Mannheim. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, durch das Stadtverwaltung, freie Träger von Kindertageseinrichtungen, Eltern und Öffentlichkeit gehen. Immer wieder gibt es Hiobsbotschaften, immer wieder drohen Kita-Ausbauprojekte zu scheitern. Aber auf der anderen Seite tun sich auch immer wieder Lösungsmöglichkeiten auf. Diese Zwiespältigkeit prägte die Diskussion im aktuellen Jugendhilfeausschuss.
Sie entzündete sich an einem Vorhaben auf der Rheinau: Dort hatte die evangelische Kirche (Ekma) an der Versöhnungskirche eigentlich einen Neubau für drei Kita-Gruppen geplant, wegen der stark gestiegenen Baukosten aber vor wenigen Monaten die Reißleine gezogen. Auch das Angebot der Stadt, 585 000 Euro der prognostizierten 1,25 Millionen Mehrkosten zu übernehmen, bezeichnete die Ekma als zu niedrig. Aber sie betonte vor wenigen Tagen zugleich, sie wolle das Projekt nach wie vor realisieren.
Auf der Rheinau Lösung in Sicht
Das scheint jetzt zu klappen – wahrscheinlich über ein „Investorenmodell“, wie Bürgermeister Dirk Grunert im Ausschuss berichtete. Dabei könne der Investor „durchaus“die eigentlich für den Schulbau zuständige städtische Gesellschaft BBS sein, teilte Grunert mit.
Den Weg zum Einstieg in den Kita-Neubau hatte der Gemeinderat der BBS bereits vor einem Jahr geebnet – mit einer Änderung des Gesellschaftsvertrags. Zum Tragen kam das etwa im Rottannenweg in der Gartenstadt. Dort hatte die Ekma eine Kita aufgegeben und wollte das Gelände im März 2022 eigentlich an einen privaten Investor verkaufen, der Wohnbebauung plante.
Das sorgte zunächst in aller Öffentlichkeit für Streit zwischen Stadt und Kirche – aber auch zu neuen Gesprächen. An deren Ende stand der Kauf des Terrains durch die Stadt und der Einstieg der BBS. „Derzeit erfolgen erste Sondierungen durch die BBS, um auf dem Grundstück eine bis zu viergruppige Kita zu errichten“, so die Verwaltung auf Anfrage. Außerdem liefen Gespräche mit potenziellen freien Trägern.
Das können durchaus auch diejenigen sein, die das Projekt ursprünglich alleine stemmen wollten, also beispielsweise die Ekma, die eine von der BBS realisierte Kita dann anmieten könnte. Dabei hätte man auf der Rheinau gern selbst gebaut, hob Verwaltungsdirektor Steffen Jooß in der Ausschusssitzung hervor. „Bei uns ist die Option eines Investors genauso im Fokus“, sagte sein Kollege auf katholischer Seite, Eckhard Berg.
Beide betonten aber auch, dass die derzeitige Festsummenförderung von Kita-Bauprojekten durch die Stadt wegen der ausufernden Kosten nicht mehr zeitgemäß sei. Seit 2017, so Steffen Jooß, sei der offizielle Baukostenindex „um 50 Prozent gestiegen, die städtische Förderung ist um null Prozent gestiegen“. Für „sehr hilfreich“ hält es denn auch Eckhard Berg, „auf eine prozentuale Förderung umzusteigen“.
Denn diese Idee gewinnt auch im politischen Raum immer mehr Befürworter, wie sich im Ausschuss zeigte. Für eine „grundsätzliche Umstellung der Fördersystematik“ sprach sich Melanie Seidenglanz (SPD) aus – deren Fraktion hat auch einen entsprechenden Antrag eingebracht. Über geänderte Förderrichtlinien „eher früher als später sprechen“ möchte ebenfalls die CDU, bekräftigte Katharina Funck.
Aber eine mögliche Neufassung der Zuschusspraxis geht nicht von heute auf morgen. Und so freuen sich die Betroffenen über jede positive Nachricht – wie zum Beispiel die, dass die katholische Kirche vor wenigen Tagen auf dem Almenhof mit dem Bau einer siebengruppigen Einrichtung begonnen hat. Oder die, dass auf dem Areal einer von der Ekma aufgegebenen Kita in der Hessischen Straße im Stadtteil Waldhof ein Investor eine Kita mit fünf Gruppen bauen möchte.
Personalmangel zentrales Problem
Auf der anderen Seite schmerzt jede weitere Hiobsbotschaft – wie gerade vor wenigen Tagen. So sollte auf dem Lindenhof, im Glückstein-Quartier, der Investor Familienheim Rhein-Neckar 20 Krippen- und 60 Kitaplätze schaffen. Aber seit der Ankündigung vor mehreren Jahren hat sich auf der Brachfläche nichts getan. Die Elterninitiative Lindenhof protestierte dagegen vor rund fünf Monaten und übergab an die Firma eine Unterschriftenliste. Am vergangenen Mittwoch zog auch die Verwaltung die Reißleine und forderte das Unternehmen auf, den Grundstückskauf rückgängig zu machen. Wie es hier weitergeht, ist offen.
Bei aller Diskussion um umgesetzte oder gestoppte Bauprojekte gebe es derzeit aber ganz andere Probleme, betonte Dirk Grunert im Ausschuss: „Der Fachkräftemangel ist das alles Entscheidende, warum wir nicht mehr Kitaplätze haben“, so der Bürgermeister. „Wenn morgen in der Stadt zehn bezugsfertige Kitas stehen würden, würde uns das Nullkommanull bringen. Fast jeder Träger hat die Öffnungszeiten an einzelnen Einrichtungen mittlerweile gekürzt, weil das Personal nicht mehr reicht, um regulär zu öffnen.“ Dem stimmte Eckhard Berg zu: Allein in den katholischen Kitas habe man „im Moment 23 nicht belegte Stellen“.
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Kita-Ausbau in Mannheim kommt zu spät und zu zögerlich