Umwelt-, Naturschutz- und Verkehrsverbänden das Thema Sanierungen: Derzeit werden ihren Angaben nach in der Stadt pro Jahr etwa ein Prozent der privaten Gebäude energetisch saniert. Um Mannheims Klimaziel zu erreichen, müsste diese Quote jedoch vervierfacht werden. „Und das ist eigentlich völlig unrealistisch“, sagt Dünnhoff. Zumal die geplante Sanierungskampagne rund eineinhalb Jahre nach der Verabschiedung des Klimaschutzaktionsplans „noch nicht mal wirklich angestoßen ist“.
Dabei sei das Einsparen von Energie der erste und wichtigste Schritt beim Klimaschutz: „Die beste und die klimafreundlichste Energie ist immer die, die ich erst gar nicht benötige.“ Deshalb müsse dieser Aspekt eine viel größere Rolle spielen - etwa auch bei der kommunalen Wärmeplanung, die sich jedoch zu sehr um den Ausbau der Fernwärme gedreht habe.
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Dünnhoff fordert darum, „sich ehrlich zu machen“ und zu diskutieren, wo die Stadt bei ihren Klimabemühungen steht und wie sie nachsteuern kann: „Und je länger wir warten, desto unrealistischer wird es, dass wir irgendwas in Richtung CO2-Neutralität bis 2030 erreichen.“
Das sagen weitere Klimaschutz-Initiativen
Auch andere Gruppen, die die Klimaschutzpläne der Stadt kritisch begleiten, sind skeptisch, ob diese ihr Ziel wirklich erreichen kann. Um das zu schaffen, müsste sie „deutlich mehr Priorität auf den Klimaschutz legen“ und entsprechende Maßnahmen konsequenter umsetzen, sagt beispielsweise Márk Möller von der Mannheimer Ortsgruppe von Fridays for Future. Die Initiative zählt sich selbst zu den sogenannten Klimagerechtigkeitsgruppen in Mannheim, die sich in der Vergangenheit auch schon mit einem offenen Brief an die Stadtverwaltung gewandt hatten. Darin hatten sie kritisiert, ein klarer Pfad Richtung Klimaneutralität bis 2030 sei nicht erkennbar.
Möller betont, gerade in den Bereichen Verkehr und Wärme müsse die Stadt die Möglichkeiten, die sie habe, stärker ausschöpfen: „Wärme und Verkehr sind die beiden zentralen Hebel, in denen eine Kommune beim Thema Klimaschutz wirklich etwas bewegen kann.“
So dürfe sich die Stadt beispielsweise bei der Dekarbonisierung der Fernwärme nicht alleine auf die Pläne der MVV verlassen, sagt auch Andreas Häuser von der Initiative „Mannheim kohlefrei“. Die MVV, die zu mehr als der Hälfte der Stadt gehört, ist für die Fernwärmeversorgung in Mannheim zuständig - und hat angekündigt, hier bis 2030 auf Quellen umzustellen, die als CO2-neutral gelten.
Doch dass das bis 2030 gelingt, daran hat Häuser Zweifel. So hinke man beispielsweise bei der Planung der Geothermiewärme dem Zeitplan hinterher: „Wir haben noch keine Standorte, wenn die Standorte mal bekannt sind, wird es eventuell Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung geben, die bearbeitet werden müssen, und es wird zu langfristigen Genehmigungsverfahren kommen, das weiß auch die MVV“, sagt er.
Das sagt der frühere Ifeu-Wissenschaftler
„Ich will immer die ganze Welt verändern“, sagt Hans Hertle über sich. Mit diesem Anspruch ist er vor 35 Jahren zum Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) gekommen und hat dort den Bereich Kommunaler Klimaschutz aufgebaut. Weil ihm dieser am Herzen liegt und es noch so viel zu tun gab, hat er sogar seinen Renteneintritt um zweieinhalb Jahre verschoben. Man darf also behaupten, dass Hertle ein Überzeugungstäter ist - und dennoch hat er in den vergangenen Jahren Kommunen immer wieder davon abgeraten, bis 2030 klimaneutral sein zu wollen: „Weil ich ein Realist bin.“
Darum glaubt er auch nicht daran, dass Mannheim in fünfeinhalb Jahren klimaneutral sein kann. „Das ist unrealistisch“, sagt Hertle, „das ist klar.“ Alleine die Umstellung der Wärme- und Stromversorgung benötige schon mehr Zeit. Zumal in Mannheim „im Hintergrund immer die Kohle lauert“. Aber auch die notwendige Dämmung der ganzen Gebäude sei innerhalb dieser Zeitspanne nicht zu verwirklichen, erklärt der inzwischen pensionierte Ifeu-Wissenschaftler.
Und der Verkehrsbereich sei ohnehin in praktisch allen Kommunen „ein hartes Brot“. Darum gebe es kaum größere Städte, die ihren Treibhausgasausstoß bislang in allen Bereichen nennenswert reduzieren konnten. So lautet sein Fazit zum Klimaneutralitätsziel 2030: „Für eine Gesamtstadt ist es aus meiner Sicht unmöglich.“
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