Betreuung

Mannheimer Familien suchen verzweifelt nach Kita-Plätzen

Hunderte von Kita- und Krippenplätzen fehlen in Mannheim. Was macht das mit den Betroffenen? Davon berichtet exemplarisch Familie Sorda: Für Sohn David suchen sie seit eineinhalb Jahren einen Platz  

Von 
Bertram Bähr
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Dreieinhalb Jahre alt ist David, der Junge von Gloria und Aleksandar Sorda. „Er versteht, was ein Kindergarten ist“, berichtet die Mutter im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“. Und er weiß, dass andere Kinder aus der Nachbarschaft dorthin gehen. So kommt es vor, dass er sagt: „Mama, ich will auch in den Kindergarten. Und dann fängt er an zu weinen“, erzählt Gloria Sorda: „Das bricht einem das Herz.“

Seit eineinhalb Jahren, berichtet die Gartenstädterin, „suchen wir für unseren Sohn einen Kindergartenplatz“. Die Familie werde „von der einen zur anderen Stelle“ geschickt, ohne dass sich bisher eine Lösung abzeichne. Als David zwei Jahre alt war, hätte er einen Krippenplatz haben können. Aber da Gloria Sorda erneut schwanger war und ohnehin nicht arbeitete, ließ sie ihn zuhause.

807 Kita-Kinder gehen leer aus

Im Nachhinein bereut sie das bitter. Denn für Krippenkinder ergeben sich oft Übergangslösungen. Bis ein Kita-Platz frei wird, können sie unter Umständen in der Krippe bleiben. Die Stadtverwaltung hat dafür einen sperrigen und gewöhnungsbedürftigen Begriff geprägt: Krippenrückstaukinder. Auch wenn sich das unschön anhört: Für viele Eltern ist es ein Segen – anders als bei Familie Sorda, die leer ausgeht. Die Mutter sagt: „Es war einer unserer größten Fehler, dass wir diesen Krippenplatz nicht genommen haben.“

Oft hat sie schon zu hören bekommen, dass ihr Sohn „frühestens mit vier, vielleicht auch erst mit fünf Jahren“ eine Chance habe.

Wie den Sordas geht es in Mannheim vielen anderen Eltern – und das seit vielen Jahren. Denn Kita-Plätze sind trotz aller Ausbau-Bemühungen notorisch knapp, Beschwerden ratloser und verzweifelter Betroffener an der Tagesordnung. Nach den aktuellen Zahlen – Stand Oktober 2022 – gelten 764 Kinder unter und 807 Kinder über drei Jahren als „unversorgt“. Das heißt: Sie haben keinen Platz bekommen. Auch wenn die Zahlen von Quartal zu Quartal schwanken, liegen sie seit langem im mittleren bis hohen dreistelligen Bereich.

Dass es ein großes Problem gibt, verschweigt Bildungsbürgermeister Dirk Grunert nicht. Es gebe durchaus Fälle, bei denen Eltern auch längere Zeit auf einen Platz warten müssten, teilte er im September 2022 im Jugendhilfeausschuss mit: „Die größte Wahrscheinlichkeit, einen Platz zu bekommen, besteht im letzten Jahr vor der Schule.“

Ein kompliziertes Punktesystem legt fest, wer auf der Prioritätenliste nach oben rutscht. Im letzten Kitajahr, so Bildungsdezernent Grunert, gebe es mehr Punkte. Aber „wenn sonst von einer Familie relativ geringe Punktzahlen erreicht werden, sind die Chancen im ersten und zweiten Jahr deutlich geringer, das muss man schon sagen“.

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Was heißt das für die vielen Betroffenen – zum Beispiel für Familie Sorda. Mutter Gloria müsste „spätestens Oktober“ – wenn die Elternzeit ausläuft – ihre Stelle in Neuostheim antreten. Sonst wäre sie arbeitslos. Vater Aleksandar ist am anderen Ende der Stadt, auf der Rheinau, voll berufstätig – noch dazu im Schichtdienst. Und die Großeltern seien ebenfalls allesamt noch im Job.

Organisatorischer Kraftakt

„Eigentlich bräuchte ich zwei Plätze“, sagt Gloria Sorda. Ob Tochter Adrijana, die im Oktober zwei Jahre alt wird, einen Krippenplatz erhält, entscheidet sich im Frühjahr. „Meine letzte Hoffnung ist, dass ich für meinen Sohn zumindest ab September einen Platz bekomme.“ Ob das klappt? Sie ist skeptisch. Oft hat sie schon zu hören bekommen, dass ihr Sohn „frühestens mit vier, vielleicht auch erst mit fünf Jahren“ eine Chance habe.

Selbst wenn es im September eine Lösung geben sollte: Familie Sorda erwartet schon gar nicht mehr, dass das wohnortnah in der Gartenstadt klappt. Notfalls würde sie „ausweichen auf andere Stadtteile“. Wobei das neue Probleme aufwerfen würde: „Zwei Kinder in zwei verschiedenen Einrichtungen, das ist schwierig.“ Die Tochter in A, den Sohn in B abgeben, zur Arbeit nach C fahren, in diesem Fall Neuostheim. Das wäre ein organisatorischer Kraftakt.

Ein Kraftakt ist es allerdings auch für die Stadtverwaltung, die Ausbaupläne voranzutreiben. Dazu hat sie in den vergangenen Jahren die Abläufe gestrafft, einen Kita-Ausbaukoordinator eingesetzt und viel Geld in die Hand genommen. Bei der Versorgungsquote, dem Anteil betreuter Kinder an der Gesamtzahl aller in der jeweiligen Altersgruppe, bewegt sich dennoch fast nichts. Denn die Bevölkerung wächst, der Ausbau kommt nur mit Mühe hinterher.

Bei 84,2 liegt die Quote aktuell für Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Das heißt: Für fast 16 von 100 Kindern steht kein Platz zur Verfügung. Bis zum Jahr 2030 hofft die Stadt, die Versorgungsquote auf knapp 95 Prozent steigern zu können. Langfristig soll sie sogar bei 105 liegen – so wie das bereits aktuell im Rhein-Neckar-Kreis oder nahezu in Heidelberg (101,8) der Fall ist.

Bei den Plänen Mannheims zur Schaffung neuer Plätze gibt es immer wieder Rückschläge. Ausbauprojekte, die fest eingeplant waren, drohen zu scheitern – wie zuletzt auf der Rheinau ein geplanter Kita-Neubau der Evangelischen Kirche auf einem Gelände an der Versöhnungskirche. Das Dekanat hat die Reißleine gezogen, weil die Baukosten aus dem Ruder laufen.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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