Familien

Tagesmütter in Mannheim sehen sich wegen sinkender Nachfrage in Existenz bedroht

Die Nachfrage bleibt aus: Kindertagespflegepersonen in Mannheim kämpfen darum, ihre freien Plätze zu füllen. Und sie erheben Vorwürfe gegen die Stadt.

Von 
Simone Kiß
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Franziska Pelz (l.) und ihre Kollegin Maren Grunder bangen um die Zukunft ihrer Kindertagespflegeeinrichtung „Casa Unica“ in Käfertal. © Simone Kiß

Mannheim. „Die Realität ist für uns existenzbedrohend.“ Franziska Pelz sieht sich mit ihrer Kindertagespflegeeinrichtung „Casa Unica“ zunehmend im Abseits. Noch nie sei die Nachfrage nach Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren so schlecht gewesen wie jetzt gerade. „Wir Mannheimer Tagesmütter schlagen deshalb Alarm“, sagt die staatlich anerkannte Erzieherin und fügt hinzu: „Viele von uns kämpfen aktuell darum, ihre Gruppen zu füllen.“ Und damit ums wirtschaftliche Überleben.

Es klingt paradox, hört man doch immer wieder von Eltern, die verzweifelt auf der Suche nach einem Betreuungsplatz sind. Das betrifft allerdings vor allem Mädchen und Jungen im Kindergartenalter. Kindertagespflege ist eine gesetzlich geregelte familiäre Betreuungsform, die als gleichrangiges Angebot neben den Tageseinrichtungen für Kinder von null bis drei Jahren steht.

Teilweise nur noch vier Kinder bei Mannheimer Tagesmüttern

Man habe vor Jahren in Mannheim eine Lücke geschlossen, als Betreuungsplätze dringend gebraucht wurden. „Jetzt hören wir nur ‚unternehmerisches Risiko‘“, klagt Franziska Pelz. Mit viel Liebe, Herzblut, Zeit und Geld habe sie vor sieben Jahren „eine Oase in der Betreuungswüste Mannheim aufgebaut“, dafür sogar einen Kredit aufgenommen.

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In ihrer „Casa Unica“, einem kleinen Häuschen in Käfertal, betreut sie gemeinsam mit ihrer Tagesmutter-Kollegin Maren Grunder, die staatlich anerkannte Kinderkrankenschwester ist, bis zu zehn Kinder. Ab November werden es nur noch vier sein. „Wir überlegen uns, ob wir möglicherweise zum Jahresende schließen müssen“, berichtet die 32-Jährige.

Einer der Hauptgründe für die ausbleibende Nachfrage ist der Geburtenrückgang. Im Jahr 2023 lag die Zahl der Neugeborenen in Baden-Württemberg erstmals seit 2014 mit 98.400 Kindern unter 100.000. 2024 setzte sich dieser Trend mit 97.507 Kindern fort. „Die Entwicklung der Geburten trifft die Kindertagespflege besonders früh und besonders hart“, sagt Heiko Krause, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands für Kindertagespflege, auf Anfrage dieser Redaktion. Die laufende Geldleistung, die von den Jugendämtern an die Kindertagespflegepersonen ausgezahlt werde, sei an die Zahl der betreuten Kinder gekoppelt. „Können nicht fünf, sondern zum Beispiel nur drei Kinder betreut werden, wird die Kindertagespflege unwirtschaftlich“, weiß Krause.

Von dieser Entwicklung sind natürlich auch die kommunalen Krippen betroffen. „Aber Kinder werden auch zunehmend in die Richtung großer Einrichtungen gelenkt“, berichtet Franziska Pelz, die früher selbst in einer städtischen Kita gearbeitet hat, und fügt hinzu: „Teilweise werden unsere Kinder sogar aktiv abgeworben. Kita-Plätze locken mit Geschwisterregelungen, sodass frisch eingewöhnte Kinder kurzerhand mitgenommen werden sollen.“ Auch garantiere man den Familien einen Kindergartenplatz, wenn das Kind bereits in der Krippe sei.

Mit einem Schild weisen die beiden Tagesmütter in Mannheim vor ihrer Einrichtung auf die freien Plätze hin. © Simone Kiß

Als „besonders widersprüchlich“ bezeichnet Pelz den Umstand, dass trotz der schwierigen Lage weiterhin neue Tagespflegepersonen ausgebildet werden würden. „Ein sofortiger Stopp wäre dringend nötig“, findet die Erzieherin. Man fordere eine klare Stellungnahme der Stadt. „Wir Tagesmütter sind eine gleichwertige Säule der frühkindlichen Betreuung. Wenn Mannheim diese Vielfalt verliert, verlieren am Ende vor allem die Familien, die dringend flexible und individuelle Lösungen brauchen“, so Franziska Pelz.

Dass die Belegungszahlen in der Kindertagespflege in Mannheim seit Herbst 2024 rückläufig sind, bestätigt eine Sprecherin der Stadtverwaltung auf Anfrage. Dennoch qualifiziere man weiter Kindertagespflegepersonen – wenn auch in geringerem Umfang als bisher. „Erfahrungsgemäß beenden Kindertagespflegepersonen aufgrund ihres Alters oder aus anderen Gründen, die nicht die Belegung betreffen, die Betreuung, und Festanstellungsträger sowie Kindertagespflegepersonen im Zusammenschluss suchen neue Mitarbeitende oder Vertretungskräfte“, lautet die Begründung der Stadt.

Stadt Mannheim weist Vorwurf zurück: „Werben keine Kinder ab“

Den Vorwurf, die Stadt werbe Kinder ab, weist die Sprecherin zurück: „Tageseinrichtungen freier Träger bewerben verständlicherweise ihre aktuell freien Krippenplätze. Krippen haben folgenden Vorteil: Eltern erhalten in der Regel einen Platz in einem Kindergarten, wenn das Kind bereits in der gleichen Einrichtung die Krippe besucht. Daher versuchen Eltern, gezielt in diese Einrichtungen zu wechseln.“ Mit der Überarbeitung der aktuellen Vergabekriterien prüfe die Stadt bereits, ob dieser Nachteil der Kindertagespflege ausgeglichen werden könne. Ebenso würden bei der weiteren Bedarfsplanung freie Plätze in Krippe und Kindertagespflege berücksichtigt. Aktuell liege der Fokus auf dem Ausbau der Plätze für über dreijährige Kinder in Kindertageseinrichtungen.

Einen Zuschuss für freie Plätze in der Kindertagesstätte, wie ihn manche Kommunen zahlen, plane Mannheim nicht. „Mannheimer Kindertagespflegepersonen werden zum Teil bereits mit anderen freiwilligen Maßnahmen unterstützt, die es wiederum in anderen Städten nicht überall gibt. Zu erwähnen ist hier der Betriebskostenzuschuss oder der kommunale Investitionszuschuss“, so die Sprecherin.

Am 18. Oktober findet der landesweite Aktionstag „Kindertagespflege auf dem Schirm“ statt, mit dem Kindertagespflegepersonen die Möglichkeit geboten werden soll, ihre freien Plätze zu bewerben. Die Abteilung Kindertagespflege koordiniert die Teilnahme, Bürgermeister Dirk Grunert hat die Schirmherrschaft dafür übernommen. „Dies verdeutlicht, dass für ihn die Kindertagespflege eine wichtige Säule in der Betreuungslandschaft der Stadt Mannheim ist und bleibt. Die Kindertagespflege bietet kleine, familiennahe Angebotsformen, in denen Kinder betreut und in ihrer Entwicklung individuell gefördert werden. Aus diesem Grund möchte die Stadt Mannheim weiterhin die Plätze für Kinder, Eltern und die Kindertagespflegepersonen erhalten“, stellt die Stadtsprecherin klar.

Redaktion Reporterin Team Mannheim

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