Mannheim. Es hat geklappt, sie ist weg. Die tiefe Delle in der Mitte der Dachhaut der Multihalle, seit 2008 durch einen Gerüstturm abgestützt und damals der Beginn der Sperrung des Baus, konnte von einer großen, 20 Meter hohen neuen Gerüstkonstruktion aus hochgedrückt werden. Es ist der erste Schritt zur jetzt begonnenen Sanierung der Multihalle – die sich aber deutlich länger hinziehen wird und wofür auch mehr Bäume gefällt werden müssen als gedacht.
„Wir haben Schrauben und Bolzen gelöst und das wieder ausgeformt“, erläutert Architektin Evelyn Fiedermann, Projektleiterin bei der Stadt für die Sanierung: „Nun ist die Soll-Geometrie hergestellt.“ Das bezieht sich auf eine Fläche von 150 Quadratmetern in der Mitte vom Dach, die um 71 Zentimeter wieder nach oben in die ursprüngliche Form gebracht wurde. Dazu war ein Gerüst von 250 Quadratmetern mit 100 Schwerlastsprießen nötig.
Die Multihalle
- Die Multihalle entstand zur Bundesgartenschau 1975, steht seit 1998 unter Denkmalschutz und hat den höchsten Rang als „Kulturdenkmal besonderer Bedeutung“.
- Sie stammt von den Architekten Carlfried Mutschler und Joachim Langner sowie von Frei Otto (bekannt vom Münchner Olympiastadion). Er entwarf das Gitterschalendach aus 7200 Metern mehrfach gekrümmten Holzleisten aus kanadischer Tanne. Es handelt sich um die weltweit größte frei tragende Dachkonstruktion aus Holz. Sie gilt als „architektonisches Wunder von Mannheim“.
- Seit Februar 2011 ist die Halle eigentlich gesperrt, wird aber seit 2017 immer wieder genutzt.
- Der Bund stufte die Sanierung der Multihalle als „Nationales Projekt des Städtebaus“ ein und gibt fünf Millionen, die Denkmalstiftung 50 000 Euro. Die Stadt hat daraufhin zunächst 9,2 Millionen Euro bewilligt, dann im Oktober vergangenen Jahres 6,1 Millionen Euro Mehrkosten. Zwei Millionen Euro schießt die Wüstenrot-Stiftung zu. pwr
Bis Juli soll eine zweite Testfläche fertiggestellt sein. Dabei will man anknüpfen an die ursprüngliche, bis zum ersten Austausch 1981 verwendete Dachhaut, in deren Folie fünf Sichtfenster einen Blick in das Grün des Herzogenriedparks ermöglichten. „Dadurch wird es auch später in der Halle deutlich heller“, so Tatjana Dürr, Referentin für Baukultur.
Risse und Setzungen
Doch das Grün wird weniger. Wie sich jetzt herausstellte, müssen – im Gegensatz zum Planungsstand vom Herbst – im Umfeld der Multihalle 20 Bäume gefällt werden. Damit beginnen Arbeiter am Dienstag, 20. April. „Wir haben sogar erst gedacht, dass es 50 sein müssen“, so Fiedermann, doch 30 habe man mit Planern und Bauleuten aufwendig „wegdiskutiert – trotz der DIN-Normen“.
Der Grund für den Eingriff: Es hat sich herausgestellt, dass eine vollständige Sanierung der Betonfundamente des Hallendaches sowie der Grund- und Entwässerungsleitungen nötig ist. „Die sind umfangreich abgängig, es gibt Risse und Setzungen“, so Fiedermann. Joachim Költzsch, den Stadtpark-Geschäftsführer, wundert das nicht: „Wir haben hier im Herzogenried sehr feuchten Untergrund, da gibt es immer mal wieder Setzungen“, sagt er. Das Ausmaß habe sich aber erst gezeigt, als die Arbeiten tatsächlich losgegangen seien, ergänzt Fiedermann. Und nicht nur das: Auch ein neuer Blitzschutz mit Erdung im Fundament muss erstellt werden. Man versuche aber, mit minimalinvasiver Technik wie Saugbaggern zur Entfernung des Erdreichs, Durchschussverfahren unter besonders erhaltenswerten Bäumen und einer Optimierung der Leitungsführungen einige Bäume zu retten. Bei neun Exemplaren habe man die Fällung daher zurückstellt, sagt sie.
Bei der Genehmigung der Fällungen machte die Stadt zugleich 45 Ersatzpflanzungen zur Auflage. Geplant ist, dass sie auf dem Neuen Meßplatz Wurzeln schlagen, als „Allee zur Multihalle hin“, wie Baubürgermeister Ralf Eisenhauer erklärt. „Ich fand das sofort eine gute Idee, denn wir wollen die Multihalle ja sichtbarer machen“. Dazu gehöre, dass er sie und den Eingang Herzogenriedpark sowie des künftigen Kombibads Herzogenried besser an den Nahverkehr anschließen wolle.
Doch das dauert noch. „Wir sind nicht im Zeitplan“, räumt Fiedermann ein. Dies liege an den zusätzlichen Fundament- und Leitungsarbeiten, aber auch an den inzwischen längeren Lieferzeiten für Holz. Zudem hätten sich die Holzpreise verdoppelt. Andererseits hat sich inzwischen herausgestellt, dass bei der Sanierung der Dachkonstruktion nicht auf alle Holzlatten, um sie zu stabilisieren, einfach noch mal genau so dicke Latten aufgeklebt oder geschraubt werden. Dafür verlangt eine EU-Norm, die Stabilität der Hölzer neu zu berechnen und zu zertifizieren – das dauert.
„Die Sanierung ist und bleibt ein Experiment“, erklärt Tatjana Dürr. Dabei sei man dankbar, dass die Wüstenrot-Stiftung das Projekt nicht nur finanziell, sondern auch mit Sachkunde sehr intensiv begleite. Dürr spricht von einem „gemeinsamen Lernprozess.“
Derzeit keine Mehrkosten
Der allerdings führt dazu, dass sich eine zunächst lange genährte Hoffnung nicht erfüllt: die Sanierung der Multihalle wird bis zur Bundesgartenschau 2023 „auf keinen Fall fertig sein, dafür gibt es zu viele Unwägbarkeiten“, so Eisenhauer: „Die Besucher werden die Erneuerung erleben, in einer Art Schaustelle, das ist für die Leute sicher auch extrem spannend“, so Eisenhauer. Fertig werde das Projekt erst nach der Bundesgartenschau. Teurer werde es aber durch die Verzögerung nicht. „Wir werden sehr genau schauen, dass wir das im Griff behalten“, bekräftigt Eisenhauer: „Es ist eine Riesenambition, aber wir wollen dieses besondere Bauwerk bestmöglich sanieren“.
Schon jetzt ist wegen der Arbeiten der Steg durch die Multihalle gesperrt. Ab Herbst, wenn sich die Sanierungsarbeiten auf die gesamte Halle erstrecken, wird der südlich von ihr verlaufende Weg wegen der Baustellencontainer nicht mehr nutzbar sein, aber weiter der Weg nördlich am Wasserspielplatz vorbei. Ab Herbst soll es zudem in einem derzeit noch von der Verwaltung genutzten Eingangspavillon des Herzogenriedparks Informationen zu dem Projekt geben sowie, soweit dann wieder möglich, auch kulturelle Veranstaltungen vor und in dem Pavillon zur Einstimmung auf die künftige Multihallen-Nutzung.
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