Kriminologie

Stadtbild-Debatte: Wer sich in Mannheim vor wem fürchtet

Vom Hinterher-Rufen bis zum Macho-Gehabe: Nicht das Stadtbild, sondern respektloses Verhalten macht vielen in Mannheim Angst. Ein Kriminologe erklärt, wer sich am meisten fürchtet und warum.

Von 
Lisa Uhlmann
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Die Mannheimer Planken sind tagsüber gut besucht - nachts aber oft ausgestorben. © Christoph Blüthner

Hat Deutschland und damit auch Mannheim ein „Problem“ mit dem Stadtbild? Was steckt hinter dieser Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz? Wovor fürchten sich die Mannheimer und Mannheimerinnen wirklich? Welche Ängste begründet, welche unbegründet sind. Und welche Gruppe sich nicht nur fürchtet, sondern tatsächlich angegangen wird – und was man dagegen tun kann. Antworten auf diese Fragen gibt Wissenschaftler Dieter Hermann vom Institut für Kriminologie an der Universität Heidelberg. Ein Überblick.

Welche Gruppe fürchtet sich am meisten?

Seit vielen Jahren führt Hermann in Mannheim, aber auch in anderen Städten wie Stuttgart, Heidelberg, Heilbronn oder Göppingen Befragungen zur Kriminalitätsfurcht durch. Sein Fazit: „Junge Frauen mit Migrationshintergrund sind die Gruppe mit der höchsten Kriminalitätsfurcht. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass sie häufig von respektlosem Verhalten betroffen sind. Respektlosigkeit, insbesondere gegenüber Frauen, aber auch gegenüber älteren Menschen oder Ordnungskräften ist inzwischen eine zentrale Ursache der Kriminalitätsfurcht.“ Seit einigen Jahren zeichnet sich in Mannheim ein Trend ab, der auch in anderen Städten erkennbar ist: Vor allem junge Frauen mit Migrationshintergrund sowie Menschen aus der LSBTIQ-Community fürchten sich am meisten. Ihre subjektive Angst ist dabei tatsächlich begründet, denn genau diese Gruppen verzeichnen auch in den Kriminalitätsstatistiken die höchsten Opferraten.

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Warum fühlen sich Mannheimer und Mannheimerinnen unsicher?

Sexualisiertes Hinterherrufen auf der Straße (Catcalling), Machismo und Respektlosigkeit: Es sind diese Handlungen, durch die sich Menschen in Mannheim, aber auch in anderen Städten unsicher fühlen, sagt Hermann. Bei seinen Sicherheitsbefragungen ergeben sich immer wieder die gleichen Befunde: Betroffene, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, fühlen sich durch respektloses und machohaftes Verhalten bedroht. „Das geht hauptsächlich von Männern aus, hier kann man auch von toxischer Männlichkeit sprechen“, erklärt der Kriminologe im Gespräch mit der Redaktion.

Ist die toxische Männlichkeit ein neues Problem in den Städten?

Tatsächlich beobachtet der Heidelberger Kriminologe dieses respektlose Verhalten von Männern in der Öffentlichkeit seit fast zehn Jahren – mit steigender Tendenz. Ein Grund dafür sei ein überholtes Frauenbild. Diese Ansicht findet sich laut Hermann aber nicht nur in anderen Kulturkreisen, sondern auch in der rechten Szene.

Auszug der Befunde aus der Sicherheitsbefragung in Mannheim im Jahr 2022/2023. Besonders junge Frauen mit und ohne Migrationshintergrund zwischen 14 und 19 Jahre fühlen sich unsicher. © Mannheimer Sicherheitsaudit 2022/23

Was kann man dagegen tun?

Gerade junge Frauen mit Migrationshintergrund und queere Menschen seien besonders feinsinnig für Respektlosigkeit. Aus kriminalpräventiver Sicht kann die Stärkung der Resilienz den Betroffenen helfen. Zudem braucht es auch Prävention auf der Täterseite. Hier müsse man laut Hermann das verschobene Frauenbild korrigieren. „Ein solches Bild formt sich über Jahre und lässt sich nicht an einem Tag korrigieren“, so Hermann. Auch eine Stadt kann man baulich so gestalten, dass sich Frauen sicher fühlen, erklärt der Kriminologe. So berichten die Befragten immer wieder von Vorfällen an Bahnhöfen oder Marktplätzen. Denn genau dort sammeln sich oft Männergruppen, die dann Vorbeilaufende belästigen. Eine mögliche Lösung: Den Aufenthaltsbereich vom Durchgangsverkehr trennen oder abschirmen.

Ist die Stadtbild-Debatte sinnvoll?

Aus der Sicht des Kriminologen sind die Äußerungen des Kanzlers zum Stadtbild zu unbestimmt. Er benenne zwar einen Problembereich, also das Stadtbild, zudem Personengruppen, also Geflüchtete, Migrantinnen und Migranten sowie junge Frauen, ohne eine Beziehung herzustellen. Solche Äußerungen seien anfällig für fremdenfeindliche Interpretationen. „Eine fremdenfeindliche Diskussion führt aber am Thema vorbei. Wichtig wäre es, den Fokus auf problematischen Handlungen zu richten. Das Positive an der Debatte ist, dass sie auf die Probleme in den Innenstädten aufmerksam macht“, sagt Dieter Hermann.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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