Mannheim. Die Stadt wirbt jetzt auch international für den Erhalt der Multihalle. Ende Mai fliegt Oberbürgermeister Peter Kurz zur Eröffnung der 16. Internationalen Architekturbiennale in Venedig. Dort präsentiert das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) einen Teil seiner Ausstellung, die es 2016/17 unter dem Motto „Denken in Modellen“ dem Architekten Frei Otto gewidmet hatte - mit der Multihalle als Schwerpunkt.
„Das ist eine große Chance für uns, die wir nutzen wollen“, erklärt Baubürgermeister Lothar Quast. Hauptthema der bis November an verschiedenen Orten der Lagunenstadt stattfindenden 16. Weltausstellung der Architektur wird „Freespace“ sein, also Freiraum. „Dazu passt die Multihalle maßgeschneidert, daher hat man uns da mit offenen Armen aufgenommen“, so Quast. „Da ist das Who-is-Who der Branche, deshalb ist das für uns ein wichtiger internationaler Aufschlag und die Möglichkeit, diese Kreise zu erreichen“, ergänzt Ralf Walther, der Sprecher des Oberbürgermeisters.
Botschafter des Projekts
Partner der Stadt beim Auftritt in Venedig ist Architekturprofessor Georg Vrachliotis, Kurator der Karlsruher Ausstellung und Leiter des Südwestdeutschen Archivs für Architektur und Ingenieurbau (saai). Er hat im vergangenen Jahr in Deutsch und Englisch ein umfangreiches Buch zur Baugeschichte und Bedeutung der Multihalle geschrieben. Und nicht nur das: Die Stadt konnte ihn quasi als Botschafter des Projekts gewinnen. „Er ist ohnehin weltweit unterwegs und wird für uns die Aufgabe übernehmen, mögliche größere Geldgeber anzusprechen“, so Lothar Quast dankbar.
Denn das ist der Auftrag des Gemeinderates. Noch im Juni 2016 hatten bis auf Steffen Ratzel (CDU) alle Stadträte Sympathie für den baldigen Abriss erkennen lassen und nur eine kurze Gnadenfrist bis Ende 2017 gestattet. In jedem Fall müsse der Erhalt „im Wesentlichen von privater Seite und ergänzend von Bund und Land“ finanziert werden. Im Juni 2017 verlängerte eine breite Mehrheit von SPD, CDU, Grünen und Linken die Frist, wann eine Entscheidung für oder gegen den Abriss getroffen werden soll, bis Ende 2019.
„Der Zeitraum müsste reichen“, meinte Quast jetzt auf Anfrage: „Wir sind auf einem guten Weg!“ Die Stadt sei seit dem Beschluss „auf vielen Ebenen parallel unterwegs“ und werde jetzt auch „die Anstrengungen intensivieren“. Dabei könne man sich auf sehr viel ehrenamtliche Mitarbeit und Unterstützung von Architekten und deren Verbänden stützen, hob er hervor.
Menschen aus dem Quartier einbeziehen
Vor dem Beginn einer großangelegten Spenden-Sammelkampagne müsse aber ein Nutzungskonzept stehen. „An dem Thema arbeiten wir“, so Quast. Dabei reiche das Spektrum von einer „Bauhütte“, in der Auszubildende, Studenten und Lehrende der Branche arbeiten, bis zu vielen Ideen, die im Oktober 2017 beim „Urban Thinkers Campus“ formuliert wurden. „Entschieden ist noch nichts“, so Quast, aber klar sei, dass man „auf die Multifunktionalität setzen und in jedem Fall die Menschen dort aus dem Quartier einbeziehen“ wolle. Auch bei der Bundesgartenschau 2023 soll die Multihalle nach seinen Vorstellungen eine Rolle spielen: „Ich denke, das müssen wir verknüpfen“, so Quast.
Je nach Nutzungskonzept soll dann auch die Sanierungsplanung und Kostenschätzung noch einmal angegangen werden. „Die Nutzung kann Auswirkungen darauf haben, dass sich die Baukosten reduzieren, aber so weit sind wir noch nicht“, sagt Quast vorsichtig. Bei Bund und Land prüft die Stadt derzeit zudem, welche Fördermittel für einen Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes eingeworben werden können.
Erst im Sommer oder Herbst soll dann eine Spendenkampagne starten, für die etwa zwölf Monate vorgesehen sind. „Wenn wir ein Nutzungskonzept, Zusagen für Zuschüsse und ein paar potente Geldgeber haben, mobilisieren wir auch die Bevölkerung“, kündigt Quast an.
„Architektonisches Wunder von Mannheim“
- Die Multihalle entstand zur Bundesgartenschau 1975, war eigentlich als Provisorium gedacht und hat doch 1998 den Status eines Kulturdenkmals zuerkannt bekommen.
- Sie stammt von den Architekten Carlfried Mutschler und Joachim Langner sowie von Frei Otto (bekannt vom Münchner Olympiastadion), der das Gitterschalendach aus mehrfach gekrümmten Holzleisten entwarf. Die frei tragende Dachkonstruktion aus hölzernen Latten (die größte der Welt) überspannt über 10 000 Quadratmeter und gilt als „architektonisches Wunder von Mannheim“.
- Seit 2008 gibt es ein Stützgerüst in der Mitte der Halle. Seit Februar 2011 ist sie – außer dem Restaurant – eigentlich komplett gesperrt.
- Eine Generalsanierung würde 11,6 Millionen Euro kosten, Dokumentation und Abriss eine Million.
Kritische Stimmen im Gemeinderat
- Als im Juni 2017 bei der Abstimmung im Gemeinderat über die Zukunft der Multihalle entschieden wurde, gab es auch kritische Stimmen. FDP-Stadträtin Birgit Reinemund warnte, die Haushaltslage lasse es nicht zu, dass die Stadt für ein Gebäude Geld ausgebe, für das „kein wirtschaftlich tragbares Nutzungskonzept“ vorliege.
- Achim Weizel (ML) sagte, ein Erhalt sei „viel zu kostspielig“ und beruhe nur auf „Emotionen und einem ganz engen Kreis“ von interessierten Architekten. Eberhard Will (früher AfD/Alfa, nun „Bürgerfraktion“) empörte sich über „verantwortungslosen Umgang mit Steuergeldern“.
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