Staatsanwaltschaft Mannheim

Tödlicher Polizeieinsatz an Uni Mannheim: Polizist handelte in Notwehr - die wichtigsten Fragen und Antworten

Fast vier Monate nachdem ein Polizist einen mit einer Machete bewaffneten Angreifer in der Universität erschossen hat, ist für die Staatsanwaltschaft klar: Der Beamte hat in Notwehr und gerechtfertigt gehandelt

Von 
Sebastian Koch
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Am 23. April drang ein Randalierer mit Machete in die Uni Mannheim ein und wurde dort von einem Polizisten in Notwehr erschossen. © dpa

Mannheim. Fast vier Monate nachdem ein Polizist einen 31 Jahre alten mit einer Machete bewaffneten Mann in der Universität erschossen hat, ist für die Staatsanwaltschaft Mannheim klar: Der Polizist hat in Notwehr und gerechtfertigt gehandelt. Am Dienstag hat die Behörde so jedenfalls die Einstellung der Ermittlungen gegen den Beamten begründet. Fragen und Antworten dazu.

Was ist am 23. April in der Schloss-Universität passiert?

Der Mann soll nach Informationen dieser Redaktion zunächst im Bereich der Bibliothek versucht haben, Sticker auf Gegenstände zu kleben. Dies hatte der 31-Jährige im Bereich des Schlosses und der Mensa in der Vergangenheit schon getan. Für die Staatsanwaltschaft stellt sich der weitere Verlauf an jenem 23. April laut Mitteilung wie folgt dar: Nachdem ein Mitarbeiter der Universität den 31-Jährigen aufgefordert hat, das Anbringen der Sticker zu unterlassen, zog dieser eine 61 Zentimeter lange Machete mit einer 45 Zentimeter langen Klinge aus seinem Rucksack hervor. Nachdem der Mitarbeiter daraufhin zurückwich, steckte der Täter die Machete wieder ein.

Was ist danach passiert?

Danach ist der 31-Jährige zum Hörsaal Schneckenhof Nord 169 gelaufen, wo nach Recherchen dieser Redaktion eine Veranstaltung für Gasthörer zu Kunstgeschichte stattgefunden hat. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilt, haben sich dort zwischen 25 und 30 Personen aufgehalten. Der Täter brachte auch hier Aufkleber an. „Als er von einem Zeugen hierauf angesprochen wurde, versetzte der 31-Jährige dem Zeugen unvermittelt eine Ohrfeige“, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Daraufhin kam es zwischen dem Täter und jenem Mitarbeiter der Universität, der ihm in den Saal gefolgt war, zu einer Rangelei. Laut Staatsanwaltschaft wollte der Mitarbeiter den Mann von weiteren Körperverletzungen abhalten. In Folge der Rangelei hatte der 31-Jährige wieder die Machete gezückt „und hielt sie fortan drohend in seiner Hand, während er weiter Aufkleber anbrachte“. Nach Informationen dieser Redaktion soll es sich bei dem Mitarbeiter um einen Wachdienst handeln. Die Staatsanwaltschaft präzisiert dies nicht.

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Wie kam es zum Schuss?

Laut Staatsanwaltschaft hat der Mann die Machete auch noch in der Hand gehalten, als Polizeibeamte den Hörsaal betreten haben. „Der beschuldigte Polizeibeamte zog in der Folge seine Dienstwaffe und forderte den 31-Jährigen, als er ihm in einem Abstand von circa drei Metern gegenüber stand, mehrfach lautstark dazu auf, die Machete fallen zu lassen“, erklärt die Staatsanwaltschaft. „Da der 31-Jährige der mehrfachen Aufforderung nicht nachkam, sondern sich vielmehr mit der Machete in der Hand mit mindestens einem Schritt auf den Polizeibeamten zu bewegte, gab dieser einen Schuss aus seiner Dienstwaffe auf den 31-Jährigen ab. Der Schuss traf ihn im rechtsseitigen Brustbereich, woraufhin er unmittelbar zusammenbrach.“ Der Mann wurde in eine Klinik eingeliefert, in der er kurz darauf seinen Verletzungen erlag.

War der Schuss notwendig?

Davon geht die Staatsanwaltschaft eindeutig aus und hat das Verfahren gegen den Beamten eingestellt. Demnach ging von dem Angreifer eine „unmittelbare, erhebliche Gefahr“ aus, dass dieser mit der Machete dem Polizisten „erhebliche, wenn nicht gar tödliche Verletzungen zufügt“. Das Verhalten des 31-Jährigen habe „deutlich“ gemacht, dass er entschlossen war, die Sticker aufzukleben und jede Störung auch mit Gewalt zu überwinden. „Die Schussabgabe war erforderlich, um den Angriff abzuwehren“, erklärt die Behörde, die zum Schluss kommt, dass der Polizist „in Notwehr und somit gerechtfertigt“ gehandelt hat.

Hätte der Polizist den Mann nicht woanders treffen können?

Die Staatsanwaltschaft erklärt, dass dem Polizisten aufgrund der „räumlichen Gegebenheiten“ und vor allem wegen des „nur sehr geringen Abstandes“ des 31-Jährigen zum Polizisten und der Tatsache, dass sich der Täter auf diesen zubewegt hat, „kein zeitlicher Rahmen für eine Auswahl oder eine Abschätzung alternativer Verteidigungsmöglichkeiten, wie etwa eine Schussabgabe auf die Beine, zur Verfügung“ gestanden habe. „Jedes weitere Zuwarten hätte für den Polizeibeamten bedeutet, ein ganz erhebliches Risiko sehr schwerer, wahrscheinlich sogar tödlicher Verletzungen einzugehen“. Auch ein Zurückweichen sei nicht möglich gewesen, „ohne ein ganz erhebliches Risiko für sich selbst oder für die im Hörsaal anwesenden Personen einzugehen“, heißt es. „Die Schussabgabe war darüber hinaus auch geboten.“

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Was ist über den Täter bekannt?

Dazu macht die Staatsanwaltschaft kaum Angaben. „Dass der 31-Jährige möglicherweise an einer psychischen Erkrankung litt“, ändere an der Notwendigkeit des Schusses nichts, heißt es lediglich. Nach Informationen dieser Redaktion soll es sich bei dem Angreifer um einen Mann handeln, der im Saarland geboren wurde, den Großteil seiner Kindheit und Jugend aber in Mannheim verbracht hat. Er soll hier auf eine Grundschule gegangen sein und 2012 sein Abitur abgelegt haben. Die Universität hatte gegen ihn ein Hausverbot ausgesprochen, nachdem er bereits auffällig war. Die Sticker, die der Redaktion vorliegen, haben weder einen extremistischen noch einen religiösen Hintergrund. Der 31-Jährige soll in der Vergangenheit zudem seinen Vater angegriffen haben. Das Verfahren wurde eingestellt, nachdem der Vater von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte. So war der 31-Jährige nicht verurteilt oder vorbestraft. Der Mann soll auch Lokalpolitiker verbal bedroht haben.

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Wie ist der Polizeieinsatz im Schloss einzuordnen?

Der Einsatz hat auch deshalb viel Aufmerksamkeit erregt, weil zuvor und unmittelbar danach Einsätze der Mannheimer Polizei tödlich verlaufen waren. So hatte ein Polizist kurz vor Weihnachten 2023 einen mit einem Messer bewaffneten Mann auf der Schönau erschossen. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingestellt, nachdem diese zum Ergebnis geführt haben, dass der Schuss nötig war, um den Angriff zu beenden. Ende April, wenige Tage nach dem Einsatz im Schloss, war auf der Rheinau ein Einbrecher auf der Flucht vor der Polizei gestorben. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben, „dass der Tatverdächtige selbst vom Gerüst gesprungen ist und sich beim Aufprall tödlich verletzt hat. Die vor Ort eingesetzten Polizeibeamten haben sich korrekt verhalten“. Am 2. Mai 2022 war Ante P. auf dem Marktplatz während eines Einsatzes gestorben. Das Landgericht verurteilte einen Polizisten wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro, vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen sprach es einen zweiten frei.

Wie hat die Universität auf den Vorfall reagiert?

Mitte Juni hat Rektor Thomas Puhl im Interview mit dieser Redaktion darauf verwiesen, dass sich das Sicherheitskonzept trotz der Tragik des Vorfalls bewiesen habe. „Die Meldeketten haben funktioniert, und die Polizei war schnell zur Stelle“, stellte Puhl fest. Dennoch gebe es „ein paar zusätzliche Vorkehrungen“ und die Universität testet ein Meldesystem für Notfälle. „Die totale Sicherheit gibt es aber nicht.“ Unmittelbar nach der Tat hatte der damalige Sprecher der Studierendenvertretung AStA, Marco Haupt, das Vorgehen des Personals der Universität sowie die Angebote von Universität und Studierendenwerk für psychologische Beratungen gelobt.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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