Mannheim. Wirtschaft, Soziales, Migration – das sind die wichtigsten Schlagworte bei der Bundestagswahl. Beim Unternehmerfrühstück nutzten Mitglieder des Deutsch-Türkischen Instituts für Arbeit und Bildung e. V. (DTI) und des Verbands türkischer Unternehmer Rhein-Neckar e. V. (TID) die Gelegenheit, den Bundestagskandidaten noch einmal auf den Zahn zu fühlen.
Unter den über 100 Gästen im Parkhotel konnte Mustafa Baklan, Vorsitzender von DTI und TID e.V. sowie geschäftsführender Gesellschafter der SUNTAT-Unternehmensgruppe, neben türkischen und deutschen Unternehmern, Bundestagskandidaten, Landtagsabgeordneten, Stadträten und Schulleitern auch IHK-Präsident Manfred Schnabel und den türkischen Konsul aus Karlsruhe, Mahmut Niyazi Sezgin, begrüßen.
Baklan erklärte: „Kleine und mittelständische Unternehmen haben es schwer.“ Mittelständische Unternehmen seien die Höchststeuerzahler in Deutschland. Es gebe viele Probleme. Alle Preise seien gestiegen. Rohstoffe besorgen sei schwer geworden. Hinzu komme der Fachkräftemangel. Als Familienunternehmen achteten sie nicht nur darauf, Geschäfte zu machen, sondern engagierten sich auch sozial, beispielsweise bei der Bildung von Jugendlichen in der Türkei und in Deutschland.
Franz Egle, geschäftsführender Vorstand des DIT e.V., erläuterte, wie es mit ihren Partnerschulen - Marie-Curie-Realschule, Johannes-Kepler-Gemeinschaftsschule und Pfingstbergschule - gelingt, Schüler für eine Berufsausbildung zu interessieren. Egle erklärte: „Ziel des Unternehmerfrühstücks mit Tischgesprächen zwischen Wirtschaft, Bürgerschaft und Politik ist es, türkische und deutsche Unternehmen stärker zu vernetzen.“
Paul F. Langer referiert zu Hemmnissen beim Mittelstand
Doch wodurch wird ein wirklicher Aufschwung erreicht und welche staatliche Unterstützung ist notwendig, um das zu bewältigen? Referent Paul F. Langer, Professor für Digitale Transformation an der Hochschule Worms und Dozent an der Deutsch-Türkischen Universität in Istanbul, erklärte, „was Deutschlands Mittelstand auf dem Weg in die digitale Zunft bremst“. Hindernisse seien strukturelle Probleme, Mangel an Antrieb bei den Unternehmen und systemische Herausforderungen. Der deutsche Mittelstand müsse sich neu erfinden.
Die digitale Transformation setze besonders kleine und mittlere Unternehmen unter Druck. Sie investierten im internationalen Vergleich zu wenig in ihr Wissenskapital, griffen neue digitale Technologien nur zögerlich auf und überließen Innovationen immer öfter anderen. Einzige Möglichkeit sei es, die globalen Märkte als Ganzes zu betrachten, so Langer.
Der türkische Generalkonsul Sezgin erklärte: „Es gibt einige Schwierigkeiten für die deutsche Wirtschaft.“ Doch in den letzten Jahren werde versucht, das als Krise und Katastrophe darzustellen. Er sei nicht der Meinung. „Deutschland hat eine sehr starke Wirtschaft“, sagte Sezgin.
Bei der anschließenden Diskussionsrunde waren sich die Mannheimer Bundestagskandidaten Melis Sekmen (CDU), Isabel Cademartori (SPD), Nina Wellenreuther (Grüne) und Konrad Stockmeier (FDP) einig: Damit der deutsche Mittelstand zukunftsfähig ist, ist ein Ausbau der Digitalisierung dringend notwendig. Das gelte auch für Behörden. Auch der Wandel zu einer klimaneutralen und ressourcenschonenden Wirtschaft, so Wellenreuther, könne ohne Innovationsoffenheit nicht gelingen.
Wenn der Wirtschaftsstandort Deutschland seinen starken wettbewerbsfähigen Mittelstand mit guten Jobs im ganzen Land erhalten wolle, sei es höchste Zeit für einen Aufbruch, meinte Sekmen. Sie sprach sich für Bürokratieabbau und Steuererleichterungen aus. Doch das Versprechen von Steuerreduzierung sei angesichts des Investitionsstaus bei der Infrastruktur nicht möglich, entgegnete Cademartori. Die Unternehmen seien gefragt, meinte Stockmeier: Sie müssten ihre Organisation digitalisieren, alte Geschäftsmodelle auf ihre Zukunftsfähigkeit abklopfen und sich darauf einstellen, dass Innovationen heute viel schneller und häufiger nötig sind. Die Bundestagskandidaten waren sich einig: Der Staat muss den Mittelstand bei dieser Transformation aktiv begleiten.
Streit entbrennt beim Thema Migration
Doch die Veranstaltung drohte zu kippen, als der Ludwigshafener Bundestagkandidat Christian Schneider (SPD), der anstelle der laut Egle „abhanden gekommenen“ Kandidatin Gökay Akbulut (Linke) in die Runde gerufen wurde, zum Thema „Fachkräftemangel“ auf die Abstimmungsergebnisse zur Migration in der vergangenen Woche im Bundestag hinwies: „Wir brauchen mehr Integration und Migration, wir müssen aus dem Fachkräftemangel raus, wir brauchen eine Willkommenskultur“, glaubte Schneider.
Sekmen erklärte, hier sei kein Platz für diese Debatte. „Ihr habt mit Nazis gestimmt“, rief Stadtrat Karim Baghlani (SPD) unter dem Beifall von Parteigenossen. „Das stimmt nicht“ erwiderte Sekmen. Sie kritisierte, dass sie als Kind aus einer Migrationsfamilie mit rassistischen Vorwürfen von SPD und Grünen persönlich angegriffen worden sei. Stockmeier betonte, er lasse sich „von Rechten, Roten und Grünen nicht erpressen“. Nur durch das souveräne Eingreifen von Moderatorin Lisa Selin Günther konnte der Streit beendet werden.
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