Kommentar Verschwindet in Mannheim die Kindertagespflege, verlieren die Familien

Was lange unvorstellbar war, ist nun Realität: Tagesmütter können ihre Betreuungsplätze nicht mehr füllen. Simone Kiß würde den Verlust der Kindertagespflege bedauern.

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Simone Kiß
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Mannheim. Lange war das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sehr angespannt: Tagesmütter und -väter mussten zum Teil Wartelisten führen. Wurde ein Betreuungsplatz frei, rückte sofort ein Kind nach. Diese Zeiten sind vorbei.

Immer mehr Kindertagespflegepersonen geben auf, weil sich ihre Arbeit wirtschaftlich nicht mehr rentiert. Manche bleiben sogar auf einem Berg von Schulden sitzen, weil sie zu Beginn ordentlich in Unterkunft und Ausstattung investiert haben. Die Gründe für den Rückzug sind vielschichtig. Wirtschaftliche Belastungen wie hohe Mieten, strukturelle Rahmenbedingungen wie wachsende Dokumentationspflichten und natürlich der Geburtenrückgang machen den Tagesmüttern und -vätern zu schaffen.

Dabei gilt die Kindertagespflege als eine gesetzlich geregelte familiäre Betreuungsform, die als gleichrangiges Angebot neben den Tageseinrichtungen für Kinder von null bis drei Jahren steht. Das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern ist im Sozialgesetzbuch verankert und soll es ihnen ermöglichen, bei der Auswahl von Einrichtungen zur Betreuung ihrer Kinder mitzubestimmen. Doch dazu muss auch eine Auswahl vorhanden sein.

Kleine Gruppen in der Kindertagespflege zeichnet die Familienähnlichkeit aus

Verschwindet die Kindertagespflege aus der Betreuungslandschaft bedeutet das einen großen Verlust für Vielfalt und Flexibilität. Nicht alle Kinder, gerade die ganz Kleinen unter drei Jahren, fühlen sich in größeren Gruppen wohl. Kleine Gruppen in der Kindertagespflege zeichnet die Familienähnlichkeit aus. Die Tagesmutter oder der Tagesvater wird zu einer verlässlichen Bezugsperson.

Und auch die Betreuungszeiten können in der Kindertagespflege individueller angepasst werden als das in kommunalen oder kirchlichen Einrichtungen möglich ist. So haben die Verantwortlichen in Stadt- und Kirchenverwaltung in Mannheim gerade die Betreuungszeit an den Kitas vereinheitlicht. Dort, wo beispielsweise bislang von 8 bis 16.30 Uhr geöffnet war, gilt nun auch die Betreuungszeit 7.30 bis 16 Uhr – was in manchen Häusern faktisch eine Kürzung bedeutet. Denn nicht alle Eltern benötigen eine Betreuung bereits um 7.30 Uhr, wohl aber am Nachmittag.

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Die Lösung kann für Eltern, die auf eine flexiblere Betreuung angewiesen sind, in der Tagespflege liegen. Manche Unternehmen setzen sogar inzwischen auf dieses Angebot. So hat eine große deutsche Versicherung eine betriebliche Kindertagespflege in ihren Räumen etabliert und lässt die Kinder der Mitarbeitenden von Tagesmüttern betreuen. Es wäre traurig, wenn diese Betreuungsform nach über 50 Jahren vom Radar verschwinden würde.

Redaktion Reporterin Team Mannheim

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