Ukraine

Ukrainische Flüchtlinge in Mannheimer Schulen: „Der zusätzliche Aufwand ist sehr hoch“

Mehr als ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn greift für viele geflüchtete Jugendliche ab Montag die Schulpflicht

Von 
Sebastian Koch
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Schulen bereiten sich auf das Unterrichten von vielen Jugendlichen aus der Ukraine vor – eine Herausforderung für den sowieso schon engen Personalplan. © dpa

Mannheim. Im vergangenen Schuljahr war es ein Angebot, nun wird es für viele aus der Ukraine geflüchtete Jugendliche ernst: Wenn am Montag das Schuljahr beginnt, greift auch für viele von ihnen die Schulpflicht. Und weil in Zeiten von Lehrermangel die Planung sowieso schon kompliziert ist, blicken Direktoren und Staatliches Schulamt deshalb umso gespannter auf das bevorstehende Schuljahr.

„Unsere Sprachförderklassen erfahren eine sehr große Auslastung“, erklärt Florence Brokowski-Shekete, die als Schulamtsdirektorin für die Beschulung geflüchteter Kinder und Jugendlicher verantwortlich ist. Man müsse nun schauen, wie weitere Kapazitäten beschafft werden können.

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„Die Schulpflicht gilt nach Ablauf von sechs Monaten Aufenthalt in Deutschland, deshalb können wir gegebenenfalls Kindern nach ihrer Ankunft nicht gleich ein Angebot unterbreiten“, erklärt Brokowski-Shekete auf die Frage, ob sie durch die Beschulung ukrainischer Kinder in Mannheim eine Verschärfung des Lehrermangels befürchte. Zuletzt hatte der Landesvorsitzende des Philologenverbands, Ralf Scholl, vor einer solchen landesweiten Verschlechterung der angespannten Lage gewarnt. „Wir müssen die Zeit innerhalb der sechs Monate nutzen, um Kapazitäten zu schaffen, jedem schnellstmöglich ein Schulangebot machen zu können“, sagt Brokowski-Shekete – und zeigt sich optimistisch: Weil sie das Schulamt bereits im Zuge der Fluchtbewegung 2015 „gut aufgestellt“ habe, „können wir auf Strukturen zurückgreifen. Ich denke deshalb nicht, dass Dinge passieren werden, die wir noch nie gehabt haben“. So könnten etwa Menschen ohne Lehramtsstudium mit Verträgen ausgestattet und eingearbeitet werden. In der Sprachbildung ausgebildete Lehrkräfte würden diese dann begleiten. „Wir lassen niemanden alleine laufen.“

Scholl: 2000 Stellen fehlen im Land

Wie viele Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine ab Montag unterrichtet werden, steht am Freitag noch nicht genau fest. Manuela Weiss erwartet am Elisabeth-Gymnasium „voraussichtlich circa 60“ ukrainische Jugendliche. „Wir haben noch eine Warteliste und zahlreiche Anfragen“, erklärt die Direktorin. „Weil wir in diesem Jahr weniger Räume zur Verfügung haben, können wir nicht so viele Kinder unterbringen wie vergangenes Schuljahr.“ Neben sogenannten Vorbereitungsklassen, in denen vor allem die Sprache gelernt werden soll, würden ukrainische Jugendliche in AGs und für den Unterricht in anderen Fächern in Klassen integriert werden. „Der zusätzliche Aufwand ist sehr hoch, und es sind bei uns viele Lehrkräfte in die Vorbereitungsklassen eingebunden“, erläutert Weiss. „Die personelle Situation ist angespannt, und wir haben, wie vermutlich andere Schulen auch, keine Lehrkräfte frei, um weitere geflüchtete Kinder zu beschulen.“ Weil ein Unterricht in kleineren, lernförderlichen Gruppen nicht möglich sei, sondern Vorbereitungsklassen bis zu 25 Jugendliche umfassten, sei die Situation „für die Lehrkräfte schwierig und zu Teilen auch belastend“ sagt Weiss.

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Scholl erwartet, dass sich der Lehrermangel durch die Beschulung von „18 000 bis 30 000 ukrainischen Kindern und Jugendlichen“ verschärfe. So würden zwischen 1200 und 2000 Stellen fehlen.

Auch Stefan Weirether, neuer Direktor am Ludwig-Frank-Gymnasium (LFG), kann noch nicht sagen, wie viele Geflüchtete am Montag „tatsächlich kommen werden“. Am Freitag etwa hätten sich zwei wieder abgemeldet. 35 Jugendliche aus der Ukraine waren vor den Sommerferien am LFG. „Da hatten wir unsere maximale Kapazität erreicht“, sagt der Direktor, der das Amt zuletzt kommissarisch innehatte. „Ich gehe davon aus, dass ein Großteil der Schüler wiederkommen wird.“ Wie im vergangenen Jahr sollen die Jugendlichen in reguläre Klassen integriert und lediglich für den Deutsch-Unterricht aus dem Verband genommen werden, um entsprechend ihres Alters und ihrer Leistungsklasse beschult zu werden. Die Kritik von Scholl teilt Weirether. „Uns fehlt eine Lehrkraft, die wir in Deutsch benötigt hätten – es gibt aber einfach keine mehr.“ Umschichtungen und Überstunden seien deshalb nötig, um den Pflichtunterricht in Deutsch abzudecken. „Allerdings nicht in dem Umfang, in dem wir das gerne machen würden.“ Institutionelle Fördermaßnahmen etwa seien „nicht im vollen Umfang“ stemmbar. Das System funktioniere zwar dennoch, die Kapazitäten aber seien vollkommen erschöpft.

Die berufsbildende Justus-von-Liebig-Schule rechnet mit einer halben Klasse, die zusätzlich unterrichtet werden muss. „Die Klassen bei uns sind relativ gut versorgt“, sagt der stellvertretende Schulleiter Peter Kapp. „Wenn wir nicht alle Schülerinnen und Schüler versorgen können, helfen andere Berufsschulen.“ Ebenfalls gut vorbereitet sieht sich Thorsten Kuß, Rektor der Johannes-Kepler-Gemeinschaftsschule. „Es gibt Schulen, die unterversorgt sind – wir gehören im Moment glücklichweise nicht dazu.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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