Mannheim. Er hat sich einfach eine Weile vor das Stadthaus N 1 gestellt. „Meist echt nicht so richtig gute Kommentare“, sagt Maximilian Baumgartner, hörte er da. „Man merkt, es ist keine Liebe da“, fasste der Student der Fakultät Architektur der Hochschule München zusammen, welche Meinung die Mannheimer nach seinem Eindruck vom Stadthaus haben. Mit Lena Schwarz entwarf er daher das Konzept, aus dem Stadthaus ein „Spaßhaus“ zu machen. Der Verein „M O F A – Mannheims Ort für Architektur“ präsentiert diese und viele andere Ideen von Architekturstudenten für die Umnutzung von N 1 nun im Schaufenster eines noch leeren Ladens der ÖVA-Passage.
„Ein nutzungshybrides Gebäude, das funktionale Probleme hat“ – so beschrieb ein MOFA-Vertreter das Stadthaus. „Eigentlich hat es eine total prominente Lage, darum herum passiert super viel“, verwies er auf die Bauprojekte der Sparkasse, den Umbau der Hauptpost zum Hotel und die geplante neue Stadtbibliothek in N 2. Daher sei man „verwundert“, dass das Stadthaus inzwischen als Abrisskandidat gelte, sagte er in der Begrüßung bei der Ausstellungseröffnung zusammen mit einer Kollegin. Beide weigerten sich aber, ihre Namen zu nennen.
„Es gibt Anpassungsbedarf“
Wichtig war ihnen der, so die MOFA-Vertreterin, „Blick von außen“. Er wurde möglich, weil an der TU Kaiserslautern ein Entwurfsstudio am Fachgebiet für architektonische Darstellung und Entwerfen von Professor Alexander Bartscher dazu stattfand und im darauffolgenden Semester – als schon klar war, dass das Stadthaus unter Denkmalschutz gestellt wird – ein weiteres Studio an der Hochschule München unter der Leitung der Professoren Claudia Schmidt und Björn Martenson.
„Es gibt Anpassungsbedarf“ – was Martenson zum derzeitigen Zustand in N 1 sagte, bekräftigten seine beiden Professorenkollegen. Man habe „eine Konstellation, die so nicht funktioniert“, so Martenson. Der Denkmalschutz dürfe einer „Anpassung der Funktionalität“ nicht im Wege stehen, denn das viel zu niedrige Erdgeschoss müsse man „aufstemmen“. Das Gebäude „rein als Monument zu erhalten, ist nicht zeitgemäß“, meinte er. Ebenso als „nicht zeitgemäß“ lehnte Martenson aber einen Abriss ab. Den nannte er „ein No Go“. Das „wäre eine Klimasünde“, ergänzte seine Kollegin Claudia Schmidt: „Das geht nicht!“ Bartscher bezeichnete die derzeitige Konzeption als „das, was wir für die Zukunft der Städte eigentlich wollen“ – nämlich eine Mischnutzung für Geschäfte und die öffentliche Hand. Im Alltag werfe sie aber Probleme auf. Er könne sich vorstellen, daraus noch viel mehr „einen offenen Ort für die ganze Stadtgesellschaft“ zu machen. Natürlich seien Probleme da, so müssten sich Besucher derzeit „reinkämpfen bis zur Bibliothek“ durch die schwierige Eingangssituation, kritisierte er. Der niedrige Eingang, das eher wie eine Blockade wirkende Podiumsgeschoss – all das stehe einer Akzeptanz des Gebäudes entgegen.
Seine Studenten hätten „typologieoffen und losgelöst von stadtplanerischen Ideologien oder denkmalpflegerischen Konventionen“ versucht, auf experimentelle Art Antworten zu geben. Bartscher will sie als „Beitrag zur Diskussion“ verstanden wissen und hofft, dass solch eine Debatte zustande kommt. Er müsse dieses Mal gelingen, „eine von Öffentlichkeit, Politik und Fachwelt akzeptierte bauliche Lösung für das stadträumliche Herz Mannheims zu finden“, so der Professor.
Eine Debatte anstoßen
Solch eine Debatte anzustoßen – das wünscht sich ebenso Claudia Schmidt. Ob einst das Alte Kaufhaus oder das Stadthaus, beide seien „von der Obrigkeit verordnet“ worden. Nun müssten sich die Bürger umfangreich einbringen, und dazu wolle man einen Beitrag leisten.
Dabei räumen die Professoren ein, dass unter den Arbeiten der Studenten manche Utopie sei und auch eine „sehr polemische Arbeit“, wie Bartscher die Idee von Julia Clemenz kommentierte. Sie sieht vor, die Fassade vom Alten Kaufhaus von 1745 als Holz-/Stahlkonstruktion wie eine vorgehängte Kulisse zu rekonstruieren, dahinter aber einen modernen neuen Stadtraum als Treffpunkt und Versammlungsstätte zu schaffen. Der Turm wäre durch eine Treppe zugänglich und bildet eine Aussichtsplattform.
Provokant sicher auch das „Spaßhaus“ mit Kino, Kletterhalle, Sportplätzen auf dem Dach sowie einem vor die Fassade gesetzten Riesenrad „als weithin sichtbarem Symbol für Spaß“, so Maximilian Baumgartner. Im hinteren Teil des Gebäudes würde er Ateliers und Galerien ansiedeln. Nach seinem Konzept solle das Oststadttheater weiter in N 1 bleiben – was auch andere Konzepte vorsehen. Auch der Ratssaal kann nach Meinung vieler Architekturstudenten in N 1 bleiben, teils ins Erdgeschoss versetzt und damit besser für die Bürger sicht- und erreichbar.
Museum oder Gärtnerei
Ein Entwurf sieht vor, das Haus als Außenstelle vom Technoseum zu nutzen, eine andere Idee ist der komplette Umbau zu einer größeren, moderneren Stadtbibliothek – welche die Stadt ja auf N 2 plant. Die Nutzung für Wohnungen, für eine Markthalle, für die Universität oder einen Kindergarten tauchen auf, ganz oft aber gibt es verschiedene Versionen eines öffentlichen Treffpunkts („Halle für alle“) oder einer starken Begrünung.
Besonders weit gehen Sonja Braunmüller und Franziska Kraus, die aus dem Stadthaus einen „Stadtgarten“ mit Gärtnerei, Restaurant im Dachgeschoss mit Zugang zur Turm-Bar durch einen Dachgarten, vielen Co-Working-Möglichkeiten (Arbeitsplätze, auch für Schüler und Studenten) sowie einem „begrünten Canyon“ zwischen Ratssaal und Theater machen wollen.
„Toll und erfrischend“ nannte Ludwig Schwöbel, einst Mitarbeiter und nun Nachfolger des 1999 verstorbenen N 1-Architekten Carlfried Mutschler, die Ideen. Das „Grundübel“ des Gebäudes sei „die unsägliche Mischung aus gewerblicher Nutzung und Stadt“, die sich erst in der Planungsphase ergeben habe. „Wenn man das nicht auflöst, wird es nicht funktionieren“, glaubt Schwöbel, der für eine „rein öffentliche Nutzung“ plädiert. Er steht noch immer voll hinter dem von ihm damals mitentworfenen Stadthaus, das „unverwechselbar auf der ganzen Welt“ und „durch den Wiedererkennungswert ein Identifikationsobjekt für die Stadt“ sei.
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